Die Christianisierung der Arabischen Welt

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Viele Muslime, kritisiert Nivin, laden Andersgläubige gerne dazu ein, sich über den Islam zu informieren, ohne selbst jemals auf den Gedanken zu kommen, sich mit dem Christentum oder anderen Religionen vertraut zu machen. Nivin weiss, wovon sie spricht. Sie selbst ist vor drei Jahren vom Islam zum Christentum konvertiert.

Nachdem sie zuerst mit dem Judentum angebändelt hatte, gehört sie jetzt als Mitglied der Unitarischen Kirche zu einer Minderheit in der Minderheit. In Jordanien, wo sie übergetreten ist, kenne sie viele Muslime, die zum Christentum konvertiert seien. Man trifft sich dort in vertrauter Runde, um zu beraten, wie man sein „Coming Out“ am besten durchführt. Wie in schwulen Selbsthilfegruppen, scherzt Nivin.

Die jordanischen Behörden raten den Konvertiten zu entsprechender Diskretion – aus eigenem Interesse. Deshalb, so Nivin, hört man in arabischen Ländern so häufig von Konversionen zum Islam, nicht aber vom Islam zu anderen Religionen. Ihrer eigenen Einschätzung nach gibt es jedoch mindestens ebensoviele, die vom Islam zum Christentum wechseln wie umgekehrt.

Abbildung (c) 2010 Michael Kreutz

Aufpoliert

Was den Internetdienst Mideastwire.com von MEMRI unterscheidet, ist vor allem die Wahl der Quellen. Zentrales Kriterium ist der Publikationsort, nicht die Sprache. Im Klartext: Eine so wichtige iranische Exilantenzeitung wie die Londoner Kayhan findet in der Presseschau von Mideastwire.com keine Berücksichtigung.

Gerade im Falle nahöstlicher Diktaturen sind die inländischen Medien jedoch alle mehr oder weniger regimetreu, die wichtigsten Informationsquellen stammen von ausserhalb des Landes. Wes Geistes Kind Mideastwire.com ist, sollte damit schon hinreichend deutlich geworden sein. Jetzt hat der in Beirut ansässige Dienst noch eins draufgesetzt:

Few Arabic-language study programmes include visits with Hamas and Hizbollah officials as part of their curriculum. But at Damascus Exchange, a two-week course, access to such people is what students sign up for.

“Getting a chance to talk with Hamas was an amazing opportunity,” said Mert Karakus, a 22-year-old student from Turkey and one of 11 participants in this summer’s programme in Damascus, which is run by Mideastwire.com, a Beirut news translation service. (…)

Candid discussions with political figures were also important to Mr Karakus, who studies political economy in the US at Bates College in Maine.

“Hamas is a radical organisation that I hear about in the news,” he said. “But in the news you have a very negative image; the human element is lost. Hearing their stories, their concerns, seeing how they think, how they analyse, how they approach the situation, was what was important for me.”

Eine neue Generation von Nahostexperten begibt sich in die Startlöcher.

[Aus dem Archiv,]

“Das grösste Aufrüstungsprogramm in der modernen Geschichte Griechenlands”

Trotz Finanzkrise leistet sich Griechenland immer noch exorbitant höhe Rüstungsausgaben, die weit über dem Vergleichwert anderer EU-Länder liegen. unter Waffen hat. Auch sind in

Griechenland 2,9 Prozent aller Erwerbstätigen bei den Streitkräften beschäftigt, während der Durchschnitt in NATO-Europa nur ein Prozent beträgt. Hintergrund ist vor allem das spezielle Verhältnis zum türkischen Nachbarn. Ein Papier des Bonn International Center vor Conversion fördert durchaus erstaunliches zutage:

Griechenland ist in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder von „Rüstungslücken“ sowie „strategischen Ungleichgewichten“ und „massiver Unterlegenheit“ ausgegangen, die es durch große Aufrüstungsprogramme auszugleichen versucht hat. Der damalige griechische Ministerpräsident Kostas Simitis (1996 bis 2004) rühmte sich zum Beispiel, „das größte Aufrüstungsprogramm in der modernen Geschichte Griechenlands in Gang gesetzt“ zu haben. Es sah Waffenkäufe von 1996 bis 2006 im Wert von 25 Mrd. Euro vor. Sein Nachfolger Kostas Karamanlis plante für den Zeitraum 2006 bis 2016 Waffenkäufe im Wert von 26,7 Mrd. Euro ein.

Als sich die Schuldenkrise des Landes Ende 2009 zuspitzte, war es für die dann neue Regierung unter Ministerpräsident Papandreou unumgänglich, auch an die Rüstungsausgaben heranzugehen.

Zwar, so heisst es weiter, sei “sich die griechische Regierung bewusst, dass sie angesichts des drohenden Staatsbankrotts an weiteren Kürzungen im Rüstungshaushalt sowie den Beschaffungsplänen nicht vorbeikommt.” Allerdings halte sie an “überkommenen Bedrohungswahrnehmungen” fest, weswegen sie keine Anstrengungen erkennen lässt, die Rüstungsausgaben des Landes auf den Durchschnitt der europäischen NATO-Länder zu senken.

Erotisis, apantisis

Griechische Fragen stellt Hannes Stein auf der “Achse des Guten”. Ein paar Gedanken von mir im folgenden.

War es richtig oder falsch, dass das demokratische Großbritannien sich 1940 mit Ioannis Metaxas gegen Mussolini und Hitler verbündete?

Metaxas und der griechische König Georg hatten zwar schon 1936 verkündet, dass sie im Falle eines Konfliktes auf britischer Seite stünden, doch weder blieb dem britischen Foreign Office Metaxas’ Avancen den Deutschen gegenüber verborgen, noch billigte man seine faschistischen Anwandlungen. Auf britischer Seite jedoch sah man keine Alternative zur Diktatur, nahm dies aber hin, solange Metaxas nur Premierminister von des Königs Gnaden war und man sich der Loyalität des griechischen Königs sicher zu sein können glaubte.

Georg II. schien anfangs offen für eine britische Kritik an der repressiven Politik Metaxas’, stellte sich dann jedoch entschlossen auf dessen Seite: Da Griechenland kein westliches Land und die Griechen Orientalen seien[1], würde jeder gemässigte Kurs nur als Schwäche verstanden. Gegenüber dem Präsidenten des British Council, Lord Lloyd, machte der König deutlich, dass er Metaxas für den einzigen halte, dem er die Führung des Landes zutraue.

Grossbritannien war bereit, Griechenland vor einem italienischen Vordringen zu unterstützen, vermied es jedoch, eine Garantieerklärung abzugeben, was von italienischer Seite als Provokation hätte verstanden werden können. Im Foreign Office fürchtete man offenbar die Gefahr eines Landkriegs. Das faschistische Italien sollte besiegt, Griechenland aber nicht um jeden Preis gehalten werden. Sowohl gegenüber Griechenland als auch gegenüber Rumänien liess sich Grossbritannien daher nicht zu mehr als einer vagen Absichtserklärung hinreissen, im Falle eines Angriffs Unterstützung zu leisten.

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Truman-Statue, Athen

Das britische Verhalten lässt sich durchaus rechtfertigen, zumal es, wenngleich zaghafte, Versuche gab, die Faschisierung der griechischen Gesellschaft[2] aufzuhalten. Allein, es war nicht der richtige Zeitpunkt für einen Kurswechsel: Fortgesetzte Provokationen von italienischer Seite, darunter die Torpedierung des griechischen Kreuzers “Elli”, führten dazu, dass die griechische Bevölkerung sich mit Metaxas solidarisierte.

Mussolini versuchte zwar, Griechenland zu beschwichtigen. Nur zwei Monate nach der Attacke auf die “Elli” liess er jedoch durch seinen Botschafter Grazzi dem griechischen Premier Metaxas ein Ultimatum aushändigen, Italien zu dessen Sicherheit einige Stützpunkte auf griechischem Territorium zu überlassen. Metaxas’ Nein (”Ochi”) geht in die Geschichte ein.

Wenn man Grossbritannien etwas vorwerfen kann (rückblickend lässt sich das natürlich immer leicht sagen), dann die Tatsache, dass es nicht entschlossen genug Griechenland unterstützt hat: Das italienische Vordringen bildete nämlich nur den Auftakt zur Besetzungdes Landes durch Nazideutschland (das Metaxas nicht mehr miterlebte, da er kurz zuvor verstarb). Dessen Herrschaft kostete 86% der griechischen Juden das Leben, davon 54.000 Juden aus Thessaloniki. Die Bevölkerungszahl vor der Nazizeit betrug 77.377, danach 10.226.

Weiter wird gefragt:

Was ist der Unterschied zwischen der Unterstützung für Metaxas und der Unterstützung (zumindest Duldung, Billigung) der griechischen Junta durch die Amerikaner zwischen 1967 und 1974, für die Bill Clinton später um Entschuldigung bat?

Man könnte argumentieren, dass zur Zeit der griechischen Junta Griechenlands Souveränität nicht bedroht war. Dass der Junta-Chef Papadopoulos mit dem CIA in Verbindung stand, dürfte allerdings nur die halbe Wahrheit für die Toleranzpolitik der USA gegenüber dem Regime sein. Auch das Nachwirken der Truman-Doktrin hat sicherlich eine Rolle gespielt.

Die Unterstützung für die Junta lässt sich jedoch weitaus geringer rechtfertigen als die für Metaxas. Eine kommunistische Übernahme hätte jedenfalls kaum einen neuen Holocaust zur Folge gehabt. Hinzu kommt, dass die griechische Junta mit ihrer Zypernpolitik eine türkische Invasion geradezu provoziert hatte: So liess sie durch die EOKA-B, eine faschistische Miliz, einen Anschlag auf den griechisch-zypriotischen Ministerpräsidenten Makarios verüben und versuchte dann, den Kopf der EOKA-B, Nikos Sampson, an dessen Stelle zu setzen. Auch Anschläge auf türkisch-zypriotische Zivilisten konnte die Türkei nicht hinnehmen. Es kam zur Invasion.

Wie gross die Unterstützung der USA für die Junta war, lässt sich schwer sagen. Der ehemalige, durchaus graecophile US-Botschafter in Athen, John Brady Kiesling, der wegen der Kritik an der Irakpolitik seines Landes zurücktrat, hielt die Unterstützung, soweit ich mich erinnere (Quelle gerade nicht zur Hand), wohl für eher gering. Es scheint sich im wesentlichen um einen Austausch geheimdienstlicher Informationen gehandelt zu haben. Der heutige griechische Antiamerikanismus ist jedenfalls älteren Ursprungs.

Welche Lehren lassen sich daraus für Afghanistan ziehen? Wenn die Wahl zwischen einer Militärdiktatur und einem Taliban-Staat besteht, dann spielt man beide gegeneinander aus und setzt sich in die Position des lachenden Dritten. So ähnlich hat ein anderer grosser Grieche schon einmal einen verwickelten Knoten gelöst.

Das Bild zeigt die Truman-Statue in Athen. Foto: Michael Kreutz.

 

  1. Sic! Auch das britische Foreign Office sah das so, vgl. Dan Diner, Zweierlei Osten. Europa zwischen Westen, Byzanz und Islam, in: Otto Kallscheuer, Hg., Das Europa der Religionen. Ein Kontinent zwischen Säkularisierung und Fundamentalismus, Frankfurt a.M. 1996, S. 97–113.
  2. Rafailidis in seinem Buch Ιστορία (κωμικοτραγική) του νεοελληνικού κράτους, Athen 1993, S. 138, spricht davon, dass Metaxas Mussolini und Hitler nachgeahmt habe. Konzentrationslager jedenfalls gab es unter Metaxas keine.

 

[Aus dem Archiv.]

Die Zukunft der Islamwissenschaft

Schaut man sich islambezogene Veranstaltungen an deutschen Universitäten an, so drängt sich einem zuweilen der Eindruck auf, dass die Wissenschaft ihren Rang an den Dialog abgetreten hat. Nicht Expertise, sondern Herkunft und Religionszugehörigkeit scheinen häufig die entscheidenden Kriterien für die Wahl der Referenten. Wie vor einiger Zeit auf diesem Blog ausgeführt, kann man bereits in den USA sehen, wohin diese Tendenz führt.

„Die Zukunft der Islamwissenschaft“ weiterlesen

Last Exit Hellas

Wenn es um Statistiken innerhalb der EU geht, steht Griechenland im Ländervergleich bei den unterschiedlichsten Themen häufig ganz oben oder ganz unten auf der Liste, geht es um Alkoholkonsum oder Frendenfeindlichkeit.

Auch das Thema Asyl ist so ein Fall. Nicht mehr als einem Prozent der Asylgesuche wird in Griechenland stattgegeben. Im ganzen vergangenen Jahr waren das gerade einmal 210 Anträge. Das Land bildet damit das Schlusslicht in Europa. (Soviel zur hellenischen Solidarität mit den Unterdrückten und Verfolgten.)

Zugleich kehren infolge der Finanzkrise und dem Verlust von Arbeitsplätzen immer mehr Gastarbeiter Griechenland den Rücken. Betroffen sind hier vor allem Albaner und Bulgaren, und zwar aus allen Berufen, Männer ebenso wie Frauen. Aber das ist noch nicht alles.

Denn auch immer mehr Griechen verlassen ihr Land oder spielen mit dem Gedanken, es zu tun. Grund ist auch hier die Sorge um den Arbeitsplatz und verbesserte Möglichkeiten im europäischen Ausland oder den USA. Man höre und staune: Mittlerweile geben neun von zehn Griechen an, bereit zur Auswanderung zu sein!

Der letzte macht das Licht aus – wenn es Griechenland nicht gelingt, einen drastischen Kurswechsel hin zu Marktwirtschaft, Wohlstand und Einwanderung zu vollziehen.

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