Diktator wider Willen

Michael Kreutz · October 21, 2007

Was ich immer so herzig an der ganzen linken Denke finde, ist die Eigenart ihrer Verfechter, dass der ganze Murks, den sie hervorbringen, sie so selten zum Umdenken bewegt. Um das eigene verkorkste Weltbild aufrechterhalten und die Angst vor der Freiheit weiterhin vor sich selbst rechtfertigen zu können, werden die Ausgeburten von Sozialismus und Kollektivismus dann gerne der Marktwirtschaft oder stellvertretend den USA angehängt, die, solchermassen stigmatisiert, dann wieder als Argument benutzt werden, um den Sozialismus umso entschiedener fordern zu können.

Eine, die diese Agitation besonders gut beherrscht, ist die Globalisierungsgegnerin Naomi Klein, die im Interview mit der FAS den Nonsens zum besten geben darf, dass Privatisierung selbst dann schlecht ist, wenn es den Menschen hinterher besser geht (”Darum geht es mir gar nicht. Ich will nur zeigen, dass beispielsweise die Bevölkerung in Sri Lanka überhaupt nicht nach ihrer Meinung gefragt wurde.”) Frau Klein, die auch an ein Oxymoron namens “demokratischer Sozialismus” glaubt, möchte den Menschen weismachen, dass der Markt nicht sie selber sind, sondern etwas ihnen fremdes und bedrohliches ist, vor dem der Staat sie schützen muss. So wie das in Venezuela und Bolivien der Fall ist.

Friedrich August von Hayek schrieb vor mehr als fünfzig Jahren “Der Wunsch der Menschen, daß ihnen die bittere Wahl, vor welche die rauhe Wirklichkeit sie oft stellt, erspart bleiben möge, ist durchaus nicht erstaunlich. Aber wenige wollen auf die Weise von ihr befreit werden, daß andere ihnen die Wahl abnehmen.” Soll heissen: Zwangswirtschaft bedeutet immer Diktatur und niemals Demokratie. Frau Klein aber streitet den zunehmend diktatorischen Charakter eines Hugo Chávez gar nicht ab, sondern hat auch dafür eine Erklärung parat, die zu ihrem Weltbild passt: Schuld sind die USA.

Ich sehe Chávez durchaus mit gemischten Gefühlen, und wäre mein Buch früher erschienen, hätte ich sicher mehr Kritik geübt. Aber man sollte schon auch erwähnen, dass Chávez seine heutige Machtfülle in erster Linie dem von den Vereinigten Staaten unterstützten Putschversuch gegen ihn im Jahr 2000 verdankt. Seine diktatorischen Ambitionen hängen zweifelsohne mit diesen Ereignissen zusammen.

Ein Diktator wider Willen also, der nichts dafür kann, dass er so ist. Ungeachtet dessen hält Frau Klein Venezuela für dennoch freier als die USA, deren Demokratie sie “in höchstem Masse gefährdet” glaubt. Und das, obwohl sie den von ihr so gescholtenen Neokonservatismus bereits am Ende sieht und schon darüber spekuliert, was wohl danach kommen mag. Selten habe ich ein Interview gelesen, dass so voller Widersprüche ist.
Ihr neues Buch wird bestimmt ein Renner. “

Je grösser der Stiefel, desto höher der Absatz” – diese Erfahrung hatte schon Karl Kraus gemacht.

[Aus dem Archiv.]

No thinko

Michael Kreutz · September 18, 2007

“Wer Globalisierung sagt, redet also von einem dynamisierten und komfort-animierten artifiziellen Kontinent im Weltmeer der Armut, wenngleich die dominierende affirmative Rhetorik gern den Anschein erweckt, das Weltsystem sei seinem Wesen nach all-inklusiv verfaßt” schrieb einmal der Philosoph Peter Sloterdijk, womit er ein prächtiges Beispiel für die in seinem Milieu herrschende Vorverurteilung des Marktes abgibt. Zahlen, Daten, Fakten – das haben wir ja alles gar nicht nötig.

Andere wiederum kleiden ihren “globalisierungskritischen” No-Brainer in eine peppige Jugendsprache, womit vor allem der No-Logo-Göre Naomi Klein bislang grosser Erfolg beschieden war. Nur irgendwie scheint auch hier die Luft raus zu sein, wie folgendes Interview in der “Zeit” zu Tage fördert:

ZEIT online: Sie starten mit einem eindrucksvollen ersten Kapitel, in dem Sie Folteropfer vorstellen, und es läuft einem kalt den Rücken herunter. Macht Ihre Leser bereit, ebenso schlimm über die ökonomischen Schocks zu denken, die Sie auf den Seiten danach beschreiben.

Naomi Klein: Das war so sicher nicht geplant. Ich wollte eine menschliche Geschichte voranstellen, bevor so viel trockenes Zeug folgt, über Hyperinflation und so weiter. (Pause) Ich wollte, dass diese Geschichte einen menschlichen Zugang zu diesem Thema eröffnet. Aber ich kann schon nachvollziehen, was Sie sagen.

Das muss man wirklich im Ganzen gelesen haben. Schöner hat sich die bramabarsierende Hirnlosigkeit der westlichen Anti-Markt-Intelligenzija noch selten zerlegt. (Wobei ich gestehen muss: Ihre Hilflosigkeit macht Frau Klein sehr menschlich und damit beinahe schon wieder sympathisch.)

Dass sie die Chavez-Linke in Südamerika anhimmelt, hat schon etwas Tragikomisches: Einer Pew-Umfrage zufolge bevorzugen 72% der Venzolaner das Leben in einer freien Marktwirtschaft.

[Aus dem Archiv.]

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