Erotisis, apantisis

Griechische Fragen stellt Hannes Stein auf der “Achse des Guten”. Ein paar Gedanken von mir im folgenden.

War es richtig oder falsch, dass das demokratische Großbritannien sich 1940 mit Ioannis Metaxas gegen Mussolini und Hitler verbündete?

Metaxas und der griechische König Georg hatten zwar schon 1936 verkündet, dass sie im Falle eines Konfliktes auf britischer Seite stünden, doch weder blieb dem britischen Foreign Office Metaxas’ Avancen den Deutschen gegenüber verborgen, noch billigte man seine faschistischen Anwandlungen. Auf britischer Seite jedoch sah man keine Alternative zur Diktatur, nahm dies aber hin, solange Metaxas nur Premierminister von des Königs Gnaden war und man sich der Loyalität des griechischen Königs sicher zu sein können glaubte.

Georg II. schien anfangs offen für eine britische Kritik an der repressiven Politik Metaxas’, stellte sich dann jedoch entschlossen auf dessen Seite: Da Griechenland kein westliches Land und die Griechen Orientalen seien[1], würde jeder gemässigte Kurs nur als Schwäche verstanden. Gegenüber dem Präsidenten des British Council, Lord Lloyd, machte der König deutlich, dass er Metaxas für den einzigen halte, dem er die Führung des Landes zutraue.

Grossbritannien war bereit, Griechenland vor einem italienischen Vordringen zu unterstützen, vermied es jedoch, eine Garantieerklärung abzugeben, was von italienischer Seite als Provokation hätte verstanden werden können. Im Foreign Office fürchtete man offenbar die Gefahr eines Landkriegs. Das faschistische Italien sollte besiegt, Griechenland aber nicht um jeden Preis gehalten werden. Sowohl gegenüber Griechenland als auch gegenüber Rumänien liess sich Grossbritannien daher nicht zu mehr als einer vagen Absichtserklärung hinreissen, im Falle eines Angriffs Unterstützung zu leisten.

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Truman-Statue, Athen

Das britische Verhalten lässt sich durchaus rechtfertigen, zumal es, wenngleich zaghafte, Versuche gab, die Faschisierung der griechischen Gesellschaft[2] aufzuhalten. Allein, es war nicht der richtige Zeitpunkt für einen Kurswechsel: Fortgesetzte Provokationen von italienischer Seite, darunter die Torpedierung des griechischen Kreuzers “Elli”, führten dazu, dass die griechische Bevölkerung sich mit Metaxas solidarisierte.

Mussolini versuchte zwar, Griechenland zu beschwichtigen. Nur zwei Monate nach der Attacke auf die “Elli” liess er jedoch durch seinen Botschafter Grazzi dem griechischen Premier Metaxas ein Ultimatum aushändigen, Italien zu dessen Sicherheit einige Stützpunkte auf griechischem Territorium zu überlassen. Metaxas’ Nein (”Ochi”) geht in die Geschichte ein.

Wenn man Grossbritannien etwas vorwerfen kann (rückblickend lässt sich das natürlich immer leicht sagen), dann die Tatsache, dass es nicht entschlossen genug Griechenland unterstützt hat: Das italienische Vordringen bildete nämlich nur den Auftakt zur Besetzungdes Landes durch Nazideutschland (das Metaxas nicht mehr miterlebte, da er kurz zuvor verstarb). Dessen Herrschaft kostete 86% der griechischen Juden das Leben, davon 54.000 Juden aus Thessaloniki. Die Bevölkerungszahl vor der Nazizeit betrug 77.377, danach 10.226.

Weiter wird gefragt:

Was ist der Unterschied zwischen der Unterstützung für Metaxas und der Unterstützung (zumindest Duldung, Billigung) der griechischen Junta durch die Amerikaner zwischen 1967 und 1974, für die Bill Clinton später um Entschuldigung bat?

Man könnte argumentieren, dass zur Zeit der griechischen Junta Griechenlands Souveränität nicht bedroht war. Dass der Junta-Chef Papadopoulos mit dem CIA in Verbindung stand, dürfte allerdings nur die halbe Wahrheit für die Toleranzpolitik der USA gegenüber dem Regime sein. Auch das Nachwirken der Truman-Doktrin hat sicherlich eine Rolle gespielt.

Die Unterstützung für die Junta lässt sich jedoch weitaus geringer rechtfertigen als die für Metaxas. Eine kommunistische Übernahme hätte jedenfalls kaum einen neuen Holocaust zur Folge gehabt. Hinzu kommt, dass die griechische Junta mit ihrer Zypernpolitik eine türkische Invasion geradezu provoziert hatte: So liess sie durch die EOKA-B, eine faschistische Miliz, einen Anschlag auf den griechisch-zypriotischen Ministerpräsidenten Makarios verüben und versuchte dann, den Kopf der EOKA-B, Nikos Sampson, an dessen Stelle zu setzen. Auch Anschläge auf türkisch-zypriotische Zivilisten konnte die Türkei nicht hinnehmen. Es kam zur Invasion.

Wie gross die Unterstützung der USA für die Junta war, lässt sich schwer sagen. Der ehemalige, durchaus graecophile US-Botschafter in Athen, John Brady Kiesling, der wegen der Kritik an der Irakpolitik seines Landes zurücktrat, hielt die Unterstützung, soweit ich mich erinnere (Quelle gerade nicht zur Hand), wohl für eher gering. Es scheint sich im wesentlichen um einen Austausch geheimdienstlicher Informationen gehandelt zu haben. Der heutige griechische Antiamerikanismus ist jedenfalls älteren Ursprungs.

Welche Lehren lassen sich daraus für Afghanistan ziehen? Wenn die Wahl zwischen einer Militärdiktatur und einem Taliban-Staat besteht, dann spielt man beide gegeneinander aus und setzt sich in die Position des lachenden Dritten. So ähnlich hat ein anderer grosser Grieche schon einmal einen verwickelten Knoten gelöst.

Das Bild zeigt die Truman-Statue in Athen. Foto: Michael Kreutz.

 

  1. Sic! Auch das britische Foreign Office sah das so, vgl. Dan Diner, Zweierlei Osten. Europa zwischen Westen, Byzanz und Islam, in: Otto Kallscheuer, Hg., Das Europa der Religionen. Ein Kontinent zwischen Säkularisierung und Fundamentalismus, Frankfurt a.M. 1996, S. 97–113.
  2. Rafailidis in seinem Buch Ιστορία (κωμικοτραγική) του νεοελληνικού κράτους, Athen 1993, S. 138, spricht davon, dass Metaxas Mussolini und Hitler nachgeahmt habe. Konzentrationslager jedenfalls gab es unter Metaxas keine.

 

[Aus dem Archiv.]

Die Zukunft der Islamwissenschaft

Schaut man sich islambezogene Veranstaltungen an deutschen Universitäten an, so drängt sich einem zuweilen der Eindruck auf, dass die Wissenschaft ihren Rang an den Dialog abgetreten hat. Nicht Expertise, sondern Herkunft und Religionszugehörigkeit scheinen häufig die entscheidenden Kriterien für die Wahl der Referenten. Wie vor einiger Zeit auf diesem Blog ausgeführt, kann man bereits in den USA sehen, wohin diese Tendenz führt.

Dazu beigetragen hat sicherlich die Ideologie des “Post-Colonialism“: Da die in ihrem Eurozentrismus befangenen Europäer den Nahen Osten und die Religion des Islam gar nicht anders als verzerrt zu sehen imstande sind, bedarf es authentischer Stimmen, um ein authentisches Bild vom Islam und den islamischen Ländern zu gewinnen. Dass ein Referent allerdings nicht dadurch zu einem Türkeiexperten wird, dass er türkischer Abstammung ist, wird gerne ausgeblendet. Oder glaubt irgendjemand, dass jeder Deutscher qua Geburt ein Fachmann für die Synode von Worms oder die Reichsversammlung zu Mainz ist?

Nur wenn es um den Islam geht, gelten eben andere Masstäbe und das heisst: Nur die Binnensicht ist über jeden Verdacht orientalistischer Eintrübung erhaben. Jedenfalls erwecken viele an Universitäten abgehaltene Veranstaltungen diesen Eindruck. Daher ist es nur folgerichtig, wenn der Wissenschaftsrat anregt, diese Tendenz institutionell zu verstetigen. Einige Islamwissenschaftler haben dagegen gewichtige Argumente vorgebracht – zu recht sehen sie die unabhängige islambezogene Forschung in Gefahr. Der Theologe F.W. Graf hat das Verhängnisvolle dieser Entwicklung treffend formuliert[1]:

Indem die (…) Differenz von wissenschaftlicher historischer Forschung und “kulturellem Gedächtnis” oder “Memorialkultur” aufgehoben wird, können neue holistische Imaginationen der Vergangenheit erzeugt werden: Die Geschichte der Muslime gehört allein den Muslimen, die des orthodoxen Judentums exklusiv orthodoxen Juden. Nur sie können die Binnenperspektive einnehmen und, gegen alle intentional verallgemeinerungsfähigen Standards kulturwissenschaftlicher Forschung, durch aggressive reading den wahren Sinn der Zeichen entziffern. (…)

Religionswissenschaftlerinnen und Religionswissenschaftler, die ihre Forschungen auf solche Identitätsvorgaben hin konzentrieren, verstehen sich zwar als Akteure im akademischen Feld, und die Selbstdefinition von den Opfern her hindert sie durchaus nicht daran, alle Privilegien ihres akademischen Status zu genießen. Doch will dieser neue Typus des Intellektuellen mehr, als Religion analytisch distanziert zu deuten. Daher agieren prominente Vordenker des neuen Diskurses (…) zugleich auch im religiösen und im politischen Feld und nehmen in den hier geführten Machtkämpfen eine klientelbezogene Expertenrolle ein.

Doch der Zug ist wohl schon längst abgefahren. Zur Monatsmitte hat der Wissenschaftsrat eine Tagung angekündigt, auf der die eigene Forderung, theologisch orientierte Islamische Studien an deutschen Hochschulen aufzubauen”, diskutiert werden soll.

Das Ergebnis dieser Diskussion dürfte kaum für Überraschungen sorgen. Eingeladen wurden jedenfalls überwiegend Referenten, von denen man nicht ohne Grund vermuten darf, dass sie mit der Forderung des Wissenschaftsrates konform gehen.

 

  1. Friedrich W. Graf, die Wiederkehr der Götter, München 2007, S. 241-2.

Last Exit Hellas

Wenn es um Statistiken innerhalb der EU geht, steht Griechenland im Ländervergleich bei den unterschiedlichsten Themen häufig ganz oben oder ganz unten auf der Liste, geht es um Alkoholkonsum oder Frendenfeindlichkeit.

Auch das Thema Asyl ist so ein Fall. Nicht mehr als einem Prozent der Asylgesuche wird in Griechenland stattgegeben. Im ganzen vergangenen Jahr waren das gerade einmal 210 Anträge. Das Land bildet damit das Schlusslicht in Europa. (Soviel zur hellenischen Solidarität mit den Unterdrückten und Verfolgten.)

Zugleich kehren infolge der Finanzkrise und dem Verlust von Arbeitsplätzen immer mehr Gastarbeiter Griechenland den Rücken. Betroffen sind hier vor allem Albaner und Bulgaren, und zwar aus allen Berufen, Männer ebenso wie Frauen. Aber das ist noch nicht alles.

Denn auch immer mehr Griechen verlassen ihr Land oder spielen mit dem Gedanken, es zu tun. Grund ist auch hier die Sorge um den Arbeitsplatz und verbesserte Möglichkeiten im europäischen Ausland oder den USA. Man höre und staune: Mittlerweile geben neun von zehn Griechen an, bereit zur Auswanderung zu sein!

Der letzte macht das Licht aus – wenn es Griechenland nicht gelingt, einen drastischen Kurswechsel hin zu Marktwirtschaft, Wohlstand und Einwanderung zu vollziehen.

Ein islamisch programmierter UN-Menschenrechtsrat?

[Aus dem Archiv.]

By Nasrin Amirsedghi (Gastautorin) · August 22, 2008

Warum die Durban-Folgekonferenz der UN boykottiert werden muss.

1990 legte die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“, verabschiedet durch die Organisation der Islamischen Konferenz, die Scharia als alleinige Grundlage von „Menschenrechten“ fest. Die dritte Antirassismus-Weltkonferenz der UN, die im September 2001 im südafrikanischen Durban stattfand, verstärkte den Trend: Aus diesen Konferenzen resultierte ein fataler Tribunal-Effekt gegen jede Demokratie, uneingeschränkte persönliche Freiheit, Meinungsfreiheit, Freiheit der Presse, der Künste und allgemein gegen die Menschenrechte. Alle bisherigen Menschenrechtskonventionen wurden in Kairo und Durban völlig auf den Kopf gestellt und Rassismus neu definiert. Auf der Durban-Konferenz sind wir auch noch belehrt worden, dass Israel nicht nur ein Apartheidstaat, sondern sogar die Reinkarnation des Nationalsozialismus sei, obwohl auf dem Konferenzgelände Adolf Hitlers Machwerk „Mein Kampf“ verkauft wurde: Ironie des Schicksals – und ein Alptraum.

Seitdem versammeln sich vielerlei Diktatoren, Rassisten, Fundamentalisten und Fanatiker der Welt in Genf und geben tüchtig Erklärungen für die Heilung der Welt und deren Untertanen ab. Die Deklarationen folgen dem Menschenrechtsverständnis der Ratsmitglieder aus kommunistischen und islamischen Staaten, der Doktrin des islamischen Rechts und der Scharia, wonach es keine Gleichberechtigung von Männern und Frauen, kein Recht auf freie Wahl der Religion oder des Ehepartners gibt. Unglaublich, aber wahr. Viele NGO-Mitglieder stimmten dem jubelnd zu! – so wird die Menschenrechtserklärung im Namen der Menschenrechte entstellt und pervertiert.

Im Verlauf „einer diplomatischen Initiative zur Schaffung eines adäquaten UNO-Menschenrechtsrats“in Genf unter Federführung der Schweizer Bundesrätin Micheline Calmy-Rey sind seit März 2003 noch mehr verwirrende und paradoxe Entwicklungen weg vom ursprünglichen Sinn der Menschenrechte in der UN-Charta von 1948 zu beobachten. Micheline Calmy-Rey beauftragte vor fünf Jahren Wissenschaftler, nach Reformmöglichkeiten für die bisherige UN-Menschenrechtskommission zu suchen. Eine scheinbar gute Absicht, dennoch ist zu befürchten, dass die Menschenrechte bei der Nachfolgekonferenz im April 2009 ins tiefe Mittelalter zurücksinken werden.

Es ist interessant zu beobachten, daß gerade die Staaten, die das Durban-Event im Jahr 2001 veranstalteten, sich auch am 26. Juni 1945 bei der Abstimmung der allgemeinen Menschenrechtserklärung der Stimme enthalten haben. Es waren auch damals die Staaten des Ostblocks, die Sowjetunion, Saudi-Arabien und Südafrika. Und dank der „Islamischen Revolution“ im Jahr 1979 sind zu diesen Herrschaften auch noch iranische Mullahs hinzugekommen, die seit dreißig Jahren aus dem Iran ein Volksgefängnis machen und die feierlich den Holocaust leugnen und Israel von der Landkarte tilgen wollen.

Im Juni 2006 hat der Menschenrechtsrat mit 47 Mitgliedern, darunter die Schweiz, die UNO-Menschenrechtskommission ersetzt. Es sollte „eine bedeutende Etappe in der Geschichte der UNO und auch ein außenpolitischer Erfolg der Schweiz“ werden. Dort sollen „Menschenrechte gefördert und geschützt“ werden. 1 Der Rat soll „die Menschenrechtssituation aller Mitgliedsstaaten überprüfen und sie zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichten“. „Wenn ein Mitglied schwerer und systematischer Menschenrechtsverletzungen beschuldigt wird“2, soll es „suspendiert“ werden. Wie denn?

Mit großen Worten und unter der Obhut der ignoranten Schweizer Initiatoren sitzen und dominieren nun im Menschenrechtsrat Mitgliedsstaaten wie der Iran, Libyen, China, Saudi-Arabien, Russland etc. Länder, in denen es gar keine Freiheit gibt, geschweige denn demokratische Verhältnisse. Offensichtlich instrumentalisieren diese Despotenstaaten die westlichen Errungenschaften für ihre Intoleranz und Judenfeindschaft und gegen die Prinzipien von Demokratie und Freiheit.

Es ist die Aufgabe jedes Demokraten, sich dagegen zu wehren und sich für die Abschaffung des „UN-Menschenrechtsrates“ einzusetzen. Außerdem müssen wir konsequent eine alternative Konferenz gegen Rassismus im Allgemeinen und insbesondere gegen Antisemitismus fordern. Es müssen alle wesentlichen ethischen Fragen und die Etablierung von Konventionen zur Regelung der Grundrechte der universalistischen Gültigkeit der Menschenrechte unterworfen werden. Dort muss der Mensch als absolut freies Wesen und nicht aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem bestimmten Glauben oder zu einer bestimmten Staatsideologie definiert sein.

Wir sollten viel aktiver daran arbeiten, uns Verbündete zu suchen und uns zu vernetzen. Denn nur auf Taten der Politikern/innen zu warten, ist Energie- und Zeitverschwendung. Die Uhr tickt und die Gefahren lauern überall: Nicht nur im Nahen Osten, sondern auch im Westen mit linkem und islamischem Fundamentalismus-Wahn gegen Freiheit und Menschlichkeit und andererseits mit wahnhaftem Ressentiment gegen Israel und Andersgläubige. Es wäre ein größter Wunsch, eine UN-Einrichtung etabliert zu sehen, die sich im Ernst mit der weltweiten Durchsetzung der Menschenrechte befasst und konsequent danach handelt.

Was zur Zeit im UNO-Menschenrechtsrat von blinden Westlern unterstützt wird, ist eine heimliche Identifikation mit den Aggressoren und bedeutet eine Gefahr für die Opfer, die in solchen aggressiven Ländern täglich wegen ihrer Freiheitsbestrebungen eliminiert werden: Jugendliche, Frauen, Intellektuelle, Journalisten/innen, Künstler/innen, Homo-Paare, Minderheiten und Andersgläubige. Es ist eine moralische Frage, die sich uns in all diesen ernsten Fällen stellt. Es ist unsere Pflicht gegenüber diesen Opfern, dagegen etwas tun.

Deshalb appellieren wir die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – insbesondere Deutschland, die „Durban 2“-Konferenz zu boykottieren. Unterschreiben Sie den Aufruf, der sich in deutscher und englischer Sprache im Internet findet unter http://boycottdurban2.wordpress.com.

+++Nachtrag, 25.08.2008+++

Der Beitrag ist bei Telos Press jetzt auch auf Englisch erschienen.

  1. ibd. Webseite des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten [back]
  2. ibd. [back]

Mohammed und der Feminismus

[Aus dem Archiv.]

War Mohammed ein Feminist? Nicht wenige Reformer in der Islamischen Welt sagen Ja. Immerhin hat der Prophet des Islam die Stellung der Frau in der Gesellschaft verbessert. Und war er ein Sozialist? Auch diese Frage beantworten viele positiv. Ein Demokrat? Ja, sicher, meinen andere.

Intellektuelle in der Islamische Welt tendieren durchweg dazu, ihre Weltanschauung, sei sie progressiv oder reaktionär, sei sie salafitisch oder säkularistisch, sei sie feministisch, sozialistisch oder kosmopolitisch, mit dem Koran und Mohammad zu begründen. Jeder Diskurs über die Moderne gerät so zu einem Diskurs über den “wahren Islam”.

Das Problem dabei ist nicht, dass diese Begründungen allesamt nicht schlüssig wären. Das Problem ist vielmehr, dass eine Ableitung demokratischer oder feministischer Überzeugungen aus der Religion kontraproduktiv sein muss. Sie repräsentieren dann keine selbständigen Werte mehr, sondern werden erst legitim durch die Gnade einer heiligen Schrift – deren Interpretation immer auch anders ausfallen kann.

Grundsätzliche (und zu begrüssende) Kritik am ganzen Unternehmen einer Reform des Islam kommt nun von unerwarteter Seite in der “Berliner Zeitung”:

Es werden dabei heutige Anliegen und Sichtweisen auf den Propheten rückprojiziert. Muslime, die auf diese Weise einen reformierten, offenen, lebendigen Islam für die Gegenwart begründen wollen, tun damit im Prinzip das Gleiche wie ihre Gegner, die engherzige, buchstabengetreue und oft auch autoritäre Varianten des Islam propagieren. Beide Seiten versuchen so, ihre eigenen Ansichten zu legitimieren.

Das Problem ist die Schriftgläubigkeit. Es ist das eine, den Propheten Mohammed als Vorbild zu nehmen für das eigene Leben im 21. Jahrhundert. Das machen die Christen, die Jesus als ihr Rollenvorbild sehen, auch nicht anders. Aber gläubige Muslime sind der Überzeugung, dass der Koran Gottes Wort sei und deswegen stehen sie vor einem Problem: Die Heilige Schrift wurde in einer bestimmten historischen Situation offenbart, und es stehen, wie auch in der Bibel, Dinge darin, die wissenschaftlich widerlegt oder aus der Gender-Perspektive problematisch sind – und die sich mit Interpretation allein nur schwer auflösen lassen.

Exakt. Gesellschaftlicher Fortschritt findet seine Voraussetzung nicht in einer Reformtheologie. Wie andere Religionen auch, so ist der Islam ebensowenig ein Hindernis für gesellschaftlichen Fortschritt, wie er eine Quelle für dessen Begründung sein kann.

Die Letztbegründung einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft kann nur in der Einsicht liegen, dass es erstrebenswerter ist, menschliches Potential in Frieden und Wohlstand zu investieren als in deren Verhinderung im Namen höherer Werte. Dort, wo die Religion diesem Ziel nicht entgegensteht, wird sie eine Zukunft haben.

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