Warum der Bohei?

Das besetzte Hamburger Flora-Theater (“Rote Flora”) versteht sich als “politisches Projekt” gegen die herrschende Ordnung. In Wahrheit ist alles nur Schau. Die Veranstaltungen, die in der Flora stattfinden, könnten harmloser und spiessiger kaum sein.

Der Veranstaltungskalender verzeichnet so revolutionäre Aktionen wie die montägliche “Motorradwerkstatt – schrauben und klönen”, eine “Fahrrad Selbsthilfe Werkstatt” (sic!) oder eine “offene Selbsthilfegruppe für Alkoholiker”. Selbsthelfende aller Länder, vereinigt euch.

Sonntags wiederum trifft man sich zu “leckeren Veranstaltungen und politischem Kaffee”. Damit “soll Menschen die Möglichkeit gegeben werden, einfach mal in die Flora reinzuschauen, sich in netter Atmosphäre über politische Themen zu informieren und auszutauschen, Leute zu treffen und vieles mehr.” Keine Fick-Orgien, kein revolutionäres Kiffen, und kein Singen von Arbeiterliedern in sturzbesoffenem Zustand.

Erlebnishungrige Sozialrevolutionäre erwartet ein wahrhaft trockenes Brot: “Von politischen Diskussionsrunden, Filmen und Dia-Shows über T-Shirt bedrucken ist alles mögliche denkbar es ist natürlich genauso o.k. einfach gemütlich abzuhängen.” Dia-Shows und Abhängen: Vorgeschmack aufs Altenheim.

Der Restverstand wird mittels eines “Archivs der Sozialen Bewegungen” sediert, das “als Beitrag zu aktuellen und zukünftigen theoretischen Arbeiten und praktischen Auseinandersetzungen” … Gähn. Themen sind “z. B. Stadtentwicklung, Repression, FrauenLesben, Antirassismus, Internationalismus, Hausbesetzungen.” Fehlt nur noch Jürgen Fliege.

Deutschland ist eine alternde Gesellschaft. Sein schleppende Müdigkeit schlägt sich auch in der revolutionären Szene nieder. Warum dann aber diese Gewalt? All das, vom Fahrradschrauben bis zum Musikhören und Abhängen könnte man auch legal in rechtmässig erworbenen oder angemieteten Räumlichkeiten durchführen. Was also soll der Bohei?

In Wahrheit haben die Besetzer ein Steuersparmodell erdacht, dass sie per Faustrecht gegenüber der Gesellschaft absichern. Wer auf Techno und Punk steht, kann zu einem der zahlreichen Konzerte in der besetzten Flora gehen. Mit fünf Euro ist man dabei. Steuern gezahlt werden keine.

Das kann Otto Normalunternehmer gerne einmal für sich ausprobieren. Vorausgesetzt er schafft es, ein paar tausend Chaoten zu mobiliseren, wenn die Steuerfahndung um fünf Uhr morgens an seine Tür klopft. In Wahrheit ist die besetzte Flora ein Projekt von Anarchokapitalisten und Sozialdarwinisten.

Auch wenn die Hausbesetzer das hinter einer Fassade des Altruismus verbergen mögen.

Hamburg schafft sich ab

An den Ausschreitungen um das besetzte Hamburger Flora-Theater (“Rote Flora”) zeigt sich, dass eine Anbiederung an extremistische Kräfte nur noch mehr Unheil bringt. Die Grünen empören sich zwar – jedoch über die Polizei, weil diese möglicherweise die Demonstration zu früh gestoppt hat. “Die vielen verletzten Polizisten und Polizistinnen, aber auch die unbekannte Zahl der Verletzten insgesamt sind auch eine deutliche Mahnung an die gesamte Stadt und an uns in der Politik” findet Antje Möller von der Grünen Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.

Das Verhalten gewaltbereiter Chaoten ist also eine “Mahnung” und damit jeder versteht, was gemeint ist, heisst es ergänzend: “Gewalt darf kein Mittel der Politik sein.” Das passt zur gemeinsamen Outing-Kampagne von Grüner Jugend und Linksjugend von vor acht Monaten, in der stolz verkündet wurde: “Ich bin linksextrem.” Teile der Grünlinge (immerhin hat sich die Grüne Jugend in Hessen von der Kampagne distanziert) haben offenbar noch immer nicht ihren Frieden mit der bürgerlichen Republik gemacht.

Ausbaden muss das Desaster die Polizei: 120 Polizisten wurden verletzt, neunzehn davon mussten im Krankenhaus behandelt werden. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion sprach von “bürgerkriegsähnlichen Attacken” auf die Polizei. Die Flora ist Ausgangspunkt “gezielter Gewalt”, so Kai Voet van Vormizeele von der Hamburger CDU. Was die friedlichen Demonstranten (gibt es noch andere?) anbetrifft, so dürfen sie sich bei den Chaoten bedanken, dass ihr Anliegen um den Erhalt des Status Quo (= fortgesetzte Tolerierung der Besetzung) nunmehr kein Gehör fand.

Für dieses Anliegen darf in einer liberalen Demokratie demonstriert werden, auch wenn moralische Zerrüttung aus ihm spricht. Bei den Hamburger Grünen ist die Besetzung des Flora-Theaters ganz in diesem Sinne nur eines von vielen “strittigen Themen”, für die man “politische Lösungen” finden müsse. Vielleicht müssen erst die Häuser Hamburger Grünen-Politiker besetzt werden, um zu erkennen, dass es nicht um ein “strittiges Thema”, sondern um Kriminalität geht. 

Nützen wird den Hamburger Grünen ihre Anbiederung an die Chaoten freilich nichts. Die Webpräsenz der Besetzer verkündet unverdrossen die Parole: “Regierung stürzen!!! Vielleicht nicht heute oder morgen aber übermorgen. Steter Tropfen höhlt den Stein.” 

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