Innige Gottesliebe

Immer wenn Religionsschwärmer und Dialogverliebte sich genötigt sehen, den Ruf des Islam aufzubessern, der durch die Gewalttaten von Islamisten Schaden zu nehmen droht, fallen ihnen die Sufis ein. Die Sufis nämlich haben schöne Gedichte verfasst und eine Liebesmystik verkündet, die für ein Antidot gegen Gewalt wie geschaffen scheint.

„Denken Sie an den Sufismus, also die islamische Mystik. Deren oft mit großer Toleranz gepaarte Konzentration auf eine innige Gottesliebe bietet eine Plattform, auf der sich alle abrahamischen Gläubigen treffen können. Das gab es ja auch schon im Mittelalter‟ glaubt ein Religionswissenschaftler, wobei „oft‟ hier das Schlüsselwort ist.

Nicht nur, dass das Ziel der Sufik in der völligen Entwerdung des Individuums in Gott liegt, was man in der modernen Gesellschaft, die auf die Mündigkeit des Individuums vertraut, durchaus problematisch finden kann.

Vor allem bekennen sich die Sufis vorbehaltlos zur Scharia wie auch zum Nacheifern des Propheten, der eben auch ein Feldherr war. Folglich waren Sufis in der Geschichte nicht immer pazifistisch eingestellt, sondern beteiligten sich aktiv, nämlich kämpferisch, an der Ausbreitung des islamischen Herrschaftsgebiets, worauf nicht zuletzt der Arabist Tilman Nagel hingewiesen hat.

Auch die Harāfisch, Hooligans aus dem Umfeld der städtischen Gilden, die im 16./ 17. Syrien unsicher machten, waren mit der Sufik verbunden. Selbst ein Ibrahim al-Badri, besser bekannt als „Kalif“ Abu Bakr al-Baghdadi, war Sufi, bevor er zum Dschihadisten wurde.

Dass die Sufik den Chef des IS nicht vom Pfad der Gewalt hat abhalten können, ist vielleicht nicht ihre Schuld, doch macht sie das auch nicht unbedingt zum Hoffnungsträger im Kampf gegen den Extremismus. Als Plattform für Toleranz gegenüber anderen Religionen kann sie eine notwendige Modernisierung der islamischen Gesellschaften, denen es an Individualismus und Rechtsstaatlichkeit mangelt, ohnehin nicht ersetzen.

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