Seit geraumer Zeit und vor allem im Zuge der muslimischen Zuwanderung haben wir in Deutschland eine Abendlanddebatte, die sich um das dreht, was eigentlich den Kern der europäischen Werteidentität ausmacht und worauf er diese zurückzuführen ist. Christentum oder Aufklärung, das ist die Frage, und nicht wenige beantworten sie damit, dass zwischen beiden eine grosse Schnittmenge bestehe.
„Zur abendländischen Denktradition“ weiterlesenVom Undenkbaren zum Erwarteten
Der Weise wird bestimmte Lehren vortragen und nicht im Zweifel verharren” (Diogenes Laertios 10,121) muss sich der Ingo Schulze gedacht haben, als er sich seinen Beitrag zur Grass-Debatte von der Seele schrieb. Zwischen zwei Romanen war dafür gerade noch genug Zeit. Als Schriftsteller (”Handy”) ist Schulze nämlich in der glücklichen Lage, weder auf Fakten noch auf Logik oder gar Grammatik Rücksicht nehmen zu müssen.
„Vom Undenkbaren zum Erwarteten“ weiterlesen“Anwalt des Sozialismus”
In der taz will der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik den grossen Liberalen John Stuart Mill aus der “babylonischen Gefangenschaft des Neoliberalismus” befreien. Mills Frankfurter Leser hat nämlich erstaunt festgestellt:
In den späten “Chapters on Socialism” setzte er sich mit den französischen Frühsozialisten, namentlich Fourier und Comte, auseinander – und zwar aus einer Haltung heraus, die den Zustand der Welt seiner Zeit eindeutig verurteilte. Schon im zweiten Buch seiner früheren Studie zur politischen Ökonomie hieß es überdeutlich: “The restraints of Communism would be freedom in comparison with the present condition of the majority of the human race.” Daher verwundert es nicht, dass der individualistische Mill in seinen “Chapters on Socialism” sich in besonders wohlwollender Weise für einen dezentralisierten, genossenschaftlichen Sozialismus einsetzt – eine Wirtschaftsform, die freiwillig gebildetes, gemeinsames Eigentum an Produktionsmitteln einschließt und somit individuelle und kollektive Selbstbestimmung auf dem Gebiet der Ökonomie miteinander verbindet.
Das ist fein beobachtet. Aber eben nicht neu. Denn genau solche Ausführungen waren der Grund, warum Mill von einem Liberalen wie Ludwig von Mises (der kein Neoliberaler war, weil ihm der Neoliberalismus nicht weit genug ging), so heftig gescholten wurde. Bereits 1927 schrieb von Mises:
John Stuart Mill ist schon ein Epigone des klassischen Liberalismus und (…) voll von schwächlichen Kompromissen. Er gleitet langsam in den Sozialismus über und ist der Urheber der gedankenlosen Vermengung liberaler und sozialistischer Ideen, die zum Niedergang des englischen Liberalismus und zur Erschütterung des englischen Volkswohlstandes führte. (…)
Denn Mill ist der große Anwalt des Sozialismus; alle Argumente, die zugunsten des Sozialismus geltend gemacht werden könnten, sind von ihm mit liebevoller Sorgfalt ausgearbeitet worden. Neben Mill gehalten sind alle übrigen sozialistischen Schriftsteller – auch Marx, Engels und Lassalle – kaum von Belang.
Der Mythos, dass Mill ein Neoliberaler war, könnte vielleicht damit zusammenhängen, dass Isiaah Berlin, einer der eloquentesten Verteidiger der Freiheit, Mill neben Constant zu den “Vätern des Liberalismus” zählte.[1] Berlin selbst ist allerdings ebenfalls kaum als Neoliberaler zu bezeichnen. Soweit mir bekannt, äussert sich Berlin in keiner seiner Schriften zur Frage der wirtschaftlichen Freiheit, er stand dieser aber wohl skeptisch gegenüber.[2]
- ”No doubt every interpretation of the word liberty, however unusual, must include a minimum of what I have called ‘negative’ liberty. (…) But the fathers of liberalism – Mill and Constant – want more than this minimum: they demand a maximum degree of non-interference compatible with the minimum demands of social life.” Isaiah Berlin, Two Concepts of Liberty, in: (ders.), Four Essays on Liberty, Oxford et al. 1969, 118-72, hier 161. ⇧
- So schreibt er: “(…) it is a confusion of values to say that although my ‘liberal’, individual freedom may go by the bord, some other kind of freedom – ’social’ or ‘economic’ is increased.” op. cit., 125-6. ⇧
Eitelkeit und Starrsinn
Günter Grass möchte nicht länger schweigen, was er früher freilich auch schon nicht getan hat. Mit letzter Tinte, denn Grass ist noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen, schreibt er nieder, was ihm zur Irankrise einfällt. Weil er davon überzeugt ist, dass die ganze Welt es lesen will, lässt er seine Gedanken in drei Ländern gleichzeitig unter das Volk bringen.
„Eitelkeit und Starrsinn“ weiterlesen