“Das grösste Aufrüstungsprogramm in der modernen Geschichte Griechenlands”

Trotz Finanzkrise leistet sich Griechenland immer noch exorbitant höhe Rüstungsausgaben, die weit über dem Vergleichwert anderer EU-Länder liegen. unter Waffen hat. Auch sind in

Griechenland 2,9 Prozent aller Erwerbstätigen bei den Streitkräften beschäftigt, während der Durchschnitt in NATO-Europa nur ein Prozent beträgt. Hintergrund ist vor allem das spezielle Verhältnis zum türkischen Nachbarn. Ein Papier des Bonn International Center vor Conversion fördert durchaus erstaunliches zutage:

Griechenland ist in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder von „Rüstungslücken“ sowie „strategischen Ungleichgewichten“ und „massiver Unterlegenheit“ ausgegangen, die es durch große Aufrüstungsprogramme auszugleichen versucht hat. Der damalige griechische Ministerpräsident Kostas Simitis (1996 bis 2004) rühmte sich zum Beispiel, „das größte Aufrüstungsprogramm in der modernen Geschichte Griechenlands in Gang gesetzt“ zu haben. Es sah Waffenkäufe von 1996 bis 2006 im Wert von 25 Mrd. Euro vor. Sein Nachfolger Kostas Karamanlis plante für den Zeitraum 2006 bis 2016 Waffenkäufe im Wert von 26,7 Mrd. Euro ein.

Als sich die Schuldenkrise des Landes Ende 2009 zuspitzte, war es für die dann neue Regierung unter Ministerpräsident Papandreou unumgänglich, auch an die Rüstungsausgaben heranzugehen.

Zwar, so heisst es weiter, sei “sich die griechische Regierung bewusst, dass sie angesichts des drohenden Staatsbankrotts an weiteren Kürzungen im Rüstungshaushalt sowie den Beschaffungsplänen nicht vorbeikommt.” Allerdings halte sie an “überkommenen Bedrohungswahrnehmungen” fest, weswegen sie keine Anstrengungen erkennen lässt, die Rüstungsausgaben des Landes auf den Durchschnitt der europäischen NATO-Länder zu senken.

Erotisis, apantisis

Griechische Fragen stellt Hannes Stein auf der “Achse des Guten”. Ein paar Gedanken von mir im folgenden.

War es richtig oder falsch, dass das demokratische Großbritannien sich 1940 mit Ioannis Metaxas gegen Mussolini und Hitler verbündete?

Metaxas und der griechische König Georg hatten zwar schon 1936 verkündet, dass sie im Falle eines Konfliktes auf britischer Seite stünden, doch weder blieb dem britischen Foreign Office Metaxas’ Avancen den Deutschen gegenüber verborgen, noch billigte man seine faschistischen Anwandlungen. Auf britischer Seite jedoch sah man keine Alternative zur Diktatur, nahm dies aber hin, solange Metaxas nur Premierminister von des Königs Gnaden war und man sich der Loyalität des griechischen Königs sicher zu sein können glaubte.

Georg II. schien anfangs offen für eine britische Kritik an der repressiven Politik Metaxas’, stellte sich dann jedoch entschlossen auf dessen Seite: Da Griechenland kein westliches Land und die Griechen Orientalen seien[1], würde jeder gemässigte Kurs nur als Schwäche verstanden. Gegenüber dem Präsidenten des British Council, Lord Lloyd, machte der König deutlich, dass er Metaxas für den einzigen halte, dem er die Führung des Landes zutraue.

Grossbritannien war bereit, Griechenland vor einem italienischen Vordringen zu unterstützen, vermied es jedoch, eine Garantieerklärung abzugeben, was von italienischer Seite als Provokation hätte verstanden werden können. Im Foreign Office fürchtete man offenbar die Gefahr eines Landkriegs. Das faschistische Italien sollte besiegt, Griechenland aber nicht um jeden Preis gehalten werden. Sowohl gegenüber Griechenland als auch gegenüber Rumänien liess sich Grossbritannien daher nicht zu mehr als einer vagen Absichtserklärung hinreissen, im Falle eines Angriffs Unterstützung zu leisten.

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Truman-Statue, Athen

Das britische Verhalten lässt sich durchaus rechtfertigen, zumal es, wenngleich zaghafte, Versuche gab, die Faschisierung der griechischen Gesellschaft[2] aufzuhalten. Allein, es war nicht der richtige Zeitpunkt für einen Kurswechsel: Fortgesetzte Provokationen von italienischer Seite, darunter die Torpedierung des griechischen Kreuzers “Elli”, führten dazu, dass die griechische Bevölkerung sich mit Metaxas solidarisierte.

Mussolini versuchte zwar, Griechenland zu beschwichtigen. Nur zwei Monate nach der Attacke auf die “Elli” liess er jedoch durch seinen Botschafter Grazzi dem griechischen Premier Metaxas ein Ultimatum aushändigen, Italien zu dessen Sicherheit einige Stützpunkte auf griechischem Territorium zu überlassen. Metaxas’ Nein (”Ochi”) geht in die Geschichte ein.

Wenn man Grossbritannien etwas vorwerfen kann (rückblickend lässt sich das natürlich immer leicht sagen), dann die Tatsache, dass es nicht entschlossen genug Griechenland unterstützt hat: Das italienische Vordringen bildete nämlich nur den Auftakt zur Besetzungdes Landes durch Nazideutschland (das Metaxas nicht mehr miterlebte, da er kurz zuvor verstarb). Dessen Herrschaft kostete 86% der griechischen Juden das Leben, davon 54.000 Juden aus Thessaloniki. Die Bevölkerungszahl vor der Nazizeit betrug 77.377, danach 10.226.

Weiter wird gefragt:

Was ist der Unterschied zwischen der Unterstützung für Metaxas und der Unterstützung (zumindest Duldung, Billigung) der griechischen Junta durch die Amerikaner zwischen 1967 und 1974, für die Bill Clinton später um Entschuldigung bat?

Man könnte argumentieren, dass zur Zeit der griechischen Junta Griechenlands Souveränität nicht bedroht war. Dass der Junta-Chef Papadopoulos mit dem CIA in Verbindung stand, dürfte allerdings nur die halbe Wahrheit für die Toleranzpolitik der USA gegenüber dem Regime sein. Auch das Nachwirken der Truman-Doktrin hat sicherlich eine Rolle gespielt.

Die Unterstützung für die Junta lässt sich jedoch weitaus geringer rechtfertigen als die für Metaxas. Eine kommunistische Übernahme hätte jedenfalls kaum einen neuen Holocaust zur Folge gehabt. Hinzu kommt, dass die griechische Junta mit ihrer Zypernpolitik eine türkische Invasion geradezu provoziert hatte: So liess sie durch die EOKA-B, eine faschistische Miliz, einen Anschlag auf den griechisch-zypriotischen Ministerpräsidenten Makarios verüben und versuchte dann, den Kopf der EOKA-B, Nikos Sampson, an dessen Stelle zu setzen. Auch Anschläge auf türkisch-zypriotische Zivilisten konnte die Türkei nicht hinnehmen. Es kam zur Invasion.

Wie gross die Unterstützung der USA für die Junta war, lässt sich schwer sagen. Der ehemalige, durchaus graecophile US-Botschafter in Athen, John Brady Kiesling, der wegen der Kritik an der Irakpolitik seines Landes zurücktrat, hielt die Unterstützung, soweit ich mich erinnere (Quelle gerade nicht zur Hand), wohl für eher gering. Es scheint sich im wesentlichen um einen Austausch geheimdienstlicher Informationen gehandelt zu haben. Der heutige griechische Antiamerikanismus ist jedenfalls älteren Ursprungs.

Welche Lehren lassen sich daraus für Afghanistan ziehen? Wenn die Wahl zwischen einer Militärdiktatur und einem Taliban-Staat besteht, dann spielt man beide gegeneinander aus und setzt sich in die Position des lachenden Dritten. So ähnlich hat ein anderer grosser Grieche schon einmal einen verwickelten Knoten gelöst.

Das Bild zeigt die Truman-Statue in Athen. Foto: Michael Kreutz.

 

  1. Sic! Auch das britische Foreign Office sah das so, vgl. Dan Diner, Zweierlei Osten. Europa zwischen Westen, Byzanz und Islam, in: Otto Kallscheuer, Hg., Das Europa der Religionen. Ein Kontinent zwischen Säkularisierung und Fundamentalismus, Frankfurt a.M. 1996, S. 97–113.
  2. Rafailidis in seinem Buch Ιστορία (κωμικοτραγική) του νεοελληνικού κράτους, Athen 1993, S. 138, spricht davon, dass Metaxas Mussolini und Hitler nachgeahmt habe. Konzentrationslager jedenfalls gab es unter Metaxas keine.

 

[Aus dem Archiv.]

Die Zukunft der Islamwissenschaft

Schaut man sich islambezogene Veranstaltungen an deutschen Universitäten an, so drängt sich einem zuweilen der Eindruck auf, dass die Wissenschaft ihren Rang an den Dialog abgetreten hat. Nicht Expertise, sondern Herkunft und Religionszugehörigkeit scheinen häufig die entscheidenden Kriterien für die Wahl der Referenten. Wie vor einiger Zeit auf diesem Blog ausgeführt, kann man bereits in den USA sehen, wohin diese Tendenz führt.

Dazu beigetragen hat sicherlich die Ideologie des “Post-Colonialism“: Da die in ihrem Eurozentrismus befangenen Europäer den Nahen Osten und die Religion des Islam gar nicht anders als verzerrt zu sehen imstande sind, bedarf es authentischer Stimmen, um ein authentisches Bild vom Islam und den islamischen Ländern zu gewinnen. Dass ein Referent allerdings nicht dadurch zu einem Türkeiexperten wird, dass er türkischer Abstammung ist, wird gerne ausgeblendet. Oder glaubt irgendjemand, dass jeder Deutscher qua Geburt ein Fachmann für die Synode von Worms oder die Reichsversammlung zu Mainz ist?

Nur wenn es um den Islam geht, gelten eben andere Masstäbe und das heisst: Nur die Binnensicht ist über jeden Verdacht orientalistischer Eintrübung erhaben. Jedenfalls erwecken viele an Universitäten abgehaltene Veranstaltungen diesen Eindruck. Daher ist es nur folgerichtig, wenn der Wissenschaftsrat anregt, diese Tendenz institutionell zu verstetigen. Einige Islamwissenschaftler haben dagegen gewichtige Argumente vorgebracht – zu recht sehen sie die unabhängige islambezogene Forschung in Gefahr. Der Theologe F.W. Graf hat das Verhängnisvolle dieser Entwicklung treffend formuliert[1]:

Indem die (…) Differenz von wissenschaftlicher historischer Forschung und “kulturellem Gedächtnis” oder “Memorialkultur” aufgehoben wird, können neue holistische Imaginationen der Vergangenheit erzeugt werden: Die Geschichte der Muslime gehört allein den Muslimen, die des orthodoxen Judentums exklusiv orthodoxen Juden. Nur sie können die Binnenperspektive einnehmen und, gegen alle intentional verallgemeinerungsfähigen Standards kulturwissenschaftlicher Forschung, durch aggressive reading den wahren Sinn der Zeichen entziffern. (…)

Religionswissenschaftlerinnen und Religionswissenschaftler, die ihre Forschungen auf solche Identitätsvorgaben hin konzentrieren, verstehen sich zwar als Akteure im akademischen Feld, und die Selbstdefinition von den Opfern her hindert sie durchaus nicht daran, alle Privilegien ihres akademischen Status zu genießen. Doch will dieser neue Typus des Intellektuellen mehr, als Religion analytisch distanziert zu deuten. Daher agieren prominente Vordenker des neuen Diskurses (…) zugleich auch im religiösen und im politischen Feld und nehmen in den hier geführten Machtkämpfen eine klientelbezogene Expertenrolle ein.

Doch der Zug ist wohl schon längst abgefahren. Zur Monatsmitte hat der Wissenschaftsrat eine Tagung angekündigt, auf der die eigene Forderung, theologisch orientierte Islamische Studien an deutschen Hochschulen aufzubauen”, diskutiert werden soll.

Das Ergebnis dieser Diskussion dürfte kaum für Überraschungen sorgen. Eingeladen wurden jedenfalls überwiegend Referenten, von denen man nicht ohne Grund vermuten darf, dass sie mit der Forderung des Wissenschaftsrates konform gehen.

 

  1. Friedrich W. Graf, die Wiederkehr der Götter, München 2007, S. 241-2.
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