Die kommende Militanz

Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama hat einmal darauf hingewiesen, dass nahezu das gesamte Europa einschliesslich England bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts autoritär, hierarchisch und ungleich war. Dass dieser Zustand bald wiederkehren könnte, dafür sorgen nicht nur die rechtsextremen Wahntheoretiker, Impfgegner, Antiliberalen, Esoteriker, sogenannten Querdenker und Reichsbürger, sondern auch mehr und mehr die Vertreter sozial-ökologischer Weltanschauungen.

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Ein starkes Zeichen – Danke!

Heute hat der Zentralrat der Muslime mit einer Mahnwache am Brandenburger Tor ein starken Zeichen gegen die mörderische Ideologie der Attentäter von Paris gesetzt und unmissverständlich die Werte von Meinungsfreiheit und Pluralismus verteidigt.

Die Attentate in Paris rechtfertigen keinen Fremdenhass, keinen Rassismus, und keine Brandanschläge auf Moscheen – niemals und unter keinen Umständen!

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Diese meine Feinde

Gefragt, wie Christen Kreuzzüge führen, Ketzer verbrennen und Juden verfolgen konnten, wo Jesus doch zur Feindesliebe aufgerufen habe, weiss eine evangelische Theologin (“Pfarrerstochter in vierter Generation”) im Gespräch mit dem Magazin “chrismon” nichts besseres zu antworten als: “Ich weiß es nicht. Mich macht sprachlos, dass man Gewalt sogar mit dem Christentum begründete. Das passt gar nicht zu Jesus.”

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Starkes Pferd statt lahmer Gaul

Von Journalisten verfasste Bücher über den Nahen Osten basieren üblicherweise auf persönlichen Begegnungen und Eindrücken, die dann  mit historischem Hintergrundwissen angereichert werden. Nicht so das Buch „The Strong Horse“ des amerikanischen Journalisten Lee Smith, der sich das ehrgeizige Ziel vorgenommen hat, den kulturellen Ursachen der eruptiven Gewalt, von der die Arabische Welt geprägt ist, auf den Grund zu gehen, um so weit mehr als eine Momentaufnahme der Arabischen Welt zu geben.

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“… wie einer, der die ganze Menschheit ermordet hat”

Eine “apologetische Nichtauseinandersetzung” macht Jörg Lau von der “Zeit” unter den Islamverbänden aus, wenn es um die Frage geht, inwieweit Gewalttaten im Namen der eigenen Religion tatsächlich etwas mit ebendieser Religion zu tun haben. Dann werden allzu eilfertig all jene, die dem Namen des Islam Schaden zufügen könnten, zu Nichtgläubigen erklärt und  schon liegen die Ursachen religiöser Gewalt ausserhalb der Umma.

Der Bewunderung für einen Text, den Lau auf der Seite von Islam.de gefunden hat, mag man sich allerdings nicht so recht anschliessen. Dessen Verfasser möchte sich zwar der Herausforderung stellen, dass die Möglichkeit einer gewissen Affinität zur Gewalt im Islam als solche der Erörterung wert sein könnte, jedoch läuft es dann doch darauf hinaus, dass der Wahhabismus Ursache allen Übels ist. Dem Leser bleibt es dann überlassen, den Wahhabismus als etwas zu betrachten, was wahlweise entweder nichts mit dem Islam zu tun hat oder diesen nur falsch versteht.

Ausgangspunkt der Argumentation ist Vers 5:32 des Koran, wo es heisst: “Aus diesem Grunde haben wir den Kindern Israel verordnet, daß, wer eine Seele ermordet, ohne daß er einen Mord oder eine Gewalttat im Lande begangen hat, soll sein wie einer, der die ganze Menschheit ermordet hat. Und wer einen am Leben erhält, soll sein, als hätte er die ganze Menschheit am Leben erhalten.” (Übers. von Max Henning.) Den leichtfertigen Umgang mit diesem Vers hat allerdings schon der Islamwissenschaftler Tilman Nagel vor Jahren kritisiert (aus Zeitgründen habe ich im folgenden weitgehend darauf verzichtet, Nagels Worte zu paraphrasieren).

“In der muslimischen Apologetik versucht man,” so Nagel, “andersgläubigen Gesprächspartnern, die häufig ohne Sachkenntnis sind, weiszumachen, alle muslimischen Eroberungskriege seien in Wahrheit Verteidigungskriege gewesen, da der Koran das Töten von Menschen verbiete und daher auch den offensiven Einsatz von Waffen. Besonders seit den Anschlägen vom 11. September ist diese Art der Desinformation beliebt geworden: Jene Verbrechen hätten mit dem Islam nichts zu tun, verkünde doch der Koran, wer nur einen Menschen töte, habe gleichsam die ganze Menschheit getötet.”

Tatsächlich geht es bei dem angeführten Koranzitat historisch um das Problem der Blutrache. So “schützt das in Sure 5,32 ausgesprochene Tötungsverbot lediglich die Mitglieder der eigenen, der “gläubigen” Solidargemeinschaft vor Übergriffen, die von ihresgleichen ausgehen könnten.” In der medinensischen Zeit mussten bis zum Grabenkrieg Muslime fürchten, ausserhalb Medinas von anderen Muslimen überfallen zu werden, wenn sie mit ihnen in Blutfehde lebten. Die entsprechenden Koranverse beziehen sich auf diesen Sachverhalt.

“Mohammed warb”, so Nagel weiter, “möglicherweise um dem Kampfeseifer jener Beutegierigen neue Ziele zu eröffnen, sicher jedoch zur Ausdehnung seiner religiös-politischen Herrschaft, zur selben Zeit um eine Fortsetzung des Dschihad (…). Die Aufkündigung der bei der Inbesitznahme Mekkas den Heiden gegebenen Zusage, sie dürften weiterhin die Pilgerriten nach der herkömmlichen Weise vollziehen, verknüpfte Mohammed mit der Aufforderung, die Beigeseller nach Ablauf der heiligen Monate zu töten, wo immer man sie treffe (…). Daß der Koran ein allgemeines Tötungsverbot enthalte, ist somit ein Propagandamärchen.”[1]

Es mag gewiss Spielräume in der Interpretation von Texten, zumal heiligen, geben, und auch der Koran ist darin keine Ausnahme. Wer den Islam von jeglichem Hang zu nicht-defensiver Gewalt freisprechen will, sollte allerdings schon etwas geistreicher zu Werke gehen.

  1. Tilman Nagel, Mohammed: Leben und Legende. München: Oldenbourg, 2008, 942-5, Fussnote 230.
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