Indem wir uns selber schützen, schützen wir andere

Ist zum Thema Corona schon alles gesagt? Fast.

Ich bin kein Virologe/ Epidemiologe/ Infektiologe und halte mich daher mit starken Thesen zum Thema Corona zurück. In vielen Dingen bin ich nicht mehr als ein Suchender, der bemüht ist, sich ein Urteil zu bilden, und der sich zuweilen gezwungen sieht, im Lichte neuer Fakten seine Position zu modifizieren. Ansonsten bin ich des Themas Corona, wie so viele wahrscheinlich, schon längst überdrüssig. Aber da ist noch eine Sache, die ich loswerden will.

In Deutschland, so mein Eindruck, ist man entweder für sämtliche Massnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Pandemie – oder komplett dagegen. Zu sagen, “das und das finde ich richtig, das falsch” hat Seltenheitswert. Ich selber tendiere dazu, Lockdowns für kontraproduktiv zu halten und wie man sieht, hat der aktuelle Lockdown in Deutschland nicht das gebracht, was man sich erhofft hatte.

Wenn in den Abendnachrichten verkündet wird, soundso viele Menschen haben sich mit dem Virus infiziert, dann wird damit ein absolutes Wissen suggeriert, das wir natürlich nicht haben. Wir wissen nicht, wieviele Menschen sich in welchem Zeitraum mit dem Virus infiziert haben, sondern nur, wieviele positiv getestet wurden. Auch beim Friseur oder Zahnarzt ist die Versicherung, die man schriftlich abgeben muss, in letzter Zeit nicht mit einen Corona-Infizierten in engen Kontakt gekommen sein, ein Unding. Allenfalls kann man versichern, nicht wissentlich mit einem Infizierten Kontakt gehabt zu haben.

Wir haben eben kein absolutes Wissen über die Zahl der Infizierten und können auch nichts hochrechnen, da die Testungen üblicherweise auf Verdacht durchgeführt werden, die Getesteten also einer Vorauswahl unterliegen und damit nicht repräsentativ sind. Weil zudem, wie der Mediziner Matthias Schrappe argumentiert, viele Infizierte keine Symptome haben, bleiben sie unentdeckt. Sollte er recht haben, dann hätte der Lockdown keine verlässliche Datenbasis und wäre als flächendeckende Präventionsmassnahme politisch nur mit Müh und Not zu rechtfertigen.

Aber: Ich halte sehr viel von Abstandhalten und Hygieneregeln. Auch die Alltagsmaske ist zumutbar. Hielten sich alle daran, hätten wir die Pandemie sicher weitaus besser im Griff als dies jetzt der Fall ist und könnten wir uns einen Lockdown erst recht sparen. Allerdings erlebe ich immer wieder, dass gerade junge Menschen von Alltagsmaske und Abstandhalten nicht viel wissen wollen, wohl weil sie glauben, dass Corona ihnen nichts anhaben könne.

Das ist ein Irrtum, dem viele erliegen: Dass Alltagsmaske und Abstandhalten doch nur dem Selbstschutz dienten und nicht alle Menschen über einen Kamm geschoren werden sollen. Sollen doch nur die, die zur Risikogruppe gehören, sich schützen! Doch einmal abgesehen davon, dass Covid-19 auch bei Jüngeren Langzeitschäden zur Folge haben kann und einmal abgesehen davon, dass zur Risikogruppe ziemlich viele Menschen zählen, ist es in der Praxis nur schwer möglich, allein die Hochbetagten zu schützen, also die, die die Hochrisikogruppe ausmachen.

Dazu müssten z.B. in Pflegeheimen massenhaft Testungen durchgeführt werden. In einem Fünf-Minuten-Video der WDR-Sendung “Quarks” hat Mai Thi Nguyen-Kim einmal vorgerechnet, warum das zumindest derzeit unrealistisch ist. Die Forderung, einfach die Risikogruppen zu schützen und die Mehrheit der Bevölkerung von Schutzmassnahmen unbehelligt zu lassen, lässt sich also nicht umsetzen. Wenn wir die Risikogruppen schützen wollen, dann geht das am besten dadurch, dass wir Sorge tragen, selbst nicht ansteckend zu werden.

In der Zukunft mag sich das ändern, aber bis dahin gilt: Indem wir uns selber schützen, schützen wir andere!


Nachtrag 20. November 2022

Den Tiefpunkt der Debatte markiert der konservative schweizer Journalist Roger Köppel mit diesem Tweet!

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