Die drei Irrtümer der Friedensbewegten

Die Friedensbewegten im Gefolge Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, die der Ukraine die militärische Unterstützung des Westens entziehen möchten, sitzen Fehlannahmen auf, die einem Mangel an historischem Wissen und logischem Denken geschuldet sind.

„Miniature War“ von One Idea LLC/ CC0 1.0

Irrtum Nr. 1 – Aufrüsten und Verhandeln schliessen einander aus

Das Gegenteil ist der Fall. Wer Verhandlungen will, muss für eine militärisch starke Ukraine eintreten, denn wenn die Ukraine keine Rüstungsgüter erhält, wird sie sich nicht mehr lange verteidigen können und wenn sie sich nicht mehr verteidigen kann, wird Putin auf ganzer Linie siegen. Dann aber gibt es nicht mehr, worüber Putin verhandeln müsste. Es gibt nur noch ein russisches Friedensdiktat. Erst wenn Putin begreift, dass er den Krieg nicht gewinnen kann, wird er für Verhandlungen optieren. Ergo: Wer Verhandlungen will, muss die Ukraine unterstützen.

Irrtum Nr. 2 – Eine Atommacht kann man nicht besiegen

Diese Annahme ist doppelt falsch: Zum einen gibt es viele Beispiele für eine Niederlage von Atommächten in einem regionalen Krieg, man denke nur an die USA (Atommacht seit 1945), die in Vietnam oder Irak scheiterten. Gescheitert ist auch China (Atommacht seit 1964) im chinesisch-vietnamesischem Krieg von 1979. Ebenso musste Frankreich (Atommacht seit 1961) Algerien 1962 aufgeben. Weitere Beispiele liessen sich nennen. Zum zweiten, das haben wir an anderer Stelle schon gesagt, muss die Ukraine den Krieg nicht gewinnen. Es genügt, wenn sie ihn nicht verliert. Dann wird Russland nicht umhin kommen, zu verhandeln.

Irrtum Nr. 3 – Gegen den Krieg sein heisst gegen jede Waffengewalt sein

Sahra Wagenknecht spricht gerne von „Kriegstrommlern“, die sie seltsamerweise nicht im Kreml oder im russischen Medienapparat verortet, sondern in der deutschen Politik und Publizistik. Wer die Ukraine in ihrem Kampf gegen den Aggressor Russland unterstützen will, soll demzufolge ein „Kriegstrommler“ sein, also offenbar jemand, der zum Krieg aufstachelt. Das ist unlogisch. Gegen Krieg zu sein, heisst nicht notwendigerweise, gegen Selbstverteidigung zu sein. Denn das eine ergibt sich keineswegs aus dem anderen. Aus gutem Grund kennt das Strafgesetzbuch ebenso ein Notwehrrecht für Individuen wie das internationale Recht (Charta der UN) ein Recht auf Selbstverteidigung für Staaten kennt. Wer sich selbst verteidigt, ist kein Aggressor und keine Bedrohung für andere.

Der Philosoph Theodor W. Adorno, eine Ikone des Neomarxismus nach dem 2. WK, schrieb einst in den „Minima Moralia“ ([1951] 2003, S. 288-9):

Eines Tages mögen vorm Forum der United Nations Verhandlungen darüber stattfinden, ob irgendeine neuartige Untat unter die Definition des genocide fällt, ob die Nationen das Recht haben einzuschreiten, von dem sie ohnehin keinen Gebrauch machen wollen, und ob nicht angesichts unvorhergesehener Schwierigkeiten in der Anwendung auf die Praxis der ganze Begriff des genocide aus den Statuten zu entfernen sei. Kurz danach gibt es mittelgroße Schlagzeilen in der Zeitungssprache: Genocidmaßnahmen in Ostturkestan nahezu durchgeführt.

Was Adorno heute über eine Unterstützung der Ukraine dächte, mag jeder für sich schlussfolgern.

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