Obgleich das islamistische Regime in Iran von Israel besessen ist, dürfte es nicht oft vorkommen, dass die Teheraner Kayhan, Sprachrohr der Hardliner, einen ehemaligen Chef des Mossad auf ihrer Titelseite zitiert: Es besteht keine Notwendigkeit für den Iran, Israel zu Fall zu bringen, wir tun es selbst!
Hintergrund ist die geplante, von heftigen Gegendemonstrationen begleitete Justizreform der gegenwärtigen israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu, in der mit Itamar Ben-Gvir ein rechtsextremer Rassist als Minister für die nationale Sicherheit des Landes und mit Bezalel Smotrich ein nicht minder Radikaler als Finanzminister sitzt.
Gemeinsam machen sie sich daran, den israelischen Rechtsstaat zu demontieren und die Sicherheit des jüdischen Staates durch Geschwätz, Hetze und Inkompetenz zu gefährden. Kein Wunder, dass das Mullah-Regime frohlockt, obwohl derzeit von der eigenen Bevölkerung massiv unter Druck gesetzt wie kaum je zuvor.
Im “Kayhan”-Text wird Israel nur in der Überschrift namentlich genannt, danach ist nur vom “zionistischen Regime” die Rede, was der offiziellen Sprache der Islamischen Republik entspricht, deren Kampf gegen Israel Teil der Staatsräson ist und deren höchste Vertreter in der Vergangenheit immer wieder von der Vernichtung des jüdischen Staates gesprochen haben.
Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass sicherheitspolitisch Teheran zwei Erfolge zu vermelden hat: Zum einen hat das Regime seine Beziehungen zu Saudi-Arabien, bislang Partner des Westens, mit chinesischer Hilfe normalisiert – was dieselbe “Kayhan” als “Ohrfeige für Amerika und Israel” sowie Rückschlag für die Reformer im eigenen Land feiert.
Zum anderen ist es dem Mullah-Regime trotz massiver innenpolitischer und wirtschaftlicher Schwierigkeiten gelungen, Kampfjets von Russland zu erwerben., womit die militärische Kooperation beider Regime weiter ausgebaut und die multipolare Ordnung, die eigentlich eine bipolare ist und die Welt aufteilt in zunehmend autoritäre und immer weniger freie Staaten, mit jedem Tag weiter Wirklichkeit wird.
Fragt sich, in welche Richtung die Regierung Netanjahu mit ihrem autoritären Kurs das eigene Land führen möchte und was es sich davon verspricht: Im Lager der autoritären Staaten hat Israel nichts zu gewinnen. Von den freien Staaten des Westens aber droht der jüdische Staat sich massiv zu entfremden.
Die israelische Regierung ist daher gut beraten, die geplante Justizreform, die ohnehin nur von einer Minderheit der Israelis begrüsst wird, aufzugeben, die Demokratie zu stärken, Rechtsextreme zu entlassen und wachsam gegen seinen grössten Feind, das wankende Mullah-Regime, zu sein.
Nachtrag 13. März 2023
Wie die “Times of Israel” berichtet, könnte es passieren, dass die von der israelischen Regierung angestrebte Schwächung des Obersten Gerichts von ebendiesem verhindert wird. Polizei und Armee stünden dann vor einer Zerreissprobe, weil sie nicht wissen, welcher Institution sie Folge zu leisten hätten – eine für Israel sehr gefährliche Situation!
Nachtrag 14. März 2023
Israels Präsident Isaac Herzog warnt vor einer Staatskrise, die dem Land durch die Justizreform der Regierung drohe: “Wir sind in einer schlimmen, sehr schlimmen Lage”, zitiert ihn die “Jüdische Allgemeine”.
Nachtrag 14. April 2023
Jüngst ist Israel von der Hamas aus dem Gazastreifen und von der Hisbollah aus dem Libanon mit Raketen beschossen worden. Nach Einschätzung von Sarit Zehavi, der Leiterin des auf Entwicklungen an Israels nördlichen Grenzen spezialisierten Alma-Forschungsinstitutes, habe dies, so berichtet Marc Neugröschel in der “Junge World”, “auch etwas damit zu tun, dass Israel aufgrund des innenpolitischen Konflikts um die geplante Justizreform von seinen Feinden als geschwächt wahrgenommen werde.“
Nachtrag 20. September 2023
Der Irankenner Meir Javendanfar schätzt im Interview mit dem “Zentrum Liberale Moderne” die Lage Israels gegenüber Iran als brisant ein: “Die Kluft in der israelischen Gesellschaft, die Netanjahu und seine Regierung vertieft, spielt letztlich dem iranischen Regime und der Hisbollah in die Hände. Die Gefahr eines Krieges mit der Hisbollah war lange nicht so hoch wie jetzt.“
Nachtrag 9. Oktober 2023
Jetzt ist es passier, wenngleich nicht die Hisbollah, sondern die Hamas es war, die losgeschlagen hat! Angesichts des beispiellosen Terrorismus, mit dem die Hamas Israel seit Samstag überzieht und der 700 Israelis das Leben gekostet hat, vermutet der Terrorismusforscher Peter Neumann, von n-tv befragt, warum die israelischen Sicherheitsbehörden dies nicht haben kommen sehen: “Ich vermute, dass es auch etwas damit zu tun hat, dass die Israelis durch ihre innenpolitischen Auseinandersetzungen sehr von dieser Situation abgelenkt waren. Und dass man sich vielleicht um die Sicherheitssituation keine so großen Sorgen gemacht hat, weil man dachte, das sei unter Kontrolle.“
Mittlerweile ist Israel aber auch in Kämpfe mit der terroristischen Hisbollah verwickelt.