Der Islam „mit seinen wesentlichen Rechtstheorien …“ sei „mit der Demokratie, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“, findet die AfD-Vorsitzende Frauke Petry und verleiht damit einer Haltung Audsruck, die in rechtskonservativen Kreisen weitverbreitet ist. Was sich hier widerspiegelt, ist zwar keine antidemokratische Gesinnung, die Äusserung von Petry macht aber deutlich, dass man in der AfD gar nicht verstanden hat, wie eine liberale Demokratie in Bezug auf Religion funktioniert.
https://youtu.be/JrCpBaC06fU?t=7m30s
Wenn wir das nicht sehen, so Petry weiter, „haben wir ein Demokratieproblem“. Ginge es nach der AfD und den Vordenkern der rechtskonservativen Szene, müsste sich der liberale Rechtsstaat als eine Art Stiftung Warentest für Religion gebärden. Der Staat hätte dann die Pflicht, Offenbarungstexte zu lesen und auf ihre Konformität mit dem deutschen Grundgesetz hin zu überprüfen. Am Ende stünde dann aber keine Note, sondern ein „Daumen hoch“ oder ein „Daumen runter“ – die Religion würde so für „zulässig“ erklärt oder eben nicht.
Tatsächlich entspricht dieses Szenario in keiner Weise dem Vorgehen einer liberalen Demokratie. In einer solchen interessiert sich der Staat gar nicht für „heilige“ Texte, weil der Zeithorizont, in dem sie entstanden sind, nicht dem heutigen entspricht. Texte wie der Koran bedürfen folglich einer Interpretation, wobei das, was dem Gläubigen, dem Islamwissenschaftler oder dem durchschnittlichen Leser plausibel erscheint, sich der Staat nicht zu eigen machen kann – und zwar aus einem ganz prinzipiellen Grund: Weil er sich dann nämlich in langwierige und schier unendliche theologische Diskussionen verstricken würde, die er gar nicht abschliessend entscheiden kann.
Der liberale, demokratische Rechtsstaat legt daher nur die Grenzen fest, innerhalb derer die Religionsgemeinschaften ihren Glauben leben dürfen. Religionsfreiheit rechtfertigt keineswegs Handlungen, die die Freiheit bzw. die Rechte anderer Religionsgemeinschaften oder Individuen beeinträchtigen könnten. Offenbar ist dies nicht jedem klar: Niemand hat hierzulande das Recht, „Allahu akbar“-brüllend jemanden mit dem Schwert zu enthaupten und sich dabei auf die Glaubenssfreiheit zu berufen.
Inwieweit eine Religion mit den Grenzen, d.h. Gesetzen, die der Staat setzt, vereinbar ist, wird daher an die Angehörigen der Religionsgemeinschaften selbst delegiert. Ihnen selbst bleibt überlassen, den eigenen Glauben auf eine Weise zu praktizieren, dass er mit der Gesetzgebung dieses Landes nicht in Konflikt gerät. Wer dazu nicht bereit ist, bekommt die Härte des Gesetzes zu spüren. Es gibt also gar keinen Grund, warum der Staat eine Religion als ganze auf ihre Verfassungstauglichkeit hin überprüfen sollte.
Man kann Ursachenforschung betreiben und die Ursachen für den islamischen Terrorismus im Islam selbst suchen, aber der Staat kann sich diese Sichtweise nicht einfach zu eigen machen. Das sind unterschiedliche Ebenen, die in einer liberalen Demokratie nicht vermischt werden dürfen.
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