Gebühren versenkt

Unser Lieblingssender Arte hat etwas ganz Unerhörtes im Programm. Aus einer Ankündigung:

Der Neo-Liberalismus in der Wirtschaftspolitik hat im Verlauf der letzten 30 Jahre die Banken immer mächtiger werden lassen. Profit hat oberste Priorität, statt Investitionen bestimmen Spekulationen die Geschäfte. Dabei gerät die Politik immer mehr unter den Einfluss omnipräsenter Finanzmanager. Wird die gegenwärtige Finanzkrise daran etwas ändern?

Zumindest an der Wahrnehmung von Wirtschaft wird sich nichts ändern. Denn der Neo-Etatismus in der Rundfunkpolitik hat im Verlauf der letzten 30 Jahre die öffentlich-rechtlichen Sender immer einseitiger werden lassen. Staatliche Alimentierung hat oberste Priorität, statt Vielfalt bestimmt Ideologie die Geschäfte. Dabei geraten die Inhalte immer mehr unter den Einfluss omnipräsenter Wichtigtuer – weswegen sich auch die gegenwärtige Bildungskrise nur verschärfen wird.

[Aus dem Archiv.]

Freiheit, ja aber

Meinungsfreiheit und Freiheit der Satire sind ja schön und gut, aber:

Für den Nahostexperten Michael Lüders ist das Argument „die Satire dürfe alles“ nur vordergründig. In erster Linie gehe es bei diesen Karikaturen um Profilierung und Auflagensteigerung.

berichtet die “Taz”. Denn Meinungsfreiheit soll nur dort gelten, wo hehre Motive im Spiel sind?

Siehe auch:

[Aus dem Archiv.]

Intellektuellenland ist abgebrannt

Klagen, dass in gesellschaftlichen Fragen der Spezialist an die Stelle des Intellektuellen getreten sei (oder zu treten drohe), wirken merkwürdig aus der Zeit gefallen. Der hohe Grad an Alphabetisierung und die heute leichter als vor ein- oder zweihundert Jahren zu erwerbende Bildung sind der Grund dafür, dass dem Intellektuellen die Kontrastfolie massenhaften Unwissens abhandengekommen ist. Auch ist seit Leibniz die Zeit des Universalgelehrtentums nun einmal vorbei. Schlechte Nachrichten sind das nicht.

«Intellektuellenland ist abgebrannt» weiterlesen

Vom Undenkbaren zum Erwarteten

Der Weise wird bestimmte Lehren vortragen und nicht im Zweifel verharren” (Diogenes Laertios 10,121) muss sich der Ingo Schulze gedacht haben, als er sich seinen Beitrag zur Grass-Debatte von der Seele schrieb. Zwischen zwei Romanen war dafür gerade noch genug Zeit. Als Schriftsteller (”Handy”) ist Schulze nämlich in der glücklichen Lage, weder auf Fakten noch auf Logik oder gar Grammatik Rücksicht nehmen zu müssen.

«Vom Undenkbaren zum Erwarteten» weiterlesen

“Anwalt des Sozialismus”

In der taz will der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik den grossen Liberalen John Stuart Mill aus der “babylonischen Gefangenschaft des Neoliberalismus” befreien. Mills Frankfurter Leser hat nämlich erstaunt festgestellt:

In den späten “Chapters on Socialism” setzte er sich mit den französischen Frühsozialisten, namentlich Fourier und Comte, auseinander – und zwar aus einer Haltung heraus, die den Zustand der Welt seiner Zeit eindeutig verurteilte. Schon im zweiten Buch seiner früheren Studie zur politischen Ökonomie hieß es überdeutlich: “The restraints of Communism would be freedom in comparison with the present condition of the majority of the human race.” Daher verwundert es nicht, dass der individualistische Mill in seinen “Chapters on Socialism” sich in besonders wohlwollender Weise für einen dezentralisierten, genossenschaftlichen Sozialismus einsetzt – eine Wirtschaftsform, die freiwillig gebildetes, gemeinsames Eigentum an Produktionsmitteln einschließt und somit individuelle und kollektive Selbstbestimmung auf dem Gebiet der Ökonomie miteinander verbindet.

Das ist fein beobachtet. Aber eben nicht neu. Denn genau solche Ausführungen waren der Grund, warum Mill von einem Liberalen wie Ludwig von Mises (der kein Neoliberaler war, weil ihm der Neoliberalismus nicht weit genug ging), so heftig gescholten wurde. Bereits 1927 schrieb von Mises:

John Stuart Mill ist schon ein Epigone des klassischen Liberalismus und (…) voll von schwächlichen Kompromissen. Er gleitet langsam in den Sozialismus über und ist der Urheber der gedankenlosen Vermengung liberaler und sozialistischer Ideen, die zum Niedergang des englischen Liberalismus und zur Erschütterung des englischen Volkswohlstandes führte. (…)

Denn Mill ist der große Anwalt des Sozialismus; alle Argumente, die zugunsten des Sozialismus geltend gemacht werden könnten, sind von ihm mit liebevoller Sorgfalt ausgearbeitet worden. Neben Mill gehalten sind alle übrigen sozialistischen Schriftsteller – auch Marx, Engels und Lassalle – kaum von Belang.

Der Mythos, dass Mill ein Neoliberaler war, könnte vielleicht damit zusammenhängen, dass Isiaah Berlin, einer der eloquentesten Verteidiger der Freiheit, Mill neben Constant zu den “Vätern des Liberalismus” zählte.[1] Berlin selbst ist allerdings ebenfalls kaum als Neoliberaler zu bezeichnen. Soweit mir bekannt, äussert sich Berlin in keiner seiner Schriften zur Frage der wirtschaftlichen Freiheit, er stand dieser aber wohl skeptisch gegenüber.[2]

In den späten “Chapters on Socialism” setzte er sich mit den französischen Frühsozialisten, namentlich Fourier und Comte, auseinander – und zwar aus einer Haltung heraus, die den Zustand der Welt seiner Zeit eindeutig verurteilte. Schon im zweiten Buch seiner früheren Studie zur politischen Ökonomie hieß es überdeutlich: “The restraints of Communism would be freedom in comparison with the present condition of the majority of the human race.” Daher verwundert es nicht, dass der individualistische Mill in seinen “Chapters on Socialism” sich in besonders wohlwollender Weise für einen dezentralisierten, genossenschaftlichen Sozialismus einsetzt – eine Wirtschaftsform, die freiwillig gebildetes, gemeinsames Eigentum an Produktionsmitteln einschließt und somit individuelle und kollektive Selbstbestimmung auf dem Gebiet der Ökonomie miteinander verbindet.
  1. ”No doubt every interpretation of the word liberty, however unusual, must include a minimum of what I have called ‘negative’ liberty. (…) But the fathers of liberalism – Mill and Constant – want more than this minimum: they demand a maximum degree of non-interference compatible with the minimum demands of social life.” Isaiah Berlin, Two Concepts of Liberty, in: (ders.), Four Essays on Liberty, Oxford et al. 1969, 118-72, hier 161.
  2. So schreibt er: “(…) it is a confusion of values to say that although my ‘liberal’, individual freedom may go by the bord, some other kind of freedom – ’social’ or ‘economic’ is increased.” op. cit., 125-6.

Eitelkeit und Starrsinn

Günter Grass möchte nicht länger schweigen, was er früher freilich auch schon nicht getan hat. Mit letzter Tinte, denn Grass ist noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen, schreibt er nieder, was ihm zur Irankrise einfällt. Weil er davon überzeugt ist, dass die ganze Welt es lesen will, lässt er seine Gedanken in drei Ländern gleichzeitig unter das Volk bringen.

«Eitelkeit und Starrsinn» weiterlesen

“… wie einer, der die ganze Menschheit ermordet hat”

Eine “apologetische Nichtauseinandersetzung” macht Jörg Lau von der “Zeit” unter den Islamverbänden aus, wenn es um die Frage geht, inwieweit Gewalttaten im Namen der eigenen Religion tatsächlich etwas mit ebendieser Religion zu tun haben. Dann werden allzu eilfertig all jene, die dem Namen des Islam Schaden zufügen könnten, zu Nichtgläubigen erklärt und  schon liegen die Ursachen religiöser Gewalt ausserhalb der Umma.

«“… wie einer, der die ganze Menschheit ermordet hat”» weiterlesen
Translate