Begriffe wie Kapitalismus oder Neoliberalismus werden meist völlig unreflektiert verwendet, weil sie etwas bezeichnen, das jeder genau zu kennen meint. Doch fragt man, was unter Kapitalismus zu verstehen ist, müssen die meisten erst einmal nachdenken. So einfach ist die Sache eben nicht. Also: Kapitalismus nennen wir eine gesellschaftliche Ordnung, in der das Wirtschaftsleben unter den Bedingungen gleichen Rechts mehrheitlich in privater Hand liegt.
Gleiches Recht bedeutet: Nicht nur einigen, allen steht es frei, Privateigentum zu wirtschaftlichen Zwecken zu erwerben. Wo das Wirtschaftsleben mehrheitlich in öffentlicher Hand liegt, haben wir es mit Sozialismus zu tun. Wo es mehrheitlich in privater Hand liegt, aber nicht unter den Bedingungen gleichen Rechts, haben wir es mit einem feudalen oder despotischen System zu tun.
Im Kapitalismus (Marktwirtschaft) kommen also zwei Dinge zusammen: Freiheit und Recht, Damit sind zugleich die Grenzen der Freiheit definiert, die dort verlaufen, wo die Freiheit des einen diejenige des anderen zu beeinträchtigen droht. Niemand darf einen anderen Menschen zum Sklaven nehmen, ihn bestehlen oder mutwillig sein Eigentum zerstören. Diese Konstellation von Freiheit und Recht hat Implikationen, die im Liberalismus ausbuchstabiert werden.
Sie ist zugleich das Erfolgsmodell schlechthin für den Wohlstand der Massen und wenn es auch kapitalistische Staaten gibt, die nicht vollständig frei sind, so gibt es keine liberale Demokratie, die nicht mit Kapitalismus (Marktwirtschaft) einherginge. China beispielsweise mag zwar keine Demokratie sein und die Meinungsfreiheit massiv unterdrücken, es steht aber im Index der Vertragsdurchsetzung (index of contracts enforcement), einem wichtigen Indikator für Investitionssicherheit, auf Platz fünf.
Auch wenn es unter der Herrschaft der Kommunistischen Partei aktuell nicht danach aussieht, so ist Fareed Zakaria doch rechtzugeben, wenn er behauptet: „Eine Marktwirtschaft, die in die Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen aufsteigt, tendiert auf lange Sicht zu einer freiheitlich-demokratischen Regierungsform.‟ Denn Beispiele dafür gibt es zur Genüge.
Auch Singapur, wenngleich keine Demokratie, ist nach Einschätzung von Zakaria zu einer offeneren Gesellschaft geworden, „die in einigen Punkten (insbesondere kulturellen und sozialen Fragen wie Homosexualität) sogar liberaler ist als andere ostasiatische Gesellschaften.‟ (Fareed Zakaria, Der Aufstieg der Anderen: Das postamerikanische Zeitalter. München 2009, S. 134)
Umverteilen lässt sich übrigens nur dort, wo dies massvoll geschieht und die Voraussetzungen für einen Wohlstand der Massen geschaffen sind, also im Kapitalismus. Eine Umverteilung von Wohlstand, die auf die Abschaffung des Kapitalismus zielt, zerstört ihre eigenen Voraussetzungen.
Vielleicht machen sich die Kritiker einmal Gedanken über diese ganz grundlegenden Dinge, bevor sie Kapitalismus wieder einmal als “System” bezeichnen und behaupten, er “strebe” nach “Profitmaximierung”, mache Menschen unfrei und ähnlichen Unsinn.