Chinas Träume sind keine Schäume

Snow Beer ist der Name des meistverkauften Bieres der Welt. Falls Sie noch nie etwas davon gehört haben, könnte es daran liegen, dass dieses Bier fast nur in China verkauft wird. Denn so gewaltig ist der chinesische Binnenmarkt, dass ein heimischer Verkaufsschlager Weltrekorde aufzustellen imstande ist.

Dafür hat hierzulande der eine oder andere bestimmt schon einmal von BYD gehört, einer chinesischen Autofirma namens “Build Your Dreams” (Baue dir deine Träume). BYD ist jetzt schon der zweitgrösste Hersteller von Elektroautos der Welt, auch hier sind die Verkaufszahlen in China gewaltig. Nur der amerikanische Tesla-Konzern hat international noch die Nase vorn, doch womöglich nicht mehr lange.

Als ausländische Firmenvertreter scharenweise das Land verliessen, um nicht für Monate in Zwangsquarantäne verbringen zu müssen, hat BYD begonnen, gleich reihenweise neue Fabriken zu bauen, wie Satellitenbilder zeigen. Immerhin haben wir damit auch eine mögliche Erklärung für den harten Isolationskurs der chinesischen Machthaber während der Pandemie.

Das bedeutet eine enorme Herausforderung für die deutsche Konkurrenz, die bald schon abgehängt werden dürfte. In China konnten deutsche Autobauer mit Elektrofahrzeugen jedenfalls nicht punkten, umgekehrt dürften batteriegetriebene Autos aus China hierzulande bald eine Normalität sein. Da es Deutschland an Ingenieuren mangelt – laut dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) gibt es über 170.000 offene Stellen –, wird dieser Zustand wohl so bald nicht behoben werden.

Die hohen Strompreise, die nicht zuletzt einer vermurksten Energiewende geschuldet sind, machen die wirtschaftliche Situation in Deutschland ebenfalls nicht besser.. Volkswagen wollte eine zweite Batteriefabrik in Niedersachsen bauen, hat dieses Projekt aber wegen der Energiekosten abgeblasen. Dass Batterien trotzdem nicht zur Mangelware werden, dafür sorgt ein chinesischer Konzern: Autobauer BYD gehört jetzt schon zu den grössten Herstellern von Batterien weltweit.

Die ganze Entwicklung wäre weniger dramatisch und könnte sogar eine gute Nachricht sein, insofern als die asiatischen Staaten mehr und mehr aus dem Schatten des Westen heraustreten und durch Ehrgeiz und Innovationsfreude beweisen, dass der Aufstieg ganzer Nationen überall auf der Welt möglich ist – wäre China kein autoritäter Staat, der seine wirtschaftliche Macht immer wieder für Interessen einspannt, die man kaum anders als imperial bezeichnen kann.

Chinesische Vorherrschaft, nicht die Einbindung Chinas in eine internationale Ordnung, ist demnach das Ziel. Während die USA aussenpolitisch in den vergangenen Jahrzehnten viel Schaden anrichteten, haben lebendige Demokratie und freie Meinungsaustausch immer wieder zur Kurskorrekturen der Regierung geführt. In China aber gibt es weder Demokratie noch Meinungsfreiheit, eine Kursänderung von innen heraus wird so bald nicht erfolgen.

“Baue dir deinen Traum” – der Name ist Programm. Für die Bevölkerung verheisst der Name Wohlstand und Glück. Für die Machthaber verheisst er eine neue Weltordnung. Die wirtschaftliche Macht könnte am Ende darüber entscheiden, welches politische Modell sich international durchsetzen wird.


Nachtrag 23. Juli 2023

Doch, alles nur Schäume, könnte man die Recherchen des Wissenschaftsjournalisten Dirk Maxeiner zusammenfassen, in seinen eigenen Worten: “Treudoof lassen wir uns von der potemkinschen Fassade der chinesischen E-Auto-Revolution blenden, die sich gerade zum großen Teil als planwirtschaftlicher Rohrkrepierer erweist.” Maxeiner bekennt, die “chinesischen Märchenerzählungen” selbst “weitgehend geglaubt” zu haben.

Nachtrag 5. August 2023

A China that controls critical minerals may decide to withhold them in the event of escalating tensions — or more likely, make the U.S. pay a steep price” heisst es in einem Beitrag auf “Real Clear World” und warnt davor, die Bedeutung der Lieferketten mit China zu unterschätzen.

Nachtrag 9. August 2023

Ein Kommentar in der “Welt” mahnt die deutsche Automobilindustrie, nicht länger die Bedürfnisse der fortschrittsfeindlichen heimischen Kundschaft an oberste Stelle zu setzen, sondern der chinesischen, habe doch “der Technologietransfer aus China in den Rest der Welt bereits begonnen.” Dieser werde sich in China noch beschleunigen, dort beginnt die Zukunft früher als hierzulande. Die Deutschen Kunden hingegen seien Neuerungen in der Technik zu wenig aufgeschlossen.

Nachtrag 6. September 2023

Gegenmeinung: Der Journalist Wolfram Weimer hat sich auf der Automesse IAA umgehört und kommt zu dem Ergebnis, dass unter deutschen Atuobauern die Lage besser ist als die Stimmung vermuten lässt: Gerade im oberen Preissegment brauchen deutsche Marken keine Konkurrenz durch preisgünstige chinesische Elektro-Autos zu fürchten. Es besteht also Grund zum Optimismus.

Translate