Genozid und Staatsräson

In Deutschland herrsche eine “repressive Atmosphäre” in Bezug auf die Ereignisse von 1915, liest man in einer Stellungnahme der türkischen Botschaft anlässlich der Entschliessung des deutschen Parlaments, in diesem Zusammenhang von einem Völkermord an den Armeniern zu sprechen.

„Genozid und Staatsräson“ weiterlesen

Die Erfindung eines Versprechens

In der der Redaktion der “Zeit” interessiert man sich derzeit für die Kolonialgeschichte des Irak und hat sich ein bisschen in die ältere Literatur zum Thema eingelesen. Herausgekommen ist ein Artikel, der seiner Leserschaft vermittelt, dass “die Araber”, die von einem unabhängigen Grossreich träumten, von den Briten schmählich hintergangen wurden.

„Die Erfindung eines Versprechens“ weiterlesen

Schwarz. Rot. Gold.

Deutschland ist Fussball-Weltmeister, die Deutschen jubeln, und wieder stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit von soviel Schwarz-Rot-Gold auf den Strassen. Tobt da etwa die neue deutsche Volksgemeinschaft? Persönlich stehe ich dieser ganzen Fahnenschwenkerei reserviert gegenüber, halte es eher mit dem argentinischen Individualismus eines Jorge Luis Borges, womit wir das Thema eigentlich abhaken könnten. Eigentlich.

„Schwarz. Rot. Gold.“ weiterlesen

Erinnerungen an die Habsburgermonarchie

In der NZZ widmet sich der Historiker Timothy Snyder der Frage, was ein Reich wie die Habsburgermonarchie, die sechshundert Jahre Bestand haben konnte, zu Fall gebracht hat und welche Lehre ihr Ende für die heutige EU parat hält. Snyder bezweifelt, dass es innere Schwächen waren, die zum Zerfall des Staatsgebildes geführt haben, obwohl, wie er einräumt, im 19. Jahrhundert “der Nationalismus buchstäblich im ganzen Reich um sich griff”.

„Erinnerungen an die Habsburgermonarchie“ weiterlesen

Blindflug in die Geschichte

Dass ein deutscher Kanzler oder eine Kanzlerin die Türkei einmal auf Knieen darum bitten werde, der EU beizutreten, ist eine Vorhersage, mit der der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger eines Tages vielleicht recht bekommen mag. Sollte es allerdings wirklich zu einem Beitritt kommen, sei es nun nach vorausgegangenem Kotau oder nicht, dann möchte man hoffen, dass dies aus der Überzeugung gegenseitigen Nutzens heraus geschieht – und nicht aufgrund fragwürdiger historischer Argumente.

„Blindflug in die Geschichte“ weiterlesen

Wie ersponnen, so zerronnen

Der israelische Historiker Shlomo Sand hat sich zum Ziel gesetzt, die historischen Voraussetzungen des Zionismus gründlich zu zertrümmern – so gründlich, dass er selbst das jüdische Volk als eine Erfindung zu entlarven versucht, um damit dessen Anspruch auf Palästina zu delegitimieren. Nun bewirbt die Presseabteilung des Berliner Ullstein-Verlages Sands neues Buch wie folgt:

Es gäbe [sic!] kein historisches Anrecht der Juden auf das Heilige Land der Bibel, so Sand. Diese Idee sei ein Erbe des Nationalismus des 19. Jahrhunderts, aufgegriffen von den europäischen Zionisten jener Zeit.

[…] Entgegen der israelischen Unabhängigkeitserklärung und heutiger Regierungspropaganda habe es nie ein Streben des Judentums nach Rückkehr in das »Land der Väter« gegeben.

Man beachte den letzten Satz: es habe “nie ein Streben des Judentums nach Rückkehr in das ‘Land der Väter’ gegeben.” Wer eine solche These vertritt, sollte sich vielleicht besser nicht als Historiker bezeichnen. Denn bereits Mitte des 16. Jahrhunderts berichtet der Reisende Hans Dernschwam, dass es in Alexandria, Kairo, Aleppo, Antiochia, Damaskus und Jerusalem, wo es überall einen hohen Anteil an jüdischer Bevölkerung gab, unter älteren Juden – sofern sie über genügend finanzielle Reserven verfügten – üblich war, nach Palästina auszuwandern, und zwar in der Hoffnung, „das sy von allen landen in ir landt wider zusamen werden khommen vnd ein regiment vberkhommen.‟ ((Quelle: Hans Dernschwam’s Tagebuch einer Reise nach Konstantinopel und Kleinasien (1553/55), nach der Urschrift Im Fugger-Archiv hg. und erläutert von Franz Babinger (München 1923), 107.))

Davon abgesehen: Andere Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches böten weitaus mehr Angriffsfläche für eine Dekonstruktion ihrer Nationalgeschichte. Der Begriff „Syrien‟ (sūriyā) als Eigenbezeichnung für den nördlichen Nachbarn kam in der Neuzeit nicht vor 1841 wieder in Gebrauch und erst 1865 riefen die Osmanen eine gleichnamige Provinz ins Leben. Auf der anderen Seite des Mittelmeeres berufen sich die Griechen auf ihre antike Geschichte, was zwar nicht falsch ist, aber insofern eine Konstruktion darstellt, als in byzantinischer Zeit die Griechen bekanntlich keine Griechen mehr sein wollten, sondern Römer (was sich in spätbyzantinischer Zeit wieder änderte).

Noch mehr sind die Versuche libanesischer (maronitischer) Geschichtsschreiber, eine phönizische Abkunft der Libanesen nachzuweisen, reine Ideologie. Mindestens fragwürdig sind auch die Behauptungen von albanischer Seite, von den Illyrern abzustammen. Und wenn palästinensische Nationalisten die Herkunft ihres Volkes auf die Jebusiter zurückführen, so ist dies eine ahistorische Behauptung, die nur den jüdischen Anspruch auf Jerusalem delegitimieren soll. Demgegenüber ist ein jüdisches Kontinuum, das bis in die Antike zurückreicht und immer einen Bezug zu Jerusalem hatte, sehr viel besser zu belegen.

[Aus dem Archiv]

 

Translate