Zweihundert Jahre ist es nun her, dass die Griechen sich gegen die osmanische Kolonialmacht erhoben, wobei „Kolonialmacht“ ein Wort ist, das im Zusammenhang mit dem Osmanischen Reich, in älteren Texten: „die Türken“, kaum gebräuchlich ist. Die Begriffe Kolonialismus und Imperialismus haben sich mittlerweile auf die politischen Expansionsbestrebungen Europas im Rest der Welt verengt.
Dabei stellt der Begriff „Europa“ keine Verengung, sondern eine Erweiterung dar: Die Schweizer, Litauen oder Griechenland sind Teil Europas, haben aber keine Kolonialgeschichte, zumindest nicht in der Neuzeit, sieht man einmal vom kurzfristigen, weil gescheiterten Versuch der griechischen Nationalbewegung ab, ganz Kleinasien unter ihre Kontrolle zu bekommen.
Wer vom „europäischen“ Imperialismus spricht, ohne die Attribution zu präzisieren, erweckt den Eindruck, ganz Europa habe eine koloniale Vergangenheit; wer das Osmanische Reich ausschliesslich als „Vormacht“ bezeichnet, leistet der Polarisierung weiter Vorschub: Die Grenze zwischen Gut und Böse verläuft dann mitten durch das Mittelmeer.
Dass das grundverkehrt ist, zeigt wie in einem Brennglas die Geschichte der griechischen Befreiung, die mit dem Londoner Protokoll von 1829 in einen eigenen Staat mündete. Aber im Zeitalter der Prävalenz postkolonialer Theorien ist das Studium dieses Teils der Geschichte wohl wenig opportun.