Vom Islam zum Islamismus

Gibt es einen Unterschied zwischen Islam und Islamismus? Die Antwort, die man erhält, fällt je nach dem aus, wo der Befragte politisch steht. Ich halte das für irreführend. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Islam und Islamismus – aber eben auch eine Schnittmenge zwischen beiden. Allerdings möchte ich behaupten, dass die Schnittmenge ziemlich gross ist. Diese These gefällt natürlich nicht jedem.

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Fallstricke der Islamapologetik

Dass Verteidiger des Islam häufig auf eine Art und Weise argumentieren, die eigentlich das Gegenteil von dem bewirkt, was sie beabsichtigen, fasziniert mich immer wieder ungemein. Viele sind sich nicht bewusst, dass das, was sie da als fortschrittlich am Islam preisen, alles andere als fortschrittlich ist und eher Teil des Problems denn Teil der Lösung. Solcherlei Argumentation findet dann meist den Beifall einen nichtmuslimischen dialogbewegten Publikums, das sich bereitwillig in die Irre führen lässt.

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Was wollen die MEMRI-Kritiker?

Thomas Friedman hat gewiss recht, wenn er in der Empörung über den islamkritischen Mohammed-Film eines in den USA lebenden ägyptischen Kopten eine Doppelmoral am Werk sieht (s. auch hier). Dass er seine These durch Quellen unterlegt, die vom Übersetzungsdienst MEMRI stammen, hat allerdings wieder ein paar alte Reflexe zum Vorschein gebracht: MEMRI sei unseriös, inakkurat, manipulativ und verfolge eine politische Agenda, lauten die Vorwürfe, die seit Jahren immer einmal wieder zu hören sind.

Gute Gelegenheit, mit alten Mythen aufzuräumen. Tatsache ist: Es gibt genügend Wissenschaftler und Journalisten, die irgendwie ein Problem mit Israel haben. Natürlich sagt keiner: “Ich habe ein Problem mit Israel”, sondern man druckst und windet sich, wenn es um Israel geht, und redet lieber um den heissen Brei. Vorsicht ist also angesagt, wenn Einwände mit offenkundig fadenscheinigen Argumenten vorgebracht werden.

Der wahre Grund, warum nicht wenige Islam- und Nahostexperten ein Problem mit MEMRI haben, dürfte denn auch ein ganz anderer sein. MEMRI ist die Gründung eines Israelis und ehemaligen Mitglieds des israelisches Geheimdienstes (Himmel steh uns bei!) und zudem in den USA ansässig. Diese Reizwörter – Israeli, Geheimdienst, USA – sind sicherlich weit mehr als manche Leute ertragen können, für die MEMRI denn auch nichts anderes sein kann als eine Propagandaschleuder. Da nützen MEMRI-Gründer Yigal Carmon auch noch so moderate Töne nichts.

So wird man immer etwas finden, was die eigene Weltsicht bestätigt. Irgendein angeblicher oder tatsächlicher Übersetzungsfehler, der vor Jahren einmal vorgekommen sein soll, muss dann herhalten, um MEMRI als solches komplett zu diskreditieren. Auch das nunmehr zehn Jahre alte inamo-Dossier über MEMRI (http://www.inamo.de/index.php/memri-watch.html), dessen Behauptungen von damals, so sie denn jemals der Wahrheit entsprachen, von MEMRI-Kritikern auch ohne weiteres für die spätere Zeit angenommen werden, besteht aus Pamphleten, deren Verfasser zum Teil noch nicht einmal des Arabischen oder Persischen mächtig sind.

Praktisch ist, dass die Behauptung, der Dienst treffe eine willkürliche Auswahl der zu übersetzenden Texte, weil er eine politische Agenda verfolge, nicht so leicht zu widerlegen ist. Dass MEMRI auch liberale Stimmen übersetzt und nicht nur Texte von Radikalinskis, die dazu geeignet sind, das Image des Islam zu ramponieren, konnte die verbliebenen MEMRI-Kritiker bislang wenig beeindrucken.

Wie fadenscheinig deren Argumente sind, zeigt die Gegenprobe. Fragt man einen durchschnittlichen Islamwissenschaftler, dessen Forschungsschwerpunkt in der Gegenwart angesiedelt ist, nach einem Übersetzungsdienst, den er empfehlen kann, dann dürfte diese Frage in den meisten Fällen mit dem Hinweis auf Mideastwire (www.mideastwire.com/) beantwortet werden. Auf Mideastwire trifft jedoch genau das zu, was an MEMRI so gerne kritisiert wird: eine selektive Auswahl der Quellen und das nicht nur im Einzellfalle, sondern aus Prinzip.

Mideastwire nämlich berücksichtigt im Gegensatz zu MEMRI keine Exilantenquellen. Als ein Beispiel sei hier die persische Kayhan genannt, die, wie jedem, der über ein Grundwissen hinsichtlich der nahöstlichen Medienlandschaft verfügt, bekannt ist, zweifach existiert, weil es zwei Zeitungen von insgesamt zwei Redaktionen gibt, die unter dem Namen Kayhan publizieren. Während die eine Redaktion in Teheran sitzt, befindet sich die andere in London. Zwischen beiden gibt es sogar eine Verbindung: Die eine ist das Original, die andere das Plagiat.

Das Original wird in London herausgegeben; es handelt sich dabei um diejenige Kayhan, die schon vor der Islamischen Revolution 1979 existierte und die damals noch ihren Redaktionssitz in Teheran hatte. Ihr Gründer war der vor sechs Jahren hochbetagt im Exil verstorbene Mostafa Mesbahzadeh. Mit der Revolution mussten die Zeitungsmacher das Land verlassen; ihre Redaktionsräume wurden dann von den neuen Machthaber dazu benutzt, die angesehene Zeitung Kayhan widerrechtlich weiterzubetreiben und für die eigenen Zwecke zu missbrauchen, indem man sie zu einem Sprachrohr für das Regime machte.

Während MEMRI Texte aus beiden Quellen, aus der (regimekritischen) Londoner ebenso wie aus der (regimefreundlichen) Teheraner Kayhan übersetzt, berücksichtigt Mideastwire ausschliesslich die Teheraner Kayhan, ohne jemals sachliche Gründe dafür vorgebracht zu haben. Auch andere Exilantenquellen bleiben von Mideastwire unberücksichtigt – und die Kritik bleibt aus. Wer versucht, über die Vorgänge im Iran allein aus Texten in Übersetzung von Mideastwire ein Bild zu gewinnen, der wird nur Staatspropaganda finden und ein entsprechendes Zerrbild von den Realitäten im Iran bekommen.

Wie gesagt, die Kritik an Mideastwire ist bislang ausgeblieben. Kein Wunder, dahinter stecken keine Israelis, sondern zwei linke Journalisten, deren einer von bösen Zungen als “Western spokesperson for Hezbollah” bezeichnet wird. Egal ob das nun übertrieben ist oder nicht: Wer ein Problem mit Israel hat, hat eines mit MEMRI; wer keines mit der Hisbollah hat, hat auch keines mit Mideastwire.

Siehe auch:

Aufpoliert, 24. September 2010.

[Aus dem Archiv.]

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