Nahostexperten am Limit (2)

Wenn einer es versteht, vom Massaker der Hamas an 1200 Menschen, überwiegend Jüdinnen und Juden, den Schwenk zur Islamfeindlichkeit hinzubekommen, dann ist es der Kai Hafez, der auch noch den Grossteil der deutschen Bevölkerung und die deutsche Regierung für ihre Unterstützung Israels auf die verbale Anklagebank rückt.

Altstadt von Jerusalem

Hafez ist Kommunikationswissenschaftler und hat im Interview mit Qantara.de einen kommunikativen Weg gefunden, Israel und Hamas in eine Analogie zu zwängen. Indem er Israel „Staatsterrorismus“ vorwirft, kann er Deutschland die „Hauptaufgabe“ zuweisen, auf Äquidistanz zu gehen. Denn es macht keinen Sinn, sich auf eine Seite zu schlagen, wenn beide Seiten aus Terroristen bestehen. Um die Äquidistanz weiter zu legitimieren, baut Hafez einen Popanz auf.

Er suggeriert, dass Kritik an Israel und am Zionismus gemeinhin als antisemitisch tabuisiert werde, was natürlich nicht stimmt, hätte er die Antisemitismus-definition der „Holocaust Remembrance Alliance“ zur Kenntnis genommen, in der es ausdrücklich heisst „… criticism of Israel similar to that leveled against any other country cannot be regarded as antisemitic.“ Aber Hafez will Israel zu einem Staatsterroristen machen, der ungehindert agieren kann, ohne dass er Kritik fürchten muss.

Hafez entkernt des Begriff des Antisemitismus

Als nächstes unterzieht Hafez den Antisemitismus einer Umdeutung, indem er jeglichen Bezug auf das Judentum verschwinden lässt und behauptet, der Begriff bezeichne „rassistische, negative kollektive Zuschreibungen an eine religiöse oder ethnische Gruppe.“ Der Antisemitismusbegriff wird zu einem Synonym für Rassismus und damit unbrauchbar. Derart an Begriffen herummodelnd, gelangt er zu den Opfern des Gazakrieges.

Er beklagt, dass internationale Medien die Opfer auf den ersten Seiten zeigen, deutsche jedoch nicht. Mit Opfer meint er die arabische Bevölkerung im Gazastreifen, nicht die Israelis und Angehörigen anderer Nationalitäten, die am 7. Oktober 2023 von der Hamas massakriert wurden. Dass viele der „internationalen Medien“ die Opfer auf israelischer Seite gar nicht zeigen, ist Hafez wohl entgangen.

Die Menschen in arabischen Ländern und in der Türkei werden seit langem von den Medien gegen Israel aufgehetzt, weswegen Sender wie Al Jazeera oder TRT auch nicht mit ARD und ZDF verglichen werden können. Anstatt aber der Frage nachzugehen, wieviele türkisch- und arabischstämmige Bürger hierzulande solche Hetzmedien konsumieren und sich mitunter zu Gewalttaten verleiten lassen, schafft Hafez die Wende zur Islamfeindlichkeit.

Die arabische Bevölkerung, lamentiert Hafez, werde bei uns „tendenziell dehumanisiert“, wofür er „islam-und araberfeindliche Tendenzen“ verantwortlich macht. Hafez hat nicht mitbekommen, dass Aussenministerin Baerbock bei all ihrer Solidarität für Israel immer wieder den Schutz für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen angemahnt hat. Weitere Beispiele für die Sorge der Bundesregierung um arabische Zivilisten liessen sich nennen.

Stattdessen findet er es skandalös, wenn Studien zufolge ein Grossteil der deutschen Bevölkerung „erhebliche Probleme mit orientalischer und islamischer Kultur“ habe. Warum das skandalös sein soll, bleibt sein Geheimnis. Solange sich diese Einstellung nicht in der Ausgrenzung von Menschen oder Gewalt gegen sie niederschlägt, ist Empörung fehl am Platz, denn natürlich sind die Verhältnisse in orientalischen Ländern nicht so, dass eine Mehrheit der hiesigen Bevölkerung sie hierhin verpflanzt sehen möchte.

Schwenk zur Islamfeindlichkeit

Mit Einwanderern hat Deutschland keine Probleme, mit ihre Sozialstrukturen durchaus. Auch ihren Antisemitismus, der in arabischen bzw. islamischen Ländern so omnipräsent ist, dürfen Einwanderer gerne zuhause lassen. Das erwarten nicht nur Deutsche ohne Mirationshintergrund. Das letzte, was auch sehr viele arabisch-, türkisch- und iranischstämmige Deutsche wollen, ist, von den Verhältnissen eingeholt zu werden, vor denen sie geflohen sind. Einem Kommunikationswissenschaftler stünde es gut zu Gesicht, einmal in die orientalischen Communitys hineinzuhorchen.

Doch Hafez macht schon das nächste Fass auf. So will er von Kollegen gehört haben, „dass Autoren wieder von Buchprojekten über Edward Said abspringen, weil ihnen das Thema zu heiss geworden“ sei. Ausgerechnet Edward Said, der Säulenheilige der Postkolonialen Theorie, der in den kulturwissenschaftlichen Fächern derart zum Mainstream geworden ist, dass er vielfach gar nicht mehr zitiert wird, weil seine Grundannahmen sich verselbständigt haben, soll zum Karrierekiller geworden sein? Man höre und staune.

Das ganze Interview mit Hafez erinnert an Bizarro World, in der Israel der Terrorist ist, Al Jazeera ein seröses Medium darstellt, Antisemitismus sich nicht auf Juden bezieht und Edward Said an den Universitäten gehasst wird. Nur in einer solchen Welt freilich kann ein Kai Hafez zum geachteten Kommunikationswissenschaftler werden und unwidersprochen fordern, nicht unseren „eigenen historischen Ballast“ auf den Schultern der Palästinenser abzuladen.

Die Forderung nämlich impliziert, dass Israel das Nebenprodukt der deutschen Judenvernichtung ist, was in vielen arabischen Ländern geglaubt wird, mit der Realität aber nichts zu tun hat. Die neuzeitlichen Anfänge des jüdischen Staates gehen auf das 19. Jahrhundert zurück, als der Holocaust noch in weiter Ferne lag, und muss im Kontext der anderen Nationalbewegungen dieser Epoche betrachtet werden.

Israel wurde 1948 auch nicht gegründet, sondern seine Unabhängigkeit erklärt. Ein jüdischer Protostaat hat schon vorher existiert und sein historisches Vorbild ist an die dreitausend Jahre alt. In der Arabischen Welt stellt man gerne die geschichtlichen Fakten auf den Kopf und dichtet den Arabern in Palästina eine Jahrtausende alte Geschichte an, um Israel als künstliche Identität herabzuwürdigen, die angeblich keine Wurzeln in der Region habe.

Diese Geschichtsverfälschung gerade zu rücken wird nun aber von einem Kai Hafez gewiss niemand mehr erwarten. Nicht nach diesem Interview.

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