Kriegstagebuch Aleppo (3)

Auch heute leidet Aleppo unter einer Knappheit an Elektrizität, Wasser, Brot und Brennmaterial. In den Strassen von Aleppo gibt es an jeder Ecke militärische Sperren.

Das schlimmste ist, dass kleine Kinder betteln gehen und auf der Strasse verkaufen. Kinder, die die Schulen verlassen, sind aller Arten von körperlicher und sexueller Ausbeutung ausgesetzt, wie auch erpresserischer unmoralischer Praktiken.

Den Bettlern begegnet man überall und überall sieht man Hungernde. Die Lehren des Islam sagen: keiner von euch hat Vertrauen, wenn er schläft und einen hungrigen Nachbarn an seiner Seite weiss.

Auf den Märkten gibt es vieles, aber das Problem ist, dass die Leute kein Geld haben. Der Winter überfällt die Stadt wie ein reissendes Wildtier, das das kalte Fleisch der Kinder verzehren will.

Nach und nach verschwinden die Gärten aus der Stadt, denn man ist eifrig dabei, die Bäume zu fällen und als Brennholz für die Heizung zu verkaufen.

Es ist eine humanitäre Katastrophe. Bitte versteht, was in Aleppo geschieht.

Aleppo, 9. 12. 2012

(Aus dem Arabischen von Michael Kreutz)

Autor: Muhammad H. (Gastautor)

Muhammad H. ist ein syrischer Exilant, der vor dem Krieg aus seiner syrischen Heimat in die Türkei geflüchtet ist. Er arbeitet heute in einer Künstlerkolonie im südtürkischen Kilis, von wo aus er die Ereignisse in Syrien ebenso wie die Stimmung in der syrischen Exilgemeinde verfolgt. Vor seinen "Mitteilungen aus Kilis" schrieb er für die transatlantic annotations das "Kriegstagebuch Aleppo".

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