Über den amerikanischen Präsidenten Trump zu lästern, ist populär. Zu unberechenbar scheint der Mann, zu unprofessionell, zu unsympathisch. Dass er andererseits nicht zu unterschätzen und durchaus für eine Überraschung gut ist, haben wir schon gesehen. Das ist auch der Grund, warum wir über Trump so gespalten sind, wobei die Skepsis überwiegen mag.
Trump verstehen – kann man das? Aufschluss über sein Denken gibt ein Buch, das Trump 1987 veröffentlicht hat und das derzeit wieder stark nachgefragt wird. In Trump: The Art of the Deal finden wir eine Reihe von Anhaltspunkten, die seine Art, Politik zu machen, erhellen könnten.
„Ich hatte nie einen Generalplan. Ich hatte es eines Tages einfach satt und beschloss, etwas zu tun.“ Mit diesen Worten beschreibt Trump, wie er seine Geschäfte tätigt. Als Immobilientwickler beobachtet er ständig das Treiben seiner Wettbewerber wie auch der Politik und mit vielen seiner Projekte war er dort erfolgreich, wo andere gescheitert waren.
Ein besonders markantes Beispiel ist die Renovierung der öffentlichen Wollman Rink, einer Eislaufbahn, die die Stadt New York, angefangen 1980, sechs Jahre lang nicht imstande war zu sanieren, bis sie ihr Scheitern mit Millionenbeträgen bezahlte. Ein 1986 veröffentlichter Bericht über die Fehler, die in den sechs Jahren aufgelaufen waren, hatte seinerseits fünfzehn Monate in Anspruch genommen, um erstellt zu werden, kam jedoch zu keinem Ergebnis, wer für die Masse an Inkompetenz verantwortlich war, nämlich die Stadtverwaltung.
Als Trump sich für das Objekt zu interessieren begann, erlebte er mit eigenen Augen, dass keiner dort arbeitete, als währen sämtliche Arbeiter auf einer permanenten Siesta. Bei der Besichtigung kam es dann zu einem Vorfall, der gewissermassen zur perfekten Metapher für die Unfähigkeit der Stadtverwaltung wurde: Die Eisbahn wurde von Leuten zertrampelt, die dafür bezahlt wurden, sie fertigzustellen.
Trump erkannte das Hauptproblem für das Wollman Rink-Desaster in der völligen Abwesenheit von Führung. Absolut niemand habe die Verantwortung getragen. Als Trump den Job übernahm, wie er schildert, sei dies nur durch strenge Aufsicht über alle Einzelheiten des Vorhaben gelungen. Durch blosse Willensanstrengung und entsprechendes Wissen, so Trump, lasse sich jedes Vorhaben durchziehen.
Hier haben wir schon alle wesentlichen Elemente, die seinen Aufstieg zum Präsidenten der USA erklären: das Gefühl, gegen die herrschende Inkompetenz etwas tun zu müssen; die Verachtung für die Politik (damals vor allem in der Person des New Yorker Bürgermeisters Ed Koch); und Führungsstärke zu beweisen als Schlüssel zum Erfolg.
Aus seiner Erfahrung im Immobiliengeschäft speist sich Trumps Misstrauen gegenüber Marktforschung und Umfragen. Stattdessen, so Trump, frage er lieber alle möglichen Leute nach ihrer Meinung, bevor er eine Entscheidung treffe. „Ich frage und frage und frage, bis ich langsam ein Bauchgefühl für etwas bekomme. An dem Punkt treffe ich meine Entscheidung.“
Abermals drängt sich hier die Parallele zur Politik auf. Hat Trump nicht erklärt, er sei flexibel? Auch dies hat er schon von sich als Geschäftsmann behauptet. Ebenfalls als Geschäftsmann hatte er bekundet, im Geld nie eine besondere Motivation gesehen zu haben, umso mehr im „Spiel“. Keinesfalls sehe er sich dabei als Glücksspieler (gambler), mehr als Casinobesitzer.
Auch seine Taktik, Hillary Clinton im Wahlkamnpf als „crooked Hillary“ zu bezeichnen, wie er auch sonst seine Gegner mit allerlei Spitznamen herabsetzte, hat er aus dem Geschäfts-leben übernommen. „Manchmal,“ so Trump, „gehört es dazu, seine Wettbewerber herab-zusetzen.‟
Nicht zuletzt sein ramponiertes Verhältnis zu den Medien wird aus seinen Erfahrungen als Geschäftsmann ersichtlich. Allzu häufig, so moniert Trump, sehen sich Reporter als Anwalt des Konsumenten und bringen wenig Verständnis für das Wirken von Unternehmern auf.
Umso stärker war Trump stets auf die Wirkung in der Öffentlichkeit bedacht. Dabei schade es ihm nicht, wie er erklärt, wenn seine Aktivitäten kontrovers besprochen würden, denn aus rein geschäftlicher Sicht sei es wichtiger, dass über ihn geschrieben werden, als wie dies geschehe. Selbst eine kritische Darstellung, mag sie persönlich schmerzen, könne für das Geschäft von Nutzen sein.
Als Trump beim Bau des Trump Tower ein älteres Gebäude hatte abreissen lassen, an dessen Aussenfassade sich Art Deco-Skulpturen befanden, wurde er zur Zielscheibe massiver Kritik, die Trump für überzogen hielt, über die er aber zum Schluss kam, dass er nun verstehe, dass gewisse Ereignisse eine symbolische Bedeutung haben können. Die Kontroverse sollte ihm langfristig dennoch nützen und die Nachfrage nach den Wohnungen in seinem Trump Tower rapide steigen lassen.
Ob er sein Durchhaltevermögen, das nach seiner Einschätzung in so vielen Fällen den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmacht, auch im Präsidentenamt beweist, muss sich freilich erst noch zeigen. Hier sind ganz andere Hürden zu überwinden.
Dafür stellt er bei seiner angekündigten Steuerreform eine weitere seiner Geschäftstaktiken zur Schau. Wir erinnern uns: Trump hatte vor einiger Zeit erklärt, die Reduzierung der Steuerlast würde die „höchste“ in der amerikanischen Geschichte. Das mag übertrieben sein, zumal Steuerexperten sein Vorhaben eher skeptisch beurteilen, aber Tatsache ist: Sein vollmundiges Versprechen folgt einer Taktik, die er in seinem Buch offen zur Sprache gebracht hat: „Menschen wollen glauben, dass etwas das grösste, grossartigste und spektakulärste ist.“
Ist Trump also nur ein Schaumschläger oder doch mehr? Immerhin könnte man einiges aus den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit, die keinen anderen Schluss als den von einem Mangel an Professionalität und Erfahrung zuzulassen scheinen, anders bewerten, wenn man auch hier Trumps Aussage zur Kenntnis nimmt, einen hohen Einsatz zu wagen und dann Druck zu machen, bis er seinen Willen bekommt. Mag er manchmal weitaus weniger bekommen als angestrebt, so setze er sich doch meistens durch.
Man übertrage dies auf seinen Politikstil: Hat Trump wirklich so wenig Verständnis für den Wert von NATO, EU, Freihandel und Klimaschutz? Oder steckt dahinter möglicherweise eine Taktik, die darin besteht, Druck aufzubauen, um auf diese Weise Zugeständnisse zu erzwingen, die er sonst nicht bekommen hätte? Wir müssen die Möglichkeit jedenfalls ins Auge fassen.
Vielleicht will Trump gar nicht aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen, sondern nur die amerikanische Rolle darin verbessern. Da käme ihm die teils hysterische Reaktion europäischer Medien sehr zugute, setzt sie doch viele Regierungen unter Druck, den USA unter Trump Anreize bereitzustellen, sich dem Abkommen wieder anzuschliessen.
Ob Trump also diese Taktik verfolgt und wenn ja, ob er damit erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Aus politikwissenschaftlicher Sicht interssant ist, wie Trumps Amtszeit eines Tages zu beurteilen sein wird, denn dass ein Geschäftsmann, ein Casinobesitzer zumal, seine Praktiken auf die Politik eines demokratischen Landes zu übertragen sucht, ist ein Experiment mit offenem Ausgang.
Bislang freilich ist Trumps Politik so ziemlich das Gegenteil von erfolgversprechend.
Nachtrag 04. Juni 2017
Ein Kommentar auf BloombergView kritisiert Trumps Vorgehen, die Dinge vor allem aus ökonomischer und militärischer Sicht anzugehen und die Möglichkeiten des Soft Power zu vernachlässigen.
Nachtrag 09. Juni 2017
Die FAZ schreibt: „Trump sieht sich als CEO Amerikas, nicht als Inhaber eines politischen Amtes, dessen Macht durch die Verfassung begrenzt wird“, womit er freilich wenig Sinn für rechtsstaatliche Prinzipien erkennen lasse.
Nachtrag 10. Juni 2017
Ein weiterer Kommentar auf BloombergView geht hart mit Trump ins Gericht, dessen Präsidentschaft nicht nur von Chaos geprägt sei, sondern der sogar seine einmalige Chance zur wirtschaftlichen Reform verpasst habe.