Muslimfeindlichkeit in Deutschland

Lauscht man den Stimmen mancher Kämpfer gegen den Rassismus in den Medien, muss man den Eindruck gewinnen, dass Deutschland ein durch und durch rassistisches, chauvinistisches, patriarchalisches, intolerantes und beinahe präfaschistisches Land ist, in dem man als Muslim nicht leben kann. Höchste Zeit also, dass sich ein Expertenkreis dieses Themas annimmt.

Moschee in Berlin

Der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit definiert den Gegenstand seiner Betrachtung wie folgt: “Muslimfeindlichkeit (auch: Antimuslimischer Rassismus) bezeichnet die Zuschreibung pauschaler, weitestgehend unveränderbarer, rückständiger und bedrohlicher Eigenschaften gegenüber Muslim*innen und als muslimisch wahrgenommenen Menschen.” Dabei handelt es sich um eine Arbeitsdefinition.

Diese ist brauchbar, weil sie Raum lässt für kritische und skeptische Töne gegenüber dem Islam, indem es die Menschen in den Blick nimmt und Muslimfeindlichkeit weiter eingrenzt, indem zugeschriebene Eigenschaften ausserdem “pauschal” und “weitestgehend unveränderbar” sein müssen, um unter die Definition zu fallen. Der Bericht des Expertenkreises zeigt, dass die Verfasserinnen und Verfasser es sich durchaus nicht leicht gemacht haben, belastbare Daten betreffen aber überwiegend Parteien und Behörden.

Zwar gibt es eine Reihe von repräsentativen Studien, die Muslimfeindlichkeit in der Bevölkerung ausloten, allerdings, so der Expertenkreis, “gibt es nur wenige Items, die sich zur Messung von Muslimfeindlichkeit etabliert haben und in verschiedenen Studien repliziert bzw. über mehrere Jahre hinweg erhoben werden.” Etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung könnte demnach muslim-feindliche Einstellungen hegen, eventuell auch mehr. Dabei fallen die Werte jeweis unterschiedlich aus, wenn man nach Muslimen oder dem Islam fragt, soll heissen: Skepsis und Vorurteile gegenüber dem Islam sind grösser als gegenüber Muslimen. Die Frage ist, wann eine Einstellung ein Vorurteil ist.

So beklagen die Verfasserinnen und Verfasser, dass Missstände in islamisch geprägten Gesellschaften “fälschlich als unausweichliche Folge der Zugehörigkeit einer Bevölkerungsmehrheit zum Islam erklärt werden.” Stattdessen solle man zunächst Probleme benennen und sich dann den “konkreten Akteurinnen bzw. ideologischen Begründungen für solche Phänomene” zuwenden. um “willkürliche Zuschreibungen und eine Essenzialisierung des Islams bzw. von Musliminnen” zu vermeiden.

Nichts wird gesagt über die Urheberschaft dieses Erklärungs-ansatzes. Zudem entsteht der Eindruck, dass die Verfasser es am liebsten hätten, wenn Missstände in muslimischen Gesellschaften grundsätzlich nicht mit dem Islam in Verbindung gebracht würden. Jedenfalls würdigen sie Medienbeiträge, in denen dafür plädiert werde, “anzuerkennen, dass patriarchale Strukturen in verschiedensten kulturellen und nationalen Kontexten existieren sowie in sozialen Milieus unterschiedlichster religiöser Prägung vorzufinden sind.” Unterschiede zwischen den Religionen darf es zumindest in diesem Punkt also keine geben.

Zu recht prangert der Bericht die gelegentlich in der öffentlichen Debatte über den Islam auftauchende Forderung an, solange in Saudi-Arabien keine Kirchen gebaut werden dürfen, sollten in Deutschland keine Moscheen gebaut werden – vermag aber nichts darüber zu sagen, wie verbreitet dieses Argument überhaupt ist, ob es populär ist oder vielleicht eher in bestimmten Kreises gehandelt wird. Hier zeigt sich ein generelles Problem des Berichts, indem er häufig vage bleibt und damit an manchen Stellen für Stirnrunzeln sorgt.

Welche Perspektive soll es sein?

Die Verfasserinnen und Verfasser machen deutlich, wo sie selbst stehen und propagieren eine “an Menschenrechten orientierte”, bzw. eine “rechtsstaatsorientierte” Perspektive. Dabei täten sie besser daran, sich einfach an Fakten zu orientieren. Diese aber werden von ihnen mitunter verschleiert, wie ihr Umgang mit der Wahrnehmung von Ehrenmorden zeigt.

Diese erklären sie kurzerhand zu Randphänomenen, da sie lediglich 1,7 Prozent aller Femizide ausmachten, die ihrerseits religions-übergreifend vorkommen. Das ist insofern eine fragwürdige Aussage, als Ehrenmorde in einem sozialen Kontext gesehen werden müssen: In nahöstlichen Gesellschaften vor allem ländlicher Herkunft können Frauen kein sexuell selbstbestimmtes Leben führen, werden von der Community unterdrückt und müssen oft um ihr Leben fürchten, wenn sie sich nicht fügen wollen.

Wie stark die soziale Kontrolle in muslimischen Gemeinschaften sein kann, davon berichtet de Islamlehrerin Lamya Kaddor in ihrem Buch “Muslimisch-Weiblich-Deutsch” (2010): Demnach hatten in ihrer Klasse fast alle Jungs das Ideal der Jungfräulichkeit der Mädchen in einem Masse verinnerlicht, dass sie sich verpflichtet fühlten, die muslimischen Mädchen ihres Viertels zu überwachen, um aussereheliche Sexualkontakte zu unterbinden. Liebespaaren wurde noch in sechzig Kilometer Entfernung nachgestellt; wird der Freund eines Mädchens erwischt, muss er mit körperlicher Gewalt rechnen.

Der Ehrenmord ist nur das äusserste Mittel, eine soziale Norm zu erzwingen. Es ist intellektuell unredlich, diesen Kontext aussen vor zu lassen, das Phänomen einfach zu einem Bestandteil der Kategorie “Femizid”, also zu einem Mord an einer Frau, allein weil sie eine Frau ist , zu erklären, um es damit seiner Spezifizität zu berauben. Tatsächlich sind Ehrenmorde hierzulande fast ausschliesslich ein Phänomen migrantischer Milieus aus islamisch geprägten Ländern, wobei ihnen auch Männer zum Opfer fallen können.

In einer älteren Studie des BKA von 2011 heisst es nach Erörterung verschiedener Ansätze über die Tathintergründe, “dass das Phänomen der Ehrenmorde ohne spezifische Einflüsse der Herkunftskulturen der Migranten nicht befriedigend erklärt werden kann.” Die Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher, selbst Mitglied im Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit, hat an anderem Ort zutreffend festgestellt, dass es eine Art von Ehre gibt, “die die sexuelle Reinheit und Unbescholtenheit der Frauen einer Familie [betrifft], von der nach traditioneller nahöstlicher Auffassung die Ehre einer ganzen Sippe abhängt“, was Teil einer “Schamkultur des Nahen und Mittleren Ostens” sei.

Der Expertenkreis will vor allem den Islam verteidigen

Ehrenmorde sind in der Tat religiösübergreifend, aber eben nicht in allen Religionsgemeinschaften in gleichem Umfang anzutreffen. Der genannte Beitrag von Schirrmacher fand leider keinen Eingang in den Abschlussbericht des Expertenkreises. Es ist nicht zu übersehen, dass deren Mitglieder Muslimfeindlichkeit nicht nur erforschen wollen, sondern sich zu Anwälten des Islam machen, der mit Missständen jedweder Art nichts zu tun haben darf. Indem sie beklagen, dass “Vorstellungen eines vermeintlich homogenen und unabänderlichen Islams, der den Werten der hiesigen Gesellschaft entgegenstehe und Frauenrechte nicht nur einschränke, sondern Gewalt bis hin zu Mord an Frauen legitimiere,” zementiert würden, vermischen sie jedoch verschiedene Kategorien.

Einerseits ist der Islam in der Tat weder homogen noch unabänderlich, – wer dies behauptet, wird sich den Vorwurf der Islamfeindlichkeit zu recht gefallen lassen müssen. Andererseits legitimiert er in seiner dominanten Form, der sunnitischen Orthodoxie wie auch in Teilen des Volksislam, durchaus Gewalt gegen Frauen. Der (im Bericht nur kurz erwähnte) Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak und seine Mitautorin Katja Nowacki (2012) konstatieren, dass allgemein Gewalt in Wertesystem der türkischen Kultur eine höhere Akzeptanz habe und insgesamt davon ausgegangen werden müsse, “dass durch die verschiedenen genannten Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit von innerfamiliärer Gewalt in muslimischen Familien höher ist.‟

Das zeigen auch quantitative Studien , die der amerikanische Nahostwissenschaftler David Ghanim aus mehrheitlich muslimischen Ländern zusammengetragen hat (s. Sammelband “Gender and Violence in Islamic Societies”, 2013). Die Sozialstrukturen, die diese Gewalt hervorbringen, sind vielfach nach Europa verpflanzt worden, sodass man es einer deutschen Öffentlichkeit wohl kaum verdenken kann, wenn sie dem Islam tendentiell weniger Integrationsfähigkeit zutraut als anderen Religionen. Toprak macht übrigens konkrete Vorschläge, wie man solche toxischen Sozialstrukturen aufbrechen kann, sie sind in Deutschland jedoch kein Gegenstand der öffentlichen Diskussion.

Der Expertenkreis erwähnt Toprak nur kurz, um anzudeuten, das er nicht viel von ihm hält. Über Topraks Forschung und seine Vorschläge schweigt sich der Bericht aus. Dafür treibt den Expertenkreis etwas anderes um: Er möchte den Begriff des “Dschihad” differenzierter verstanden wissen, indem er ihn “in seiner primären islamisch-religiösen Deutung erläutert und die Instrumentalisierung des Begriffs durch Extremist*innen aufgezeigt wird.” Ein häufig gehörter Satz: Eigentlich habe der Dschihad mit dem militanten Kampf nichts zu tun, sondern bedeute Askese, Zügelung der Leidenschaften, Überwindung des Ego. Historisch gesehen ist das jedoch unzutreffend.

Wie die Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth gezeigt hat, meint Dschihad ursprünglich zwar tatsächlich das Ideal der Selbstüberwindung, bezeichnet aber schon in Medina den militärischen Kampf, wobei ihm das asketische Ideal weiter anhaftet. Es gibt also nicht eine Ur-Bedeutung einerseits und eine Instrumentalisierung des Begriffes durch heutige Extremisten andererseits, sondern Askese und Kampf sind schon zu Zeiten des Propheten ineinander übergegangen. Davon abgesehen kann man von einer deutschen Öffentlichkeit kaum erwarten, nach zahlreichen dschihadistischen Anschlägen in Europa über die Dimensionen des Begriffes Dschihad meditieren zu wollen. Der militante Dschihad ist der Dschihad, mit dem die Nichtmuslime es zu tun haben und als solcher ist er in der islamischen Geschichte verankert.

Die Parteinahme für den Islam im Abschlussbericht des Expertenkreises ist auch das Ergebnis von dessen personeller Zusammensetzung. Dabei wird keines seiner Mitglieder so häufig zitiert wie der Kommunikations- und Islamwissenschaftler Kai Hafez, nämlich an die sechzig Mal. Hafez war in der Vergangenheit wiederholt mit merkwürdigen Thesen aufgefallen, darunter der, “dass man ebenso wenig wie man das Judentum für die Handlungen Israels verantwortlich machen kann, den Islam als Erklärung für die Aktivitäten von Terroristen usw. heranziehen sollt“, womit er Israel in Analogie zu Terroristen stellte.

Seltsame Ansichten über den Islam

Wenn Hafez davon ausgeht, dass in der Geschichte die politischen Systeme der islamischen Welt „einen nahezu säkularen Charakter“ trugen, worin sie sich von den Staaten des Abendlandes nicht unterschieden, dann ist das doppelt falsch. Die Staaten des Abendlandes sind noch nicht sehr lange säkular (oder weitgehend säkular), der Säkularisationsprozess nahm in der Reformation seinen Ausgang und zog sich bis ins 20. Jahrhundert hin. Das Abendland hatte aber insofern einen Vorteil, als es seit dem Mittelalter zwischen kanonischem und römischen (profanen) Recht unterschied. Kirchenlehrer Ambrosius predigte schon im 4. Jahrhundert die „Freiheit und Selbständigkeit‟ der Westkirche von der Staatsgewalt.

Das hat keine Entsprechung im islamischen Kontext, wo alle Rechtskonkurrenz weitgehend verdrängt wurde. Naturrechts-vorstellungen gab es zwar, doch vermochten sie sich nicht durchzusetzen. Das Gewohnheitsrecht (ʿurf) wurde von der Scharia stark eingehegt, das yāsa oder yāsiq genannte Rechtssystem, das die Mongolen nach Annahme des Islam beibehalten hatten, blieb Episode. Die islamische Rechtslehre wiederum wurde zwar von einer Gelehrtenschaft ohne Weisung durch die Obrigkeit entwickelt und gepflegt, aber ihren Normen hatte sich selbst ein Kalif oder Sultan zu unterwerfen.

Der Kalif war immer nur Anführer der Gemeinde, der Sultan ein regionaler Herrscher mit religiöser Implikation. Der oberste Richter (qāḍī) mochte vom Sultan ernannt worden sein, doch musste sich auch dieser dem religiösen Gesetz unterwerfen, wie die Rechtsgelehrten es auslegten. Der Münsteraner Islamwissen-schaftler Norbert Oberauer betont, auch wenn es manchmal so scheine, als argumentierten die Rechtsgelehrten säkular, dies täusche, weil hinter jeder Argumentation eine Rückbindung an das Gottesbild steckt. Mit einem “nahezu säkularen Charakter” islamischer politischen Systeme ist es also nicht weit her. Der arabische Begriff ʿalmānīya für Säkularismus ist denn auch erstmalig 1828 als Übersetzung des französischen „laicisme“ belegt.

Doch zurück zum Bericht: Unter Verweis auf FAIR International e.V., eine in Köln ansässigen NGO, sollen im Jahr 2022 “Moschee-gemeinden in Deutschland durchschnittlich jede Woche Ziel eines Angriffs” geworden sein. Das wären also 52 Angriffe pro Jahr. Einmal abgesehen davon, dass FAIR möglicherweise befangen ist, weil die Organisation laut Angaben der NRW-Landesregierung der Islamorganisation Milli Görüş ((GMG) nahesteht, verzeichnet die von FAIR betriebene Monitoring-Seite lediglich zehn Angriffe für das Jahr 2022. Die Verfasserinnen und Verfasser der Studie haben die Zahl im Handstreich verfünffacht.

Ohne Zweifel gehört jeder Angriff auf eine Moschee, sei er noch so geringfügig, bestraft und sollte auf breite gesellschaftliche Missbilligung und Verurteilung stossen. Aber bei geschätzt 2800 Moscheen in Deutschland heisst dies, dass 2022 lediglich 0,36 Prozent von ihnen Ziel von Angriffen geworden sind. Selbst wenn es 52 gewesen wären, entspräche das nur einem Anteil von 1,86 Prozent. Auch wenn es eine Dunkelziffer geben mag, scheint dies eher zu bestätigen, dass Gewalt gegen muslimische Gebetshäuser ein verhältnismässig geringes Problem darstellt.

Zur Einordnung: Im selben Jahr 2022 wurden 41 antisemitische Vorfälle auf Synagongen in Deutschland gezählt. Das sind 31 % von geschätzt insgesamt 132 Synagongen und jüdischen Betsälen, die in Deutschland in einem einzigen Jahr zum Ziel von Attacken wurden – eine völlig andere Grössenordnung also. Als Jude lebt es sich in Deutschland deutlich gefährlicher denn als Muslim. Soviel Kontext sollte schon sein, wenn man Muslimfeindlichkeit anprangert. Es gibt auch noch andere Zahlen für Übergriffe gegen Moscheen, aber sie bleiben in jedem Fall hinter den für jüdische Gebetseinrichtungen weit zurück.

Es gibt auch gute Nachrichten

Die Verfasserinnen und Verfasser bemühen sich also, Skepsis gegenüber dem Islam als gegenstandslos erscheinen zu lassen und Muslimfeindlichkeit ein umso drängenderes Problem. Dabei wird mit zweierlei Mass gemessen. Einerseits warnt man vor “pauschalen Ängsten”, “Formen pauschaler Islamfeindlichkeit” und alle möglichen Arten von Pauschalisierungen, andererseits behauptet Expertenkreis-Mitglied Mathias Rohe im Interview mit seiner Alma Mater ganz pauschal, Muslime würden “seit 9/11 nur noch unter dem Blickwinkel ihrer Religion betrachtet.” Diese Aussage erstaunt. Werden, um einige Beispiele zu nennen, Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der Ex-Fussballer Sami Khedira oder die Schauspielerin Sibel Kekilli wirklich “nur noch” unter dem Blickwinkel ihrer Religion betrachtet?

Viele Behauptungen des Berichts über “unbewusste Voreinge-nommenheit” (unconscious bias) bewegen sich ausserdem im Bereich der Mutmassung, Beispiele für eine “strukturelle Benachteiligung” sind quantitativ eher gering. Eine Ausnahme bilden nur Frauen, die den Hijab tragen. Hier scheint es in grösserem Ausmasse Ausgrenzungserfahrungen zu geben, die im Bericht zu recht angeprangert werden. Obwohl die Fakten insgesamt kein wirklich düsteres Bild ergeben, fordert der Expertenkreis “rassismuskritische, diversitäts- und religionssensible Fort- und Weiterbildungen für Mitarbeitende von staatlichen Einrichtungen“, eine Pflichtquote für Muslime (“bindende Zielvorgaben”) und dergleichen mehr.

Bleibt noch die Frage, wie es eigentlich mit offen geäusserter Muslimfeindlichkeit aussieht. Befragt, was ihre Erfahrungen mit dieser in Deutschland sind, berichten jedoch nur etwa sechs Prozent der befragten Muslime, dass sie mehrmals monatlich Beleidigungen und Beschimpfungen erlebten, 27 Prozent haben diese Erfahrung einmal gemacht – wobei der Zeitraum nicht näher eingegrenzt wird, die Erfahrung kann also auch vor zwanzig Jahren gemacht worden sein – und: “Mit einem Anteil von zwei Dritteln war die große Mehrheit nach eigenen Angaben noch nie Beleidigungen und Beschimpfungen ausgesetzt.

Das heisst, dass für 93 Prozent der Muslime persönliche Beleidigungen und Beschimpfungen im Alltag keine oder praktisch keine Rolle spielen. Auch wenn es sicherlich wünschenwert wäre, dass dies hundert Prozent von sich sagen könnten, so liegt auch hier der Schluss nahe, dass Muslimfeindlichkeit im Alltag die seltene Ausnahme, nicht die Regel ist. Jedenfalls scheint sie geringer als der Expertenkreis glauben machen möchte. Oder wie Mathias Rohe im Interview sagt: “Wir haben schon viel gute Normalität, die viel zu häufig nicht gesehen wird.”

Das hätte ein vortrefflicher Schlussatz für den Bericht sein können.


Nachtrag 12. Juli 2023

Nun gibt es auch eine Doktorarbeit aus der Soziologie zum Thema (gratis zum Download): “Muslim*innen- und Islamfeindlichkeit: Zur differenzierten Betrachtung von Vorurteilen gegenüber Menschen und Religion” (2023).

Nachtrag 5. Februar 2024

Der Publizist Henryk M. Broder, über den die Studie behauptet, er habe sich “für eine uneingeschränkte Anwendung der Meinungsfreiheit stark[gemacht], während er Aufrufe zur Deeskalation und Rücksichtnahme offen verhöhnte“, hat vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in einer einstweiligen Anordnung gegen das federführende Bundesinnenministerium bewirken können, dass die entsprechende Passage gelöscht werden muss. In der Begründung des Gerichts heisst es: „Jedenfalls dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Staat verbietet es das allgemeine Persönlichkeitsrecht (…), sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen Bürger zu äußern, etwa eine von diesem vertretene Meinung abschätzig zu kommentieren“.

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