Wer die Täter waren

Es ist ja nicht so, dass die Deutschen sich zu ihrer Vergangenheit nicht bekennen würden. Es gibt ein Holocaust-Mahnmal, überall Stolpersteine und eine gewachsene Gedenkkultur an das unfassbarste aller Verbrechen. Bei all dem darf freilich nicht vergessen werden, dass es vornehmlich Deutsche waren, die den Holocaust zu verantworten haben.

Gewiss, nicht „die“ Deutschen, nicht alle Deutschen – aber Deutsche. Das wird gerne unter den Tisch gekehrt und so getan, als wäre Judenhass im Dritten Reich die Eigenschaft einer SS-Elite gewesen und sonst kaum der Rede wert. Man denke hier nur an den Fernsehdreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ von 2013.

Ganz en passant hatten die Macher der im Film gezeigten polnischen Widerstandsbewegung eine umso grössere Virulenz antisemitischer Einstellungen untergejubelt. In Polen hatte der Dreiteiler damals völlig zu recht für helle Empörung gesorgt.

Der deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel sollte die Fallstricke deutscher Vergangenheit eigentlich kennen, als er heute, am israelischen Yom Hashoah, die israelische Gedenkstätte Yad Vashem besuchte und, von dieser vorgeblich ergriffen, ins Gästebuch schrieb, nirgendwo sonst sehe man überdeutlich „zu wieviel Bösem Menschen fähig“ seien.

Es waren also Menschen, die Böses getan haben. Dabei waren wir in Deutschland schon einmal weiter, als nämlich der damalige Bundespräsident Roman Herzog zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag erklärt hatte:

„Aber die künftige Verantwortung der Deutschen für das ‚Nie wieder!‘ ist besonders groß, weil sich früher viele Deutsche schuldig gemacht haben.“

Herzog, der die Vorstellung von einer Kollektivschuld ablehnt, hatte das Kind beim Namen genannt: Es waren Deutsche, „viele Deutsche“, die sich „schuldig gemacht haben.“

Demgegenüber ist Gabriels Gästebucheintrag auch deshalb so jämmerlich, weil der Deutsche Bundestag im vergangenen Jahr jenen selbstgerechten Antrag zum Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten 1915/16 beschlossen hat, in dem es explizit heisst, „die türkische Seite“ solle  ermutigt werden, sich mit den damaligen Vertreibungen und Massakern offen auseinanderzusetzen.“

Also, den Genozid an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten haben explizit Türken verübt, die von den Deutschen freundlicherweise ermutigt werden, sich damit auseinanderzusetzen – den Zivilisationsbruch der Judenvernichtung hingegen irgendwelche „Menschen“. Genausogut könnten es Ausserirdische gewesen sein. Noch nicht einmal den Holocaust nennt Gabriel beim Namen, raunt nur von „Leid, das über andere gebracht wurde.“

Mit dem Holocaust-Mahnmal im Rücken kann man es sich offenbar leisten, den Bezug zur eigenen Geschichte unter den Teppich zu kehren. Zu benennen, wer die Täter waren, sollte ein deutscher Aussenminister die Eier haben. Wie gesagt, wir waren schon einmal weiter.


Nachtrag 25.04.2017

Das wird ja immer toller. Jetzt will Gabriel sich auch noch mit ultralinken Gruppen in Israel treffen, was Netanjahu aber nicht mitmacht.

Röttgen, der als Umweltminister total komplett gescheitert ist und uns jetzt als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses die Welt erklären möchte, wird von der Nachrichtenagentur Reuters mit den Worten paraphrasiert, dass

Israel was profiting from tensions elsewhere in the region, which had shifted the focus away from the Israeli-Palestinian issue, and in-fighting among Palestinians.

Mit anderen Worten: Sein Verständnis vom Nahen Osten ist illusionär und weltfremd.

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