Die Vernichtung der europäischen Juden

Der Journalist Kazimierz Sakowicz notierte als Augenzeuge des Massenmordes an den litauischen Juden in Ponary bei Wilna im August 1941: „Für die Deutschen bedeuten 300 Juden 300 Feinde der Menschheit, für die Litauer sind es 300 Paar Schuhe, 300 Hosen usw.‟ Die Vernichtung der europäischen Juden als “Feinde der Menschheit” wurde zu einem einzigartigen Verbrechen, weltweit unter dem Begriff “Holocaust” bekannt.

Abb. Mahnmal für die ermordeten Juden Hannovers (2019)

Seymour Itzkoff schreibt in seinem dreibändigen Werk Who are the Jews? (2006, Bd. 3) worin die Einzigartigkeit besteht: „The uniqueness of the Holocaust lies in the reality that it took place in one of the most advanced nations of the world. The infrastructure of modernity, bureaucracy, transportation, communications, armaments, were thus easily coopted. The „Good German‟ bureaucrats tacitly obeying under the aegis of the Nazi overlords recorded the horror in almost unbelievable detail.“

Der Blick der Menschheit heute sollte weniger auf die Täter gerichtet werden als auf die Opfer, zu denen in erster Linie die Juden zu nennen sind. Sie waren Freunde, Verwandte, Nachbarn, Kollegen und wurden zusammengetrieben und schliesslich vernichtet für nichts und wieder nichts. Der Schriftsteller und Nobelpreisträger Elias Canetti, selbst Jude, notierte 1943 aus dem Londoner Exil: „Ich kann keine Landkarte mehr sehen. Die Namen der Städte stinken nach verbranntem Fleisch.“

Juden aber haben auch Widerstand geleistet. Im selben Jahr, als Canetti seine Notiz machte, kam es im Vernichtungslager Treblinka zu einem Aufstand von etwa eintausend zur Vernichtung bestimmten Gefangenen und dauerte drei Stunden. Viele der Aufständischen konnten fliehen, manch einer überlebte den Krieg. Dieser Aufstand ist kein Einzelfall. Der Publizist Arno Lustiger hat viele Jahre lang über den jüdischen Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geforscht.

Nach dem Aufstand schlossen die Nazis das Lager. Als der Krieg vorüber war, wurde das ganze Ausmass ihrer Vernichtungsmaschinerie über Treblinka hinaus für alle Welt offenbar. Am 27. Januar gedenken wir des Holocaust, weil es Menschen waren, die allein für das, was sie waren, ermordet wurden. Die wahren Feinde der Menschheit, das waren die Täter und die politische Kultur der Bundesrepublik hat mit vollem Recht der Geschichte diese niemals zu vernachlässigende Unterscheidung zu ihrem ehernen Fundament gemacht.

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