Das chinesische Zeitalter 中国时代

Plastiktüten! CO2! Schere zwischen Arm und Reich! Sozialismus! Enteignung! Umverteilung! Egal, welchen Fernsehsender man einschaltet, welche Zeitung man in die Hand nimmt, dauernd werden einem diese Themen um die Ohren gehauen. Von einem allgemeinen Kulturpessimismus zu reden, wäre zwar übertrieben, aber ein Wohlstandsüberdruss hat sich allenthalben breitgemacht.

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Die Seifenblasen des Wachstumskritikers

Im Jahre 2050, so erträumt es sich der Sozialpsychologe Harald Welzer, werde es keinen Kapitalismus mehr geben, denn der habe sich mit seinen umfänglichen Privatisierungen als historisch “grösster Fehler” herausgestellt, “den man überhaupt begangen hat in der Moderne.” In Welzers Utopie werden weite Bereiche lokalwirtschaftlich mit lokalen Währungen organisiert sein. Wettbewerb und Wachstum gehören der Vergangenheit an.

Die entscheidende Frage, die Welzer allerdings nicht stellt, lautet: Soll diese Gesellschaftsordnung mit oder ohne Zwang erreicht und aufrechterhalten werden? Denn ist sie das Resultat von Freiwilligkeit und Eigeninitiative, dann unterscheidet sie sich nicht wesentlich von der heutigen Gesellschaftsordnung, wie sie in den westlichen Ländern vorherrscht, deren Haupteigenschaften Freiheit und Pluralismus sind. Eine bestimmte Form des Wirtschaftens ist hier nicht vorgeschrieben, solange sie nicht auf eine Diktatur hinausläuft. Will Welzer hingegen die von ihm präferierte Wirtschaftsordnung von oben verordnen lassen, dann ist er nolens volens Verfechter einer kommunistischen Diktatur.

Welzers Mangel an Logik zeigt sich auch in seiner Forderung nach einer Wirtschaft ohne Wachstum. Seine Beispiele für eine solche Wirtschaftsordnung beweisen in Wahrheit nämlich nur eines: Welzer ist sehr wohl für Wachstum, nur eben auf anderen Gebieten als denjenigen, auf denen heute gewirtschaftet wird. Im wesentlichen handelt es sich bei den Beispielen, die er nennt, durchweg um Dienstleistungen zur verbesserten Effizienz in der Ressourcenverwertung, sprich: zur Stärkung der Nachhaltigkeit. Auch das ist nichts, was zur heutigen Wirtschaftsordnung in irgendeiner Weise im Widerspruch stünde – es sei denn, ein staatlicher Zwang sorgte für die Begrenzung wirtschaftlicher Tätigkeit auf diesen Sektor. Dann wären wir wieder bei der kommunistischen Diktatur gelandet.

Man kann es daher drehen und wenden wie man will: Entweder ist Welzer ein Apologet der herrschenden Gesellschaftsordnung (und weiss es nicht), oder er ist Befürworter einer DDR 2.0 (und weiss es ebenfalls nicht). Zwischen Freiheit und Unfreiheit gibt es jedenfalls kein Drittes. Der Traum des Wachstumskritikers entpuppt sich als Seifenblase, die an der Freiheitsfrage zerplatzt.

[Aus dem Archiv.]

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