Woher der Hass der Islamischen Republik auf Israel kommt

Khomeini hatte immer auch Israel im Visier. Er glaubte, die Juden verfolgten das Ziel. den Islam zu vernichten, um eine eigene Weltherrschaft zu errichten, der es zuvorzukommen galt. In dem libanesischen Schiitenführer Imam Musa Sadr fand Khomeini den Vordenker einer schiitischen Achse, deren langfristiges Ziel die Eroberung Jerusalems sein sollte.

Safavid tile panels, Iran, Probably“/ CC0 1.0

Auch wenn eine religiöse Rhetorik allzu oft wirtschaftliche Interessen verdeckt, heisst das nicht, dass sie nicht ernstzunehmen wäre. Wie heisst es doch in Umberto Ecos Roman “Der Friedhof von Prag”: “Die Menschen tun das Böse nie so vollständig und begeistert, wie wenn wie es aus religiöser Überzeugung tun.” Die Islamische Republik gibt davon beredtes Zeugnis.

Es gibt eine reiche Literatur schiitisch-eschatologischer Schriten, die sog. Ǧafr-Literatur, die sich den Vorzeichen des Mahdī (ʿalāmāt al-ẓuhūr) widmet. Das Erscheinen Mahdī, wörtlich: des “Rechtgeleiteten”, bedeutet im schiitischen Glauben den Anbruch der Endzeit. Zuvor soll es in Grosssyrien (bilād al-šām = Das Gebiet des heutigen Syriens, Libanons und Palästinas) zu blutigen Kämpfen kommen, die in einer Schlacht um Jerusalem kulminieren.

Einer der beiden Gegenspieler des Mahdī ist der Daǧǧāl, der auf einem Esel reitend aus dem Osten kommt. Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass er Jude ist, darunter seine Herkunft aus Yahūdiyye, dem jüdischen Viertel Isfahans. Der Begriff Daǧǧāl selbst stammt aus dem Aramäischen (vgl. Mt. 24,24) und findet sich nicht im Koran. der Daǧǧāl soll auf seiner Stirn das Wort „Ungläubiger“ (kāfir) tragen.

Der andere Gegenspieler des Mahdī ist der Sufyānī, der seine Streitkräfte in Syrien sammeln werde, um in die Schlacht um Jerusalem zu ziehen, wobei er an der Seite der zionistischen und westlichen Kräfte stehen wird. In den schiitischen Schriften kommen die Adjektive “zionistisch” und “westlich” natürlich nicht vor, dort ist vielmehr von ar-Rūm die Rede, womit Ost-Rom (Konstantinopel) gemeint ist, das aber im schiitischen Verständnis stellvertretend für die europäischen Länder, sowie Amerika und Israel steht.

Antichrist sitting on Leviathan“/ pdm 1.0

Der lange Schatten der Safawiden

Das erklärt freilich noch nicht, warum die Herrscherriege der Islamischen Republik derart aggressiv gegen Israel vorgeht, anstatt auf die Wiederkehr des Mahdī zu warten. Um dies zu verstehen, muss man sich das historische Vorbild des heutigen Schiitenstaates ansehen, denn schon der erste Schiitenstaat auf iranischem Boden war von Intoleranz und Grausamkeit geprägt, gepaart mit missionarischem Anspruch.

Mit dem Ende der Mongolenzeit im 15. Jahrhundert hatten chiliastische Bewegungen erheblichen Auftrieb erfahren. Auch die Safavidendynastie ritt auf dieser Welle, wenngleich ihr Ahnherr kein Schiit war. Dessen Ur-Urenkel Scheich Haidar hatte eine Gruppe von gewaltbereiter Glaubenskriegern um sich geschart, die nicht iranischer, sondern türkmenischer Abstammung waren und mit deren Hilfe Haidars Sohn Ismail sich zum Herrscher über Iran aufschwang.

Nachdem Ismail seinen Gegner Shaibānī Khān 1510 auf dem Schlachtfeld getötet hatte, spornte er seine Glaubenskrieger dazu an, die Leiche seines Gegners kultisch zu verspeisen. Dessen Schädel liess er in Gold fassen, um ihn als Trinkgefäss zu benutzen, während er die Kopfhaut ausstopfen liess und als Geschenk an den Mamlukenhof nach Kairo, nach einer anderen Version an den Osmanensultan Bāyazīd II. sandte.

Ismail betrachtete sich selbst als Mahdī, seine Anhänger zogen mit dem Ruf in die Schlacht, sich für ihren Meister aufopfern zu wollen. Der Anspruch, das zwölferschiitische Bekenntnis zu verbreiten,. musste zu einem Konflikt mit den Sunniten führen. Ismails Sohn und Nachfiolger Tahmasp war daher gut beraten, zunächst seine Macht zu konsolidieren, weshalb er die Iraner zur Schia bekehrte. Zu diesem Zweck holte er sich schiitische Gelehrte an seinen Hof, darunter solche aus dem Südlibanon.

Nach einer Phase der Konsolidierung und infolgedessen relativer Toleranz wurde der Kampf gegen abweichende Strömungen wie den Theosophen wiederaufgenommen. Dabei wurden die Rechtsgelehrten immer selbstbewusster, bis sie so einflussreich wurden, dass selbst der Schah ihrem Eifer nachgeben musste. Höhepunkt dieser Entwicklung war eine Säuberungswelle unter Mohammed Baqer Majlesi (gest. 1700), der Andersdenkende unterschiedlichster Strömungen zum Opfer fielen.

“Jeder Tod war für das System eine Stärkung”

Nach einem Rückschlag durch Nader Schah, der die Vorherrschaft des schiitischen Klerus zu brechen versuchte, formierte sich dieser im Exil im Zweistromland (Irak) neu, wohin später auch Khomeini ausweichen wird. Im 18. Jahrhundert verbünden sich die Kleriker mit Grundbesitzern und Kaufleuten, wie es auch für die spätere Islamische Republik charakteristisch ist. Im Irak hat die neue schiitische Orthodoxie ihren innerschiitischen Gegnern den Todesstoss versetzt.

Hier, in den “Schwellen” genannten schiitischen Schreinen gründete Aqa Mohammed Behbehani seine “mir-ghadab” (Herren des Zorns) genannte Schlägertruppe, die auf offener Strasse mit Waffengewalt gegen Andersgläubige vorging. Der namhafte Kleriker Scheich Ebrahim Zanjani (gest. 1928) notierte Anfang des 20. Jahrhunderts, dass in Nadschaf (einer der “Schwellen”) die wichtigsten Glaubenselemente des Islam mittlerweile jegliche Bedeutung verloren haben.

Stattdessen, so Zanjani, beziehen die Schiiten die Attribute Gottes auf sich selbst. Indem sie sich gottgleich machen, werten sie andere Glaubensrichtungen ab und schaffen für sich einen “Grund für Priviligien und die Überlegenheit einiger Menschen gegenüber den anderen.” Zusammen mit dem missionarisch-chiliastischen Fundament, auf dem der heutige Mullahstaat beruht, erwächst daraus ein beständiger Kampf gegen äussere Mächte zur inneren Stablisierung.

porträtt, islam, dräkt, Mollah, fotografi, photograph“/ CC0 1.0

Fünfzig Jahre nach Zanjani, im April 1979, nachdem der Schah das Land für immer verlassen hatte, waren kamen schwarzgewandete Bärtige mit Turbanen zu Hunderten in Teheran zusammen, um mit Messern, Ketten und Latten gegen ihre innenpolitischen Gegner loszuschlagen. Ihr Anführer war Khomeini, der schon 1971 einen Plan zur Erlangung der islamischen Weltherrschaft ausgearbeitet hatte.

Die Schwarzgewandeten mit den Bärten und Turbanen waren keine Gelehrten, sondern stammten aus dem kriminellen Milieu Teherans und bildeten mit der Ausübung roher Gewalt den vorläufigen Höhepunkt eines neuzeitlichen iranisch-schiitischer Fanatismus. Die Neigung zur rohen Gewalt nach innen und zum militärischen Kampf nach aussen, vor allem gegen Israel, speisten sich beide aus demselben chiliastische Bewusstsein.

Schon die erste Generation der Revolutionswächter (Pasdaran) trainierte in libanesischen Palästinenserlagern, wie auch iranische Revolutionswächter später gegen Israel im Libanon kämpften. Gleich nach der Revolution ging Jassir Arafat nach Teheran und erhielt von Khomeini zum Dank für seine Unterstützung Geld und Ausrüstung. Tote in den eigenen Reihen wurden dabei klaglos hingenommen. „Jeder Tod war für das System eine Stärkung, und sie feierten ihn als Bestätigung ihrer Macht“, resümiert der iranische Korangelehrte Reza Hajatpour.

Die Zerstörung Israels als Teil der politischen DNS

Doch stablisieren lässt sich das Regime nicht, dazu ist diese Form der Religiosität zu wenig in der lebensfreudigen iranischen Gesellschaft verwurzelt. Die klassische persische Literatur ist voller Liebesmotive, der Genuss von Wein, Gesang und Tanz ist aus der persischen Kultur nicht wegzudenken. Die Religiosität in Iran (als es sie noch gab) war eher eine Volksreligiosität, in der schiitisch-islamische Elemente sich mit vorislamischen verschmolzen.

Das iranische Nationalbewusstsein bezieht sich vornehmlich auf mythische Helden wie Kayumars, Mazdak, Anushiravan und Kaveh Ahangar, die mit dem Islam oder der Schia nichts zu tun haben. “Kaveh” hiess auch die Zeitschrift, die Anfang des 20. Jahrhunderts der grosse Gelehrte Sayyid Hossein Taqizadeh (1878-1970) in Berlin herausgab und die eine ehrgeizige Modernisierung des Landes propagierte. Für Taqizadeh wie für viele säkulare Intellektueller seiner Zeit lag die Zukunft des Landes in einer Anbindung an Europa, nicht in einer Abkehr von ihm.

Mehr als einhundert Jahre später, 1959, sollte ein Ajatollah Boroujerdi in Fatwas (Rechtsgutachten) gegen moderne Erscheinungen wie Radio, Fernsehen und Pepsi Cola hetzen. Boroujerdi hatte einige Jahre zuvor eine tragende Rolle bei der Verfolgung der Baha’is gespielt. Zahlreiche schiitische Klerikerschlossen sich seinem Kampf gegen den Schah an, als dieser sein Land an Israel annäherte. Heute hat sich die islamische Republik im “Marsch über Kerbela bis nach Jerusalem” die Zerstörung Israels auf die Fahnen geschrieben.

Der Hass auf Israel ist Teil der politischen DNS der Islamischen Republik. Diese kann nicht reformiert werden, weil eine allmächtige, etwa zweihundert Familien umfassende Herrschaftskaste, die die Wirtschaft und den Sicherheitsapparat kontrolliert und das Monopol auf die religiöse Legitimation ihrer eigenen Herrschaft hat, jegliche Revormversuche ab absurdum führt und nur an der Oberfläche zur Täuschung einer westlichen Öffentlichkeit erlaubt.

Solange das Regime an der Macht ist, wird es seine politischen und militärischen Ressourcen gegen Israel verwenden, auch wenn dies zu Lasten der eigenen Bevölkerung geht. Die iranische Bevölkerung, die schon vor mehr als zwanzig Jahren erkannt hat, dass sich die Islamische Republik nicht von innen heraus verändern lässt, wird dem Regime früher oder später ein Ende setzen und gegen eine liberale Demokratie (wahrscheinlich im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie) eintauschen.

Bis dahin muss mit einer fortgesetzten Feindseligkeit der iranischen Machthaber gegenüber dem Westen im allgemeinen und Israel im besonderen gerechnet werden.


Ausgewählte Literatur

Danesch, Mostafa. 2002. Wer Allahs Wort missbraucht: Krisenherd islamische Welt. Hamburg: Hoffmann und Campe.

Fazeli, Nematollah. 2006. Politics of Culture in Iran. Anthropology, Politics and Society in the Twentieth Century. London und New York: Routledge.

Glassen, Erika. 1979. “Krisenbewusstsein und Heilserwartung in der islamischen Welt zu Beginn der Neuzeit”, in: Die islamische Welt zwischen Mittelalter und Neuzeit: Festschrift für Hans Robert Roemer zum 65. Geburtstag, hgg. von Ulrich Haarmann und Peter Bachmann. Beirut und Wiesbaden: Franz Steiner.

Hajatpour, Reza. 2005. Der brennende Geschmack der Freiheit: Mein Leben als junger Mullah im Iran. Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Ourghi, Mariella. 2008. Schiitischer Messianismus und Mahdī-Glaube in der Neuzeit. Würzburg: Ergon.

Zanjani, Scheich Ebrahim. 2000. خاطرات شيخ ابراهيم زنجانى به اهتمام غلامحسين ميرزا صالح . Teheran: Kavir.

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