Wo Baerbock und Habeck recht haben

Haben Aussenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck, beide von Bündnis 90/ Die Grünen, ein stilles Waffenembargo verhängt? Die Anschuldigung ist absurd und wurde von Baerbock und Habeck energisch zurückgewiesen. Was sie getan haben entspricht vielmehr deutschen Interessen.

Der Vorwurf, die Bundesregierung habe eine stilles Waffenembargo gegen Israel verhängt, wurde von der „Bild“-Zeitung in die Welt gesetzt. Wie die „Jüdische Allgemeine“ berichtet, waren es vor allem Politiker der Grünen, die Ausfuhrgenehmigungen von Waffen an Israel blockierten. Die Zeitung nennt auch den Grund: Offenbar haben Baerbock und Habeck Waffenlieferungen an die Bedingung geknüpft, dass die Regierung Netanjahu schriftlich erkläre, sie nicht für einen Völkermord zu verwenden.

Das finden manche absurd, schliesslich verübe Israel keinen Völkermord, weder im Gazastreifen noch im Libanon noch sonstwo. Zudem, so die Kritik, würde ein Staat, wenn er wirklich die Absicht habe, einen Völkermord zu begehen, sich wohl kaum an die Zusicherung halten, es nicht zu tun. Warum also die Zusicherung?

Die Antwort darauf war ebenfalls in der „Jüdischen Allgemeinen“ zu lesen: Die Bundesregierung fürchtet, dass Deutschland wegen seiner militärischen Unterstützung Israels vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Beihilfe zum Völkermord verurteilt werden könnte. Die entsprechende Klage war von Nicaragua eingereicht worden. Natürlich ist der Vorwurd absurd; niemand kann ernsthaft glauben, dass die israelische Regierung oder die Armeeführung einen Völkermord beabsichtigt.

Arabische Zivilisten werden von israelischen Waffen zwar nicht verschont, aber dies ist das Ergebnis der Tatsache, dass Terrororganisationen sich hinter zivilen Einrichtungen verschanzen und den Tod Unschuldiger nicht nur in Kauf nehmen, sondern provozieren. Die Frage ist nur, ob man sich darauf verlassen kann, dass der Strafgerichtshof dies genauso sieht. Darauf kann die Antwort nur lauten: Lieber nicht.

Die Grünen haben verstanden, dass eine schriftliche Zusicherung der israelischen Regierung, deutsche Waffen nicht gezielt gegen Zivilisten einzusetzen, der Bundesregierung einen Vorteil bei einer möglichen Verhandlung vor dem Internationalen Strafgerichtshof verschaffen kann, wenn es darum geht, den Vorwurf zu entkräften, Beihilfe zu einem Völkermord zu leisten. Dabei spielt keine Rolle, wie fadenscheinig der Vorwurf konstruiert ist. „Einen Misserfolg vor Gericht will man lieber nicht riskieren“, resümiert die „Jüdische Allgemeine“.

Politiker der Bundesregierung müssen hier einfach Vorsorge trefffen, wenn sie der Aufgabe, ihre Kraft „dem Wohle des deutschen Volkes“ zu widmen und einen Nutzen zu mehren, gerecht werden wollen. Dass wir Israel helfen – einem befreunden Staat, mit dem wir unsere zentralen Werte teilen –, ist eine Selbstverständlichkeit und schliesst militärische Hilfe ein. Die Bundesregierung darf jedochnicht vergessen, dass sie zuallerst ihrem eigenen Land verpflichtet ist.

Die vielgeschmähte Ampel-Koaltion, und hier vor allem Baerbock und Habeck, haben aussenpolitisch weitaus mehr Weitblick bewiesen als die Opposition von der CDU. Mittlerweile hat sich die Sache wohl geklärt. Die israelische Regierung hat erkannt, dass die von Deutschland verlangte Zusicherung kein Ausdruck des Misstrauens ihr gegenüber ist, sondern dazu dient, Deutschlands Position in einem möglichen Verfahren des Internationalen Strafgerichtshof zu stärken.

Ein stilles Waffenembargo ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil Deutschland der Ukraine beständig Waffen liefert. Warum sollte es da Vorbehalte gegenüber Israel geben? Tatsächlich hat die Bundesregierung in den vergangenen acht Wochen gegenüber Israel Rüstungexporte in Rekordhöhe genehmigt. Es gibt kein stilles Waffen-Embargo, die ganze Aufregung darüber ist ein Sturm im Wasserglas.


Nachtrag 23. Oktober 2024

Dass das angebliche stille Waffenembargo eine Erfindung der „Bild“-Zeitung ist, erkennt man auch daran, wie die Aussenpolitik der „Ampel“-Koalition im linken Teil des politischen Spektrums wahrgenommen wird, nämlich als einseitig pro-israelisch. So verurteilt die „taz“-Korrespondentin für Westasien, Julia Neumann, das Vorgehen des Kanzleramtes, Waffen gegen die blosse schriftliche Zusicherung ihres völkerrechtskonformen Einsatzes zu liefern, als „irrwitzig“ und fordert einen Exportstopp der Bundesregierung für Waffenlieferungen an Israel.

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