Der vor dreissig Jahren untergetauchte RAF-Terrorist Burkhard Garweg meldete sich mit einem langen Brief aus dem Untergrund zurück. Darin steckt der übliche Kultur-pessimismus, den wir auch bei der radikalen Rechten finden, wie auch bei Islamisten, und so geht es wie erwartet um Ausbeutung und Armut, Kapitalismus und Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeit.
Was die radikale Linke bislang aber immerhin von ihrem rechten Counterpart unterschied, war ihr Verhältnis zu Israel. Irgendwie hatte man sich dort einen Funken Verstand bewahrt, dass die Lehre aus Auschwitz nicht in einer Delegitimierung des jüdischen Staates münden könne (der seinerseits keiner Legitimierung durch Auschwitz bedarf, doch das ist eine andere Geschichte). Mit dem Brief von Garweg ist das vom Tisch.
In einem offenen Brief, den die „taz“ erklusiv veröffentlicht, prangert Garweg die NATO im allgemeinen und Deutschland im besonderen dafür an, die Maxime des „Nie wieder Auschwitz“ als Schlachtruf zu missbrauchen, um Menschen kaltblütig zu ermorden, was er primär auf Jugoslawien und Afghanistan bezieht, implizit aber auch auf Israel, solidarisiert er sich doch an anderer Stelle mit denen, „die gegen den Genozid in Gaza demonstrieren und gegen eine deutsche Regierung, die die Waffen dafür liefert.“
Die Hamas und ihr Massaker werden mit keiner Silbe erwähnt, ebensowenig das zerstörerische Treiben des Mullahregimes in der Region. In einer Welt, in der Bürgerlichkeit, Kapitalismus und strukturelle Gewalt die grossen Übel der Menschheit sein sollen, darf Israel keine Opferrolle zugestanden werden und bleiben die Mörder ungenannt. Garweg, der sich als Teil einer revolutionären Linken sieht, hält sich für progressiv und glaubt, für die Unterdrückten dieser Welt zu sprechen. Doch in Wahrheit legitimiert er lediglich den Terror der Hamas, wenngleich durch die Hintertür.
Dabei ist Garweg nicht etwa eine verwirrte Randgestalt seines politischen Milieus. Deutsche Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass er auf einen „erheblichen Unterstützerkreis in der linken Szene“ bauen kann. Anders wäre es auch kaum möglich, sich drei Jahrzehnte lang dem Zugriff der Polizei zu entziehen. Im Untergrund hat Garweg dann genug Zeit, sich mit linker Programmatik zu beschäftigen und über Gewalt zu meditieren, die offenbar nur solange ein Übel ist, wie sie sich nicht gegen Israel oder überhaupt den Westen richtet.
Man sieht: Von einem aus Kulturpessimismus sich speisenden, zur Gewalt neigenden Extremismus ist kein Heil für die Gesellschaft zu erwarten – möge sie auch noch sehr vorgeben, im Namen von Aufklärung oder Humanismus oder Freiheit zu sprechen. “Wenn Teufel ärgste Sünde fördern wollen, So locken sie zuerst durch Himmelsglanz‘”, heisst es trefflich in Shakespeares “Othello”. Am Ende eines jeden Extremismus steht doch nur die Barbarei.