Was JD Vance nicht versteht

Der amerikanische Vizepräsident JD Vance warnt von einem zivilisatorischen Selbstmord Europas, wenn es die irreguläre Migration nicht endlich eindämme. Er sitzt damit einem Mythos auf, den rechtskonservative, zum Verschwörungs-denken neigende Mileus in die Welt gesetzt haben.

„Migrant workers weed a field“ von U.S. Department of Agriculture/ CC0 1.0

Die rechtskonservative Verschwörungstheorie geht so: Eine europäische, von Selbsthass zerfressene Elite lässt als Busse für Kolonialismus, Rassismus und Holocaust („Schuldkult“) ungehindert Millionen von Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten einwandern, um eine multikulturelle, geschichts- und identitätslose Massengesellschaft zu errichten.

Niemand kann einfach ins Mittelmeer abgeschoben werden

In Wahrheit kann davon keine Rede sein. Dass man einer unregulierten, das Asylrecht missbrauchenden Masseneinwanderung einen Riegel vorschieben muss – ohne deshalb gegen Immigration im allgemeinen zu sein –, ist weitgehend Konsens in den Ländern Europas. Doch Europa ist hier gegenüber den USA im Nachteil. Das hat geographische Gründe.

Die südliche Grenze der USA endet zum Teil am Atlantik, zum Teil an Mexiko. Illegale (unautorisierte) Einwanderer wiederum kommen überwiegend aus Südamerika und vor allem aus Mexiko. Die USA können solche Menschen, die illegal ins Land gelangen oder ihre Visa überziehen, leicht über die Landgrenze abschieben. Sie sind dann der Obhut Mexikos überstellt – gleich ob sie Mexikaner sind oder Mexiko nur durchquert haben.

Europa kann das nicht. Das erste Hindernis: Südlich der euorpäischen Landgrenzen ist nur das Mittelmeer. Migranten in Busse zu setzen und sie über die Landesgrenze zu bringen, ist nicht möglich. Das zweite Hindernis: Südlich des Mittelmeeres gibt es nicht ein einziges Land, sondern fünf (Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten) und da irreguläre Migranten häufig Herkunft und Reiseroute verschleiern, muss mithilfe von Dolmetschern aufwendig festgestellt werden, woher die Menschen überhaupt kommen.

Auch Georgia Meloni ist gescheitert

Das australische Modell, Migranten gar nicht erst ins Land zu lassen, sondern während ihres Asylverfahrens auf einer Insel in Küstennähe unterzubringen, ist zweimal gescheitert. Die Kosten waren zu hoch und Abschiebungen gab es kaum welche. Italiens Georgia Meloni, die mit Albanien das australische Modell zu kopieren versucht, ist selbst im dritten Anlauf erfolglos geblieben.

Auch Zurückweisungen an der deutschen Landesgrenze, wie die CDU unter Friedrich Merz sie vorsieht, sind keine Lösung (von rechtlichen Einwänden ganz abgesehen). Dann werden Migranten nur immer weiter nach Süden abgeschoben, bis sie wieder in Italien, Griechenland oder auf Malta landen – dem jeweiligen ersten Land, auf dem sie europäischen Boden betreten haben –, die ihrerseits aber die Zuwanderer nicht ins Meer treiben können. Am Ende würden Italien, Griechenland und Malta ihre nördlichen Partner bitten, ihnen einen Teil der Zuwanderer abzunehmen und alles stünde wieder auf Anfang.

J.D. Vance und seine deutschen Claqueure mögen gern glauben, dass Europa im Begriff sei, aus Untätigkeit oder Unfähigkeit „zivilisatorischen Selbstmord“ zu begehen. Doch das Problem der irregulären Masseneinwanderung (die derzeit übrigens sinkt!) ist komplex, schwer zu lösen und bedarf vieler kombinierter Massnahmen. Populismus, also das Versprechen vermeintlich einfacher Lösungen, und Verschwörungstheorien heizen nur die Stimmung auf und sind demokratischer Politiker unwürdig.

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