Die islamische Welt dreht sich im Kreise – und westliche Intellektuelle applaudieren (III)

Während im Westen in einem langwierigen Prozess „die Steigerung des Sinngehaltes in der Geschichte zu einem völlig innerweltlichen Phänomen ohne transzendentale Einbrüche‟ (Eric Voegelin) geführt hat, hadern die islamischen Gesellschaften mit einer solcher Entwicklung. Will die islamische Welt wirklich zu Wohlstand und Stabilität gelangen, muss sie den ewigen Reformismus überwinden, muss die Autorität des Islam über alle Aspekte der Politik hinterfragen, dem Individuum zu seinem Recht verhelfen und sich zu einem gesellschaftlichen Pluralismus durchringen, der es möglich macht, abweichende Lebensstile und Weltanschauungen nicht nur in geschlossenen Zirkeln auszuleben.

Nur einmal hat es ernsthafte Ansätze gegeben, sich aus der Umklammerung durch die Religion zu lösen, wie dies während der sog. Nahḍa im 19. und frühen 20. Jahrhundert der Fall war, als eine Reihe arabisch-muslimischer (und nicht-muslimischer Intellektueller) unter Rückgriff auf die griechische Antike die Grundlagen der eigenen Gesellschaft und Kultur neu zu denken gewillt war. Es blieb ein Elitenprojekt und ist letztlich gescheitert, aber die Vertreter dieses Denkens haben den richtigen Weg gewiesen.

Und heute? Als die ägyptische Aktivistin Aliaa Magda Elmahdy mit Nacktaufnahmen von sich öffentlich gegen Patriarchismus und Intoleranz zu Felde zog, kündigte sie symbolstark dem Konformitätsdruck in ihrer Gesellschaft den Gehorsam auf und tat damit etwas, was ungleich revolutionärer war als all die Berge von totem Papier, die eine Vereinbarkeit von Islam und Vernunft verkünden, oder die ungezählten Stunden nutzloser Dialogveranstaltungen, die nur auf gegenseitiges Verstehen und damit Beharrung abzielen.

Elmahdy hatte für ihre Aktion einen hohen Preis zu bezahlen und lebt jetzt im schwedischen Exil. An den sozialen Verhältnissen hat sich nichts geändert. Davon kann erst die Rede sein, wenn individuelle Freiheit und Pluralismus Einzug in die islamischen Gesellschaften gehalten haben und der verworrene Knoten aus Religion und Politik durchschlagen wird. In westlichen akademischen Kreisen hingegen berauscht man sich noch immer an einer theologisch begründeten Vereinbarkeit von Islam und Moderne. Noch eine Tagung und noch ein Vortrag und noch ein Buch. Applaus, Applaus. Dann schreitet man zum Buffet. Es tut sich ja soviel in der islamischen Welt – nur, dass sie sich unablässig im Kreise dreht.

(Ende)

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