Die Deutsche Einheit, der Westen und die AfD

Unblutig verlaufen, ist sie ein Geschenk, die deutsche Einheit, die nicht hätte stattfinden können, wenn der Ostblock als ganzer nicht in sich zusammengestürzt wäre. Die Einheit verbindet Deutschland in besonderer Weise mit Osteuropa, zugleich stärkte sie die Westbindung. Deutschland in Europa und im Verein mit den transatlantischen Verbündeten ist ein politisches und wirtschaftliches Erfolgsmodell, das die AfD aufkündigen will.

„Reichstag building in Berlin, Germany“/ CC0 1.0

In rechtskonservativen Kreisen, also in der AfD und deren Umfeld, begeistert man sich schon länger für die Idee einer multipolaren Ordnung. Man könnte meinen, damit befürworte man ein starkes Europa, das sich zwischen den USA einerseits und Russland andererseits positioniert – doch das ist keineswegs gemeint.

Im Umfeld der AfD nämlich findet man den Gedanken reizvoll, Europa als ein blosses Anhängsel Asiens zu verstehen, als den westlichen Zipfel Eurasiens, womit die hierzulande übliche Blickrichtung verkehrt wird, obgleich Europas Wirtschaftsleistung diejenige Russlands um etwa das Zehnfache übersteigt.

In einem solchen Europa soll Deutschland eine Mittlerrolle gegenüber Russland einnehmen, wohlgemerkt: In einem Europa, das nur als Verlängerung Asiens gedacht wird. Implizit bedeutet das: Deutschland soll zu einem Vasall Russlands auf dem europäischen Kontinent werden, um dort russische Interessen durchzusetzen.

Noch nie so weltoffen, liberal und pluralistisch wie heute

Erstaunlicherweise finden viele in Deutschland diese Vorstellung so attraktiv, dass sie damit liebäugeln, der AfD ihre Stimme zu geben. In rechtskonservativen Kreisen hat man wenig übrig für Parlamentarismus, Gewaltenteilung, Rechtsstaat oder Wohlstand, vielmehr bewundert man die vermeintliche Spiritualität der Russen und ihrer orthodoxen Kirche, die fest mit der Idee der russischen Nation verwachsen ist.

Aus dieser Sehnsucht nach Spiritualität, die gegen Individualismus, Diesseitigkeit und Pluralismus und damit gegen alles gerichtet ist, wofür der Westen im allgemeinen und die USA im besonderen stehen, erklärt sich die Begeisterung in rechtskonservativen Kreisen für Russland und alles Russische. Es ist eine Sehnsucht nach dem autoritären Staat im Range eines Juniorpartners des Kreml. Wer das ernsthaft als Modell für Deutschland anstrebt, möge bei der nächsten Bundestags- oder Europawahl seine Stimme der AfD geben.

Wer hingegen noch einen Funken Verstand hat, wählt eine demokratische, bürgerliche Partei – und weiss zu schätzen, dass seit der Wiedervereinigung vor dreiunddreissig Jahren Deutschland noch nie so weltoffen, liberal und pluralistisch war wie heute. Ungeachtet aller gravierenden Probleme, die wir haben, ist die deutsche Einheit ein Grund zur Freude und eine Verpflichtung für die Zukunft. Herzlichen Glückwunsch dem ganzen Land!

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