Die schwarze Flut

Absurd erscheint uns die Vorstellung, wir kรถnnten eines Tages aufwachen und Deutschland wรคre verschwunden. Wer sollte Deutschland angreifen, wer sollte es auslรถschen? Hingegen ist die Angst, das eigene Land fรผr immer zu verlieren, in Israel allgegenwรคrtig. Der israelische Journalist Ari Shavit beschreibt es seinem 2013 erschienenen Buch «My Promised Land»:

โ€žOcean Seaโ€œ von Patrick Fore/ CC0 1.0

«For as long as I can remember, I remember fear. Existential fear. (โ€ฆ) I always felt that beyond the well-to-do exuberant and upper-miuddle-class lawns of my hometown lay a dark ocean. One day, I dreaded, that dark ocean would rise and drown us all. A mythological tsunami would strike our shores and sweep my Israel away.«

Shavit schrieb dies vor dem Hintergrund des Krieges 1967, aber seine Worte formulieren eine grundsรคtzlichere Angst: Sollten die Juden ihren Staat verlieren, kรถnnte es noch einmal zweitausend Jahre dauern, bis sie ihn zurรผckgewinnen. Die Wortwahl vom «dunklen Ozean» und «mythologischen Tsunami» ist nicht nur metaphorisch zu verstehen.

Die Parole der palรคstinensischen Islamisten war es immer, ein Palรคstina vom Fluss (Jordan) bis zum Meer (Mittelmeer) โ€“ min an-nahr ila l-baแธฅr โ€“ zu schaffen. Israel soll ins Meer getrieben werden, die maritime Wortwahl hat Tradition. Nicht ohne Grund nennt die Hamas ihre aktuelle Terrorwelle, die seit Bestehen des neuzeitlichen Staates Israel ohne Beispiel ist, «Operation al-Aqsa-Flut» (maสฟrikat แนญลซfฤn al-Aqแนฃฤ).

Israel feiert das Leben, die Hamas den Tod

Ihre Terroristen sind in Israel eingesickert um Massaker an Teilnehmern eines Musikfestivals zu verรผben und Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, abzuschlachten. Israels Prรคsident Izchak Herzog sagt: โ€žSeit dem Holocaust haben wir nicht mehr erlebt, wie jรผdische Frauen und Kinder, GroรŸeltern โ€“ sogar Holocaust-รœberlebende โ€“ in Lastwagen gepfercht und in die Gefangenschaft gebracht wurden.โ€œ Man muss sich das auf der Zunge zegehen lassen.

Wie oft muss man noch erklรคren, dass es den Islamisten, von der Hamas oder anderen Organisationen, nicht um Koexistenz, Menschenrechte oder eine materielle Verbesserung der palรคstinensischen Gesellschaft geht? Israel-Hasser sagen, die Palรคstinenser im Gazastreifen seien von Israel eingekesselt worden und hรคtten keine andere Wahl, als sich mit kriegerischen Mitteln zu wehren. Tatsรคchlich?

โ†’ Es ist die Hamas, die den Gazastreifen besetzt hรคlt.

โ†’ Es ist die Hamas, die sich weigert, Wahlen abzuhalten.

โ†’ Es ist die Hamas, die sich weigert, Israels Existenz unter welchen Bedingungen auch immer anzuerkennen.

โ†’ Es ist die Hamas, die mit stillschweigender Duldung Israels seit 2012 von Qatar mehr als eineinhalb Milliarden US-Dollar erhalten hat.

โ†’ Trotz der anhaltenden Feindseligkeiten der Hamas haben mehrere israelische Regierungen tausende von Arbeitsgenehmigungen fรผr Bewohner des Gazastreifens erteilt. Unter der Regierung Netanjahu erreichte die Zahl einen Hรถchstwert von 20.000.

โ†’ Zugleich hat Israel all die Jahre Elektrizitรคt, Lebensmittel und Hilfsgรผter in den Gazastreifen geliefert und Agrargรผter importiert.

Die Terroristen folgen der Logik von Nazis

Israel hat sich bemรผht, die eigenen Sicherheitsinteressen zu wahren und zugleich die Lage der palรคstinensischen Zivilisten ertrรคglich zu machen, wenn mรถglich sogar zu verbessern. Was also hat die «Operation al-Aqsa-Flut» zum Ziel, wenn nicht das Abschlachten von Juden als Selbstzweck, als Ausdruck puren Hasses? Wenn die Hamas behauptet, sie habe keine israelischen Zivilisten getรถtet, weil es keine israelischen Zivilisten gebe, dann entspricht das der Logik von Nazis.

Auch das ist nicht neu. Erinnert sich noch jemand an das Attentat vor der Discothek Dolphinarium in Tel Aviv vor 22 Jahren? Damals wurden 21 junge Israelische, viele im Teenager-Alter, von einer Abteilung der Hamas dahingemetzelt, unzรคhlige verletzt. Die Argumentation der Attentรคter: Es gibt keine israelischen Zivilisten, nur Besatzer.

Zweiundzwanzig Jahre spรคter werden in Kfar Aza vierzig Kleinkinder gefunden, denen Hamas-Terroristen die Kรถpfe weggeschossen haben. Das ist die Hamas, deren Anhรคnger in verschiedenen Stรคdten westlicher Lรคnder auf die Strasse gehen, Sรผssigkeiten verteilen und Freude รผber vergossenes jรผdisches Blut bekunden. So geschehen in Berlin, London, Sydney.

Die jรผdischen Opfer werden noch verhรถhnt, der Gegenschlag der israelischen Armee, der dazu dient, die Hamas zu entwaffnen und Zivilisten nach Mรถglichkeit zu verschonen, wird von den Sympathisanten des Terrors sofort ausgenutzt, um Israel zu dรคmonisieren.

Hier ist die historische Lektion: Die Anhรคnger Israels feiern das Leben, zeigen Empathie, auch fรผr die Zivilisten der anderen Seite. Die Anhรคnger der schwarzen Flut, also der Hamas und anderer Islamisten, feiern den Tod. Ihre Gesichter sind Fratzen des Hasses und der Schadenfreude.

Sie haben sich selbst entmenschlicht.


Nachtrag 13. Oktober 2023

In den Medien war bis gestern immer von vierzig enthaupteten Babys die Rede, als Quelle wurde meist der (oben verlinkte) Bericht von i24NEWS genannt. Daran gibt es insofern Zweifel, als offenbar nur einigen Babys die Kรถpfe abgetrennt, wรคhrend andere verbrannt wurden, wie N-TV meldet . Dass im Kibbutz Kfar Aza ein Massaker stattgefunden hat, bei dem auch Babys und Kleinkinder ermordet wurden, bleibt also eine Tatsache. Die Unschรคrfe in der anfรคnglichen Bwerichterstattung wurde jedoch von der iranischen Prpagandamaschinerie aufgenommen, um Zweifel daran zu sรคen, dass รผberhaupt Babys abgeschlachtet wurden.

Die rechtsextreme Teheraner «Kayhan», Sprachrohr von Khamenei, hat daraus sogleich eine Titelgeschichte gestrickt (s. Bild), in der sie Israel der Lรผge bezichtigt. Ihre Hauptquelle ist ein linker israelischer Journalist namens Oren Ziv, der allerdings nicht grundsรคtzlich bestreitet, dass in Kfar Aza ein Massaker stattgefunden hat:, und an anderer Stelle schreibt: «The scenes in the kibbutz are indeed extremely difficult. Much of it has been destroyed; mostly the youth living quarters. (โ€ฆ) Many were killed in their beds, or as they were just waking up. The breach in the gate from which the Palestinians entered hasnโ€™t been repaired, and a trail of burned vehicles, weapons, bodies, and personal belongings show the path that the attackers took inside the village.»

Davon abgesehen haben offizielle israelische Stellen nie von vierzig enthaupteten Babys gesprochen. Derlei Behauptungen gehen allein auf einen Bericht von i24NEWS zurรผck, wie auch im «Kayhan» (Teheran)-Artikel zu lesen ist, der jedoch in der รœberschrift fรคlschlich behauptet, «Israel scheitert auf dem Schlachtfeld und greift auf gefรคlschte Nachrichten und Kindestรถtungen zurรผck«. Wenn jemand lรผgt, dann ist es also die Teheraner «Kayhan».

Gestern teilte die «Jerusalem Post» mit, sie kรถnne aufgrund verifizierter Fotos die Berichte von «babies being burnt and decapitated in Hamas’s assault on Kfar Aza» bestรคtigen.

Nachtrag 14. Oktober 2023

Die «Times of Israel» zitiert Yossi Landau, einen Augenzeugen am Tatort Kibbutz Beโ€™eri, wo die Hamas ein Massaker angerichtet hat, mit den Worten: โ€œThe 20 children we saw in Kibbutz Beโ€™eri was beyond terrible. [The terrorists] had bound their hands behind them. Abused them terribly. And simply put them one on top of the other and burned them. How can you do such a thing?โ€

Dass die Hamas es gezielt auf Zivilisten abgesehen hat, zeigen u.a. zwei Videos, die anzuschauen man starke Nerven haben muss (das erste habe ich mir nur zum Teil ansehen kรถnnen, weil es zu schrecklich ist): 1 โ€“ Ein Terrorist drischt (Warnung!) mit einer Hacke auf einen schwerverletzten Zivilisten ein und brรผllt dabei mehrfach «Allahu Akbar». 2 โ€“ Bilder von blutรผberstrรถmten Toten, die wahllos in einem Kibbutz niedergemetzelt wurden.

Nachtrag 29. Oktober 2023

Kann man die Hamas mit den Nazis, das Massaker vom 7. Oktober mit dem Holocaust vergleichen? Die «Times of Israel» hat Fachleute befragt. Ihr Tenor: Ein Ja im ersten Fall, ein Nein im zweiten. โ€œThe comparison to the Holocaust is inappropriate. The enemy is different, we are different, yet the venom is the same,โ€ wird Prof. Michael Berenbaum von der American Jewish University in Kalifornien zitiert.

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