Die Ukrainer nicht ihrem Aggressor ausliefern

Es ist gut, dass die Ukraine in Deutschland breite Unterstützung geniesst. Lediglich eine Minderheit am äusseren rechten und linken Rand der Gesellschaft betreibt eine Umkehr von Tätern und Opfern und möchte die Ukraine ihrem Angreifer ausliefern. Aber diese Minderheit könnte wachsen.

„Devastation in Bucha, Ukraine“/ CC0 1.0

Jedenfalls verheisst die Petition der Zeitschrift „Emma“ nichts Gutes. Der Zynismus und Narzissmus des Aufrufs sind das eine. Die Publizistin Alice Schwarzer und die Politikerin Sahra Wagenknecht (Linkspartei), die Initiatorinnen des Aufrufs, fabulieren dabei von einer Äusserung, die der amerikanische Generals Mark Milley gemacht haben soll, wonach die Ukraine gegen die grösste Atommacht keinen Krieg gewinnen könne, eine Pattsituation herrsche und der Krieg nur am Verhandlungstisch beendet werden könne.

Tatsächlich hat Milley klar und deutlich gesagt, dass die Ukraine nur aus einer Position der Stärke heraus verhandeln könne und es deswegen den Druck auf die Russen aufrechterhalten solle, denn: „Du willst zu einem Zeitpunkt verhandeln, in dem du stark und dein Gegner schwach ist.“ Das ist nun so ziemlich das Gegenteil dessen, was Schwarzer und Wagenknecht behaupten. Bedeutender jedoch ist etwas anderes

„Emma“ nämlich ist politisch im linksliberalen Bereich angesiedelt. „Emma“ ist nicht „Junge Welt“, ist nicht „Compact“, nicht „Konkret“ oder „Sezession“, sondern gehört eher mehr als weniger zur Mitte der Gesellschaft. Indem die „Emma“-Petition den deutschen Bundeskanzler Scholz und nicht den russischen Präsidenten Putin aufruft, „die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen„, will sie de facto die Ukrainer ihrem Aggressor ausliefern.

„Emma“ schlägt hier ein Brücke zur radikalen Linken wie auch zur Rechten. Wie die ticken, hat die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Amira Mohamad Ali, in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ vorgemacht, wo sie allerhand Sonderbares von sich gab. Da beklagte sie, Waffen hätten noch nie für Entspannung gesorgt und dass es in der Ukraine um einen Waffenstillstand gehen müsse und man gegen eine Atommacht Russland nicht gewinnen könne. Dem gilt es Fakten entgegenzuhalten:

  • Ziel der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine ist nicht die Entspannung, sondern die Ukrainer in die Möglichkeit zu versetzen, sich gegen ihren Aggressor zu verteidigen.
  • Gegen Krieg zu sein, heisst nicht gegen Selbstverteidigung zu sein. Ein Ende des Krieges liegt allein in der Hand von Wladimir Putin, der diesen Krieg nicht führen muss, sondern ihn von jetzt auf gleich beenden könnte, wenn er denn wollte.
  • Von der Behauptung, 1.) die Ukraine habe einen Angriff auf Russland geplant, über 2.) die Ukraine werde von Nazis geführt, und 3.) die Ukraine habe einen Genozid im Donbass begangen, bis zu 4.) die Ukraine versuche Russland mit Biowaffen anzugreifen, hat der Kreml einer Weltöffentlichkeit gegenüber die abenteuerlichsten Behauptungen geliefert, um die eigene Aggression zu rechtfertigen. Dies zeigt, dass Putin gewillt ist, unter allen Umständen den Krieg fortzuführen. Folgerichtig hat er über seinen Pressesprecher Peskov verlautbaren lassen, dass Russland nur in Verhandlungen eintreten werde, wenn die Ukraine sämtliche russischen Forderungen zu erfüllen bereit ist.
  • Eine Eskalation des Krieges erfolgt weder von ukrainischer noch von westlicher Seite. Die Ukraine wird von der NATO allein zu dem Zweck aufgerüstet, einem zunehmenden Vernichtungspotential russischer Truppen standhalten zu können (wie es in einem Bericht der RAND Corporation heisst: „Western assistance continues to be calibrated in response to Russian actions …„)
  • Indem Putin Abertausende – vor allem Asiaten, Kaukasier und verarmte Russen – für einen sinnlosen Krieg als Kanonenfutter auf dem Schlachtfeld verheizt, stellt er zugleich die grösste Bedrohung für Russland selbst dar.
  • Putin ist ein zynischer Machthaber, der seine schützende Hand über das antisemitische Teheraner Mullahregime hält und sich im Gegenzug dessen militärische Unterstützung sichert. Damit ermöglicht er zugleich den Mullahs, die Ukraine als Testgebiet für eigene Waffenentwicklungen zu nutzen.

Im Umfeld von „Emma“, Linkspartei und AfD hingegen will man, vorgeblich besorgt um das Schicksal der Ukraine, das Land daran hindern, sich selbst zu schützen. Das ist ein völlig anderer Ansatz: Die Ukraine soll aus einer Position der Schwäche heraus mit Russland verhandeln und sich am Ende darauf verlassen, dass dieses Gnade und Milde walten lässt. Es steht zu hoffen, dass diese Menschenverachtung, die im Gewand der Humanität daherkommt und daher besonders abstossend ist, keinen grösseren Anklang in der Mitte der Gesellschaft findet.


Nachtrag 18. Februar 2023

Die „New York Times“ berichtet (zitiert nach „Times of Israel“), dass Iran seine Luftwaffe aus russischen Beständen aufrüstet. Zuvor hatte Iran erhebliche Waffenlieferungen an Russland geleistet. Die in der südlichen Provinz Hormozgan befindliche Luftwaffenbasis ist nach iranischen Angaben ausgelegt für Kampfflugzeuge mit Langstreckenraketen.

Nachtrag 19. Februar 2023

Ein Leitartikel im aktuellen „Spiegel“ unter dem Titel „Sprücheklopfer für den Frieden“ nimmt die Forderungen der Publizistinnen Wagenknecht/ Schwarzer sowie des Philosophen Jürgen Habermas nach einem Stopp der westlichen Rüstungslieferungen auseinander und resümiert: „Es ist ein Privileg der Deutschen, darüber zu debattieren, wie weit man sich in diesen Krieg hineinbegeben will. Die Ukrainerinnen und Ukrainer haben dieses Privileg nicht.

Nachtrag 21. Februar 2023

(Zwei Absätze über eine RAND-Studie wurden gestrichen, da sie missverständlich waren und nur als Beispiel dafür dienen sollten, dass Waffenlieferungen und die Bereitschaft zu Verhandlungen einander nicht ausschliessen. – MK)

Nachtrag 6. März 2023

Auch in Deutschland arbeitet Russland mit dem iranischen Regime zu Propagandazwecken zusammen.

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