Mehr Frauenpower!

Die islamische Welt schäumt nicht gerade über vor guten Nachrichten. Aber manchmal gibt es doch Anzeichen von Verbesserung – ausgerechnet, was den Status von Frauen betrifft.

Natürlich muss man sich vor Scheinevidenzen hüten. Dass der Anteil weiblicher Studenten an vielen Universitäten in der islamischen Welt so hoch ist, hängt eben auch damit zusammen, dass viele Familien ihren Nachwuchs am liebsten auf westliche Universitäten schicken, die zu zahlenden Gebühren jedoch zu hoch sind, um alle Kinder studieren zu lassen, sodass den Mädchen meist nur die heimische Hochschule bleibt.

Überhaupt ist der Islam eine männlichere Religion als Christentum, zumindest insofern als in 28 stark oder überwiegend muslimisch geprägten Ländern mehr Männer als Frauen den Gottesdienst besuchen und was auch immer der Grund hierfür sein mag, läuft es doch in jedem Fall darauf hinaus, dass die Sozialordnung in diesen Ländern Frauen benachteiligt. Hinzu kommt eine massive Gewalt gegen Frauen, wogegen jetzt die ägyptische Regierung verstärkt vorgehen will. In Ägypten ist der Anteil der Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt wurden, besonders hoch. Es liegt also vieles im Argen, weswegen eine Studie des Brooking Tinktanks der arabischen Welt erst kürzlich empfohlen hat, mehr Frauen einzustellen.

Diese Empfehlung soll nicht allein den Frauen zugute kommen, sondern hat sich allgemein als essentiellen Schritt zu mehr Prosperität erwiesen. Wie gerade Frauen die Wirtschaft voranbringen können, haben haben Sally Helgesen und Julie Johnson in The Female Vision (2010) gezeigt, wie auch verschiedene Studien zu dem Ergebnis gekommen sind, dass gemischte Managementteams eine bessere Performanz vorweisen: „Je höher der Frauenanteil, desto höher das Betriebsergebnis“, schreibt Marianne Heiß in ihrem Buch Yes she can (2001).

Auch der Nachwuchs leidet nicht unter einer berufstätigen Mutter, ganz im Gegenteil: Forscherinnen wie Eva Tenzer oder Una M. Röhr-Sendlmeier haben klare Belege erbracht, dass Kinder berufstätiger Mütter tendentiell bessere Leistungen in der Schule erbringen als solche, deren Mütter zuhause bleiben. „Was auf der Mikroebene gilt“, resümiere ich in meinem Buch Zwischen Religion und Politik (2016), „setzt sich auf der Makroebene fort. Die verbesserte Stellung der Frau in Wirtschaft und Gesellschaft gerät zum Nutzen aller, ist also nicht einfach ein Nullsummenspiel auf Kosten der Männer.“

Damit kommen wir zur islamischen Welt: So haben bei den letzten Parlamentswahlen in Ägypten soviele weibilche Abgeordnete wie noch nie die Ränge gefüllt, sodass der weibliche Anteil an den Abgeordneten mittlerweile fünfzehn Prozent beträgt. Dies ist freilich einer einmaligen Quotenregelung geschuldet, mit deren Wegfall der Anteil der Frauen wieder sinken könnte. So hat Maya Morsi, Vorsitzende des ägytpischen National Council for Women (NCW) letzte Woche verkündet, dass man ein Programm in die Wege geleitet habe, dass den weiblichen Anteil an den Kommunalwahlen auf 12.500 angestrebte Kandidatinnen erhöhen soll.

Soll dies gelingen, wird es auch davon abhängen, welche Vorbilder aufstrebende Frauen vor Augen haben. Ausgerechnet Afghanistan hat es jetzt möglich gemacht, dass mit Kapitän Safia Ferozi schon der zweite weibliche Pilot ein Transportflugzeug der afghanischen Luftwaffe steuert. Auch auf anderen Gebieten und ungeachtet patriarchalischen Widerstands aus der Gesellschaft drängen afghanische Frauen nach oben, nicht zuletzt im Parlament und in der Regierung.

Noch erstaunlicher sind die Nachrichten aus Malaysia. Beobachter sprechen von einem rasanten Wandel des Geschlechterverhältnis in Malaysias Chefetagen, die zu mittlerweile 37 Prozent weiblich sein sollen, sodass das Land selbst im Vergleich zu entwickelteren Ländern wie Japan oder Hongkong sehr gut dasteht. Erfreulich ist, dass diese Entwicklung vor allem dem Ehrgeiz der Frauen selbst zu verdanken ist, der einer Umfrage zufolge in Malaysia noch ausgeprägter seiner soll als selbst in Ländern wie Deutschland, Frankreich oder den USA. So gaben 28 Prozent der befragten Malaysierinnen an, ihr Wunsch sei es, Geschäftsführerin oder Vorstandschefin zu werden.

Sicherlich darf man die Kräfte der Beharrung in der islamischen Gesellschaften nicht unterschätzen und noch ist es zu früh, von einem neuen Nahen Osten o.ä. zu sprechen. Aber dennoch scheint sich hier ein Wandel zu vollziehen, der noch im Schatten weitaus dramatischer Ereignisse steht. Wenn es aber wirklich jemals zu einer tiefgreifenden Umgestaltung der islamischen Welt kommt, die das Modernisierungsdefizit auch langfristig beheben könnte, dann wird er von den Frauen ausgehen. Sie sind diejenigen, die von einer islamisch-patriarchalischen Gesellschaftsordnung freilich auch am wenigsten zu erwarten haben.


Update 02. September 2018

Die libanesische NaharNet berichtet, wie saudische Frauen an einem amerikanischen „Geschäftsinkubator“ in Washington lernen, ihre Geschäftsideen in die Realität umzusetzen. Von saudischer Seite wurde dies erst mit den jüngsten Reformen überhaupt möglich gemacht. Auch in Saudi-Arabien selbst soll der Anteil von Frauen in Führungspositionen gesteigert werden.

In Schweden wiederum verfolgt man offiziell eine „feministische Aussenpolitik„, zu der es gehört, Botschafterpositionen zunehmend mit Frauen zu besetzen, aber auch z.B. afghanische Frauen als Mediatorinnen zu schulen. Dabei geht es nicht nur um Gleichstellung als Selbstzweck, sondern auch darum, Konflikte zu entschärfen: Während vor allem Frauen und Mädchen von kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen sind, machen sie weniger als zehn Prozent der offiziellen Friedensvermittler weltweit aus. Diesen Ansatz einer „feministischen Aussenpolitik“ sollten sich andere Länder zum Vorbild nehmen.

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