Absurd erscheint uns die Vorstellung, wir könnten eines Tages aufwachen und Deutschland wäre verschwunden. Wer sollte Deutschland angreifen, wer sollte es auslöschen? Hingegen ist die Angst, das eigene Land für immer zu verlieren, in Israel allgegenwärtig. Der israelische Journalist Ari Shavit beschreibt es seinem 2013 erschienenen Buch „My Promised Land“:
„For as long as I can remember, I remember fear. Existential fear. (…) I always felt that beyond the well-to-do exuberant and upper-miuddle-class lawns of my hometown lay a dark ocean. One day, I dreaded, that dark ocean would rise and drown us all. A mythological tsunami would strike our shores and sweep my Israel away.„
Shavit schrieb dies vor dem Hintergrund des Krieges 1967, aber seine Worte formulieren eine grundsätzlichere Angst: Sollten die Juden ihren Staat verlieren, könnte es noch einmal zweitausend Jahre dauern, bis sie ihn zurückgewinnen. Die Wortwahl vom „dunklen Ozean“ und „mythologischen Tsunami“ ist nicht nur metaphorisch zu verstehen.
Die Parole der palästinensischen Islamisten war es immer, ein Palästina vom Fluss (Jordan) bis zum Meer (Mittelmeer) – min an-nahr ila l-baḥr – zu schaffen. Israel soll ins Meer getrieben werden, die maritime Wortwahl hat Tradition. Nicht ohne Grund nennt die Hamas ihre aktuelle Terrorwelle, die seit Bestehen des neuzeitlichen Staates Israel ohne Beispiel ist, „Operation al-Aqsa-Flut“ (maʿrikat ṭūfān al-Aqṣā).
Israel feiert das Leben, die Hamas den Tod
Ihre Terroristen sind in Israel eingesickert um Massaker an Teilnehmern eines Musikfestivals zu verüben und Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, abzuschlachten. Israels Präsident Izchak Herzog sagt: „Seit dem Holocaust haben wir nicht mehr erlebt, wie jüdische Frauen und Kinder, Großeltern – sogar Holocaust-Überlebende – in Lastwagen gepfercht und in die Gefangenschaft gebracht wurden.“ Man muss sich das auf der Zunge zegehen lassen.
Wie oft muss man noch erklären, dass es den Islamisten, von der Hamas oder anderen Organisationen, nicht um Koexistenz, Menschenrechte oder eine materielle Verbesserung der palästinensischen Gesellschaft geht? Israel-Hasser sagen, die Palästinenser im Gazastreifen seien von Israel eingekesselt worden und hätten keine andere Wahl, als sich mit kriegerischen Mitteln zu wehren. Tatsächlich?
→ Es ist die Hamas, die den Gazastreifen besetzt hält.
→ Es ist die Hamas, die sich weigert, Wahlen abzuhalten.
→ Es ist die Hamas, die sich weigert, Israels Existenz unter welchen Bedingungen auch immer anzuerkennen.
→ Es ist die Hamas, die mit stillschweigender Duldung Israels seit 2012 von Qatar mehr als eineinhalb Milliarden US-Dollar erhalten hat.
→ Trotz der anhaltenden Feindseligkeiten der Hamas haben mehrere israelische Regierungen tausende von Arbeitsgenehmigungen für Bewohner des Gazastreifens erteilt. Unter der Regierung Netanjahu erreichte die Zahl einen Höchstwert von 20.000.
→ Zugleich hat Israel all die Jahre Elektrizität, Lebensmittel und Hilfsgüter in den Gazastreifen geliefert und Agrargüter importiert.
Die Terroristen folgen der Logik von Nazis
Israel hat sich bemüht, die eigenen Sicherheitsinteressen zu wahren und zugleich die Lage der palästinensischen Zivilisten erträglich zu machen, wenn möglich sogar zu verbessern. Was also hat die „Operation al-Aqsa-Flut“ zum Ziel, wenn nicht das Abschlachten von Juden als Selbstzweck, als Ausdruck puren Hasses? Wenn die Hamas behauptet, sie habe keine israelischen Zivilisten getötet, weil es keine israelischen Zivilisten gebe, dann entspricht das der Logik von Nazis.
Auch das ist nicht neu. Erinnert sich noch jemand an das Attentat vor der Discothek Dolphinarium in Tel Aviv vor 22 Jahren? Damals wurden 21 junge Israelische, viele im Teenager-Alter, von einer Abteilung der Hamas dahingemetzelt, unzählige verletzt. Die Argumentation der Attentäter: Es gibt keine israelischen Zivilisten, nur Besatzer.
Zweiundzwanzig Jahre später werden in Kfar Aza vierzig Kleinkinder gefunden, denen Hamas-Terroristen die Köpfe weggeschossen haben. Das ist die Hamas, deren Anhänger in verschiedenen Städten westlicher Länder auf die Strasse gehen, Süssigkeiten verteilen und Freude über vergossenes jüdisches Blut bekunden. So geschehen in Berlin, London, Sydney.
"Are your people dead?"- "yes" – "aww, good. Are they dead?, aww, good"
— Yonatan יונתן #AdoptIHRA (@__jacker__) October 10, 2023
London, last night. pic.twitter.com/J8fQPTPurL
Die jüdischen Opfer werden noch verhöhnt, der Gegenschlag der israelischen Armee, der dazu dient, die Hamas zu entwaffnen und Zivilisten nach Möglichkeit zu verschonen, wird von den Sympathisanten des Terrors sofort ausgenutzt, um Israel zu dämonisieren.
Hier ist die historische Lektion: Die Anhänger Israels feiern das Leben, zeigen Empathie, auch für die Zivilisten der anderen Seite. Die Anhänger der schwarzen Flut, also der Hamas und anderer Islamisten, feiern den Tod. Ihre Gesichter sind Fratzen des Hasses und der Schadenfreude.
Sie haben sich selbst entmenschlicht.
Nachtrag 13. Oktober 2023
In den Medien war bis gestern immer von vierzig enthaupteten Babys die Rede, als Quelle wurde meist der (oben verlinkte) Bericht von i24NEWS genannt. Daran gibt es insofern Zweifel, als offenbar nur einigen Babys die Köpfe abgetrennt, während andere verbrannt wurden, wie N-TV meldet . Dass im Kibbutz Kfar Aza ein Massaker stattgefunden hat, bei dem auch Babys und Kleinkinder ermordet wurden, bleibt also eine Tatsache. Die Unschärfe in der anfänglichen Bwerichterstattung wurde jedoch von der iranischen Prpagandamaschinerie aufgenommen, um Zweifel daran zu säen, dass überhaupt Babys abgeschlachtet wurden.
Die rechtsextreme Teheraner „Kayhan“, Sprachrohr von Khamenei, hat daraus sogleich eine Titelgeschichte gestrickt (s. Bild), in der sie Israel der Lüge bezichtigt. Ihre Hauptquelle ist ein linker israelischer Journalist namens Oren Ziv, der allerdings nicht grundsätzlich bestreitet, dass in Kfar Aza ein Massaker stattgefunden hat:, und an anderer Stelle schreibt: „The scenes in the kibbutz are indeed extremely difficult. Much of it has been destroyed; mostly the youth living quarters. (…) Many were killed in their beds, or as they were just waking up. The breach in the gate from which the Palestinians entered hasn’t been repaired, and a trail of burned vehicles, weapons, bodies, and personal belongings show the path that the attackers took inside the village.“
Davon abgesehen haben offizielle israelische Stellen nie von vierzig enthaupteten Babys gesprochen. Derlei Behauptungen gehen allein auf einen Bericht von i24NEWS zurück, wie auch im „Kayhan“ (Teheran)-Artikel zu lesen ist, der jedoch in der Überschrift fälschlich behauptet, „Israel scheitert auf dem Schlachtfeld und greift auf gefälschte Nachrichten und Kindestötungen zurück„. Wenn jemand lügt, dann ist es also die Teheraner „Kayhan“.
Gestern teilte die „Jerusalem Post“ mit, sie könne aufgrund verifizierter Fotos die Berichte von „babies being burnt and decapitated in Hamas’s assault on Kfar Aza“ bestätigen.
Nachtrag 14. Oktober 2023
Die „Times of Israel“ zitiert Yossi Landau, einen Augenzeugen am Tatort Kibbutz Be’eri, wo die Hamas ein Massaker angerichtet hat, mit den Worten: “The 20 children we saw in Kibbutz Be’eri was beyond terrible. [The terrorists] had bound their hands behind them. Abused them terribly. And simply put them one on top of the other and burned them. How can you do such a thing?”
Dass die Hamas es gezielt auf Zivilisten abgesehen hat, zeigen u.a. zwei Videos, die anzuschauen man starke Nerven haben muss (das erste habe ich mir nur zum Teil ansehen können, weil es zu schrecklich ist): 1 – Ein Terrorist drischt (Warnung!) mit einer Hacke auf einen schwerverletzten Zivilisten ein und brüllt dabei mehrfach „Allahu Akbar“. 2 – Bilder von blutüberströmten Toten, die wahllos in einem Kibbutz niedergemetzelt wurden.
Nachtrag 29. Oktober 2023
Kann man die Hamas mit den Nazis, das Massaker vom 7. Oktober mit dem Holocaust vergleichen? Die „Times of Israel“ hat Fachleute befragt. Ihr Tenor: Ein Ja im ersten Fall, ein Nein im zweiten. “The comparison to the Holocaust is inappropriate. The enemy is different, we are different, yet the venom is the same,” wird Prof. Michael Berenbaum von der American Jewish University in Kalifornien zitiert.