Immer nur Israel

Wenn es ein Thema gibt, bei dem es völlig normal ist, dass Leute, die sich berufen fühlen, es zu kommentieren, selbst elementare Fakten nicht zur Kenntnis nehmen, dann muss es sich um Israel bzw. den Nahostkonflikt handeln. So erschien bei der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) ein Kommentar zum aktuellen Stand der Friedensbemühungen amerikanischer Diplomatie, der grundlegende Denkfehler enthält, die immer wieder auftauchen, wenn es um das Thema geht (s. dazu auch die Anmerkungen von U. Sahm).

„Israel protest against terror –“/ CC0 1.0

Die Verfasserin des Kommentars hält es demnach für unzumutbar, gar für „völlig inakzeptabel„, dass die palästinensische Seite Israel als jüdischen Staat anerkennen solle. Der Grund? Beides sei mit einer modernen Konzeption von Staatlichkeit nicht vereinbar, denn entweder beziehe sich der jüdische Charakter auf die Religion, dann begründe er eine Art von Gottesstaat ähnlich dem iranischen Modell, oder er beziehe sich auf die Juden als Ethnos, dann grenze er die Palästinenser aus und bilde nichts weiter als eine Apartheidsideologe. An diesen Gedankengang ist alles, wirklich alles, falsch.

Zunächst einmal: Die israelische Forderung nach einer Anerkennung Israels als jüdischer Staat wird nicht an die Adresse der eigenen arabischen Staatsbürger erhoben, sondern an die künftige Führung eines zu schaffenden Nachbarstaates. Da hat die Redakteurin etwas durcheinandergebracht. Das Anliegen dient dem Zweck, Rückkehrforderungen der Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge und einen damit verbundenen demographischen Umschwung zu Lasten Israels auszuschliessen, weswegen es alles andere als „unzumutbar“ ist. Aber auch sonst ist die schon von dem verstorbenen amerikanischen Historiker Tony Judt vertretene Haltung, der israelische Staat müsse auf seinen jüdischen Charakter verzichten, um „modern“ zu sein, unsinnig.

Israel ist ein Nationalstaat und wie jeder Nationalstaat ist er um einer Nominalbevölkerung willen gegründet worden, in diesem Falle die jüdische Nation. Die meisten Nationalstaaten dieser Welt beheimaten ethnische Minderheiten auf ihrem Territorium, worin noch keine Diskriminierung liegt, solange diese Minderheiten dieselben staatsbürgerlichen Rechte geniessen. Ein eventuelles Spannungsverhältnis zwischen Nominalbevölkerung und Minderheit wird nicht dadurch ausgeglichen, dass die Nominalbevölkerung von dem abrückt, was ihr identitätsstiftendes Merkmal ausmacht. Es gibt kein Demos, das israelische Juden einerseits und arabische Muslime und Christen andererseits umfasst.

Nicht nur in Israel, auch in anderen Staaten der Östlichen Mittelmeerwelt ist Religion ein ganz entscheidender Faktor nationaler Identität. Das gilt z.B. für Griechenland, aber auch für die Türkei. Beide sind – ebenso wie Israel – auf dem Boden des ehemalischen Osmanischen Reiches entstanden und als Nationalstaaten um der griechischen bzw. türkischen Nation willen geschaffen worden. Diese wiederum sind eng mit der Religion verwoben. So kann man auch ohne Zugehörigkeit zur griechischen Kirche Staatsbürger des Landes sein, aber kein Grieche im eigentlichen Sinne. Dasselbe gilt für die türkische Nation und die Zugehörigkeit zum sunnitischen Islam.

Weitere Beispiele liessen sich nennen. „Love and longing for Zion is the irreducible minimum of the Jewish religion,“ schreibt David Gelernter – Israel existiert als jüdischer Staat oder gar nicht. Warum aber wird immer nur Israel sein Nationskonzept vorgeworfen, obwohl es sich hierin von so vielen anderen Staaten nicht grundsätzlich unterscheidet? Würde Israel auf die jüdische Identiät seines Staates verzichten, wäre damit auch kein Problem gelöst, denn dann gäbe es noch immer kein gemeinsames Nationalbewusstsein von Juden und Arabern. Da letztere die vollen staatsbürgerlichen Rechte ihres Landes ohnehin schon geniessen, wäre mit einer De-Judaisierung des Staates auch nichts gewonnen.

Behauptungen, die Israel in die Nähe eines Apartheidstaates rücken, sind denn auch nichts als töricht. Was das Südafrika der Apartheid zu einem Unrechtstaat machte, war nicht die Tatsache, dass dieser ein Nationalstaat für eine burische Nominalbevölkerung war, sondern die Tatsache einer völligen Entrechtung der schwarzen Bevölkerung, welche einer umfassenden staatlichen Diskrimierung unterlag und keinerlei Bürgerrechte genoss. Dies ist Lichtjahre von der gesellschaftlichen und politischen Realität Israels entfernt, das seine arabischen Bürger nicht nur mit gleichen Rechten versehen hat, sondern sie auch in der Praxis mit Sicherheit besser behandelt, als so manche europäische Demokratie ihre Minderheit.

Ganz falsch ist daher auch die Ansicht, Israel würde, wenn es den jüdischen Charakter seines Staates in rein religiösem Sinne begriffe, zu einer Art Gottesstaat wie im Falle des Iran werden. Was den Iran zu einem sog. Gottesstaat oder eine Theokratie macht, ist jedoch nicht ein etwaiges Konzept von einer iranischen Nation, das eng mit dem schiitischen Islam verquickt wäre, sondern der diktatorische Charakter des Landes, der das gesamte öffentliche Leben den Vorgaben der Religion unterwirft. Davon kann im Falle Israels noch nicht einmal ansatzweise die Rede sein, wo das öffentliche Leben keinem staatlichen Zwang unterliegt, sich konform zur Religion zu verhalten.

Fazit: Israel tut gut daran, auf dem jüdischen Charakter seines Staates zu bestehen und sich dies von der palästinensischen Seite anerkennen zu lassen. Das zu akzeptieren ist weder für einen künftigen palästinensischen Nachbarstaat unzumutbar, noch für die arabischen Staatsbürger Israels. Wenn man nicht andauernd Begriffe wie Staat, Nation oder Bevölkerung durcheinanderbringt und weiss, was eine religiöse Diktatur von einer nationalstaatlichen Demokratie unterscheidet, ist das auch leicht nachzuvollziehen. Der Kommentar in der NOZ ist freilich nicht der erste Fehlschluss dieser Art und er wird gewiss nicht der letzte sein.

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