Prominente Kritiker des Kreml sind selbst im Ausland nicht sicher. Eine ganze Reihe von ihnen wurden vergiftet und während alle Spuren nach Moskau deuten, streitet die russische Regierung jede Beteiligung ab. Dies ist Teil eines Schattenkrieges gegen den Westen und alle, die sich den Machtansprüchen des Kreml entgegenstellen.

Indem der russische Staat seine Gegner mit Nowitschok vergiftet, sendet es eine unmissverständliche Botschaft, denn das Gift ist sowjetischen Ursprungs und seine chemische Formel nicht restlos ausserhalb Russlands bekannt; zudem kann nur Moskau ein Interesse daran haben, dass russische Kritiker verstummen – sodass jeder russische Kremlkritiker versteht, dass er gefährlich lebt, auch wenn der Kreml sich nie zu derlei Anschlägen bekennt.
Der russische Krieg gegen den Westen hat längst begonnen – als Schattenkrieg
Diese Kombination aus Anschlag und Leugnung finden wir auch auf anderen Gebieten. So wurden offenbar mithilfe von schleifenden Ankern Kommunikationskabel am Meeresboden zwischen Finnland und dem Baltikum sabotiert. Das dieser Tat verdächtigte Schiff soll zur russischen Schattenflotte gehören. Solche hybriden Angriffe auf NATO-Staaten haben in der letzten Zeit zugenommen.
Doch scheint man in Europa – jedenfalls wenn man Politiker und Russland-Experten reden hört – sich vor allem auf heissen Krieg vorzubereiten. Aufmerksam nimmt nan jede neue Tirade des Vizevorsitzenden des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, zur Kenntnis, der keine Gelegenheit auslässt, gegen den Westen zu hetzen. Dabei hat die Stabilisierung Europas durch Russland schon längst begonnen.
Die Milliarden und Abermilliarden, die jetzt in die Kriegswirtschaft fliessen sollen, fehlen nämlöich an anderer Stelle und müssen, sofern sie aus Schulden stammen, mit Zinsen zurückgezahlt werden. Russland ist bereits jetzt erfolgreich dabei, die Kosten für Europas Sicherheit in die Höhe zu treiben und zugleich Angst vor Desinformation zu schüren, die Europa hektisch zu bekämpfen sucht.
Vor allem muss das Vertrauen in die demokratischen Institutionen Europas gestärkt werden
Rumänien ist ein aktuelles Beispiel dafür, wie sehr der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die politischen und wirtschaftlichen Ressourcen eines Landes zermürben kann, bis Populisten die Macht übernehmen. Dass russische Einmischung in den rumänischen Wahlkampf noch nicht einmal belegt werden kann, lässt konträre Schlussfolgerungen zu. Daher muss jetzt vor allem das Vertrauen in die demokratischen Institutionen Europas gestärkt werden.
So notwendig es ist, die Bundeswehr und andere europäische Armeen zu ertüchtigen, mehr für die Sicherheit Europas zu tun, und die Ukraine weiterhin militärisch zu unterstützen, so müssen wir achtgeben, nicht über das Ziel hinauszuschiessen. Wer eine europäische Kriegswirtschaft fordert, die alles der Verteidigung unterordnet, der ist schon in Putins Falle getappt. Dann werden wir bald in russischen Verhältnissen aufwachen. Auch ohne Putin.
Nachtrag 14. April 2025
Der Osteuropa-Historiker Christian Osthold argumentiert auf derselben Line, wenn er schreibt, dass der russische „Schattenkrieg“ längst begonnen habe und warnt: „Mit ihrer massiven Aufrüstung laufen die Europäer Gefahr, genau jenem Ziel zuzuarbeiten, das Moskau verfolgt – der inneren Destabilisierung.“