Im Haifischbecken

Spähaffäre und kein Ende: Politik und Medien scheinen zur Zeit kein grösseres Problem mehr zu kennen (nachdem dem medial aufgeblasenen Skandälchen um den Limburger Bischof die Luft ausgegangen ist). Dabei ist fraglich, ob die ganze Empörung um die NSA irgendetwas bringt, wenn sie nicht ohnehin gar kontraproduktiv ist.

Denn wir leben in einer Welt, in der sich gewaltbereite, extremistische Gruppen nicht mehr so leicht unterwandern lassen. Das gilt für rechtsextreme, aber vielleicht noch mehr für islamistische Zellen. Wenn einige bis dahin unbescholtene Extremisten eines Tages beschliessen, ein Bombenattentat im Namen ihrer Ideologie zu planen, dann wird kein Geheimdienst in der Lage sein, diese Zelle mit V-Leuten zu infiltrieren – eben weil niemand sie auf dem Radarschirm hat.

Die einzige Chance, sie aufzuspüren, besteht darin, das grosse Fangnetz auszuwerfen. Daher werden die NSA und auch andere Geheimdienste, worüber man sich im klaren sein sollte, ihr grossflächigen Datenfischen niemals aufgeben. Die Forderung an die Geheimdienste anderer Länder, Abhörmassnahmen nur bei konkretem Verdacht durchzuführen, ist folglich realitätsfremd.

Im übrigen: Was bringt es, Petitionen zu verfassen und von den Amerikanern zu verlangen, ihre Spähaktivitäten auf deutschem Boden einzugrenzen, wenn wir keine Möglichkeit haben, ihr Entgegenkommen zu kontrollieren? Selbst wenn die Amerikaner sich auf deutsche Forderungen einlassen sollten, können wir noch lange nicht sicher sein, ob von russischem oder chinesischem Boden aus ähnliche Spähattacken durchgeführt werden. Was technisch an Abhörmassnahmen möglich ist, wird von irgendjemandem auch genutzt werden.

Besser ist es, sich mit dem Unvermeidlichen abzufinden und Vorsorge zu tragen, dass Daten nicht so leicht abgefischt werden können. Schützen müssen wir uns selbst; wenn es an nötiger Infrastruktur fehlt, muss diese eben geschaffen werden. Eine solche Infrastruktur ist unabdinglich nicht so sehr als Abwehr gegen die NSA, sondern vor allem gegen Kriminelle, Wirtschaftsspione und feindliche Geheimdienste, die in den Kommunikationsnetzen unterwegs sind.

Hierzulande glauben viele an eine saubere Energiegewinnung und an die wohltuende Wirkung von Vollkorn und Mülltrennung. Sie sind überzeugt, dass man al-Qaida und die Taliban am effektivsten bekämpft, indem man mit ihnen verhandelt. Das Internet halten sie für eine lauwarme Nichtschwimmerzone, anstatt für das riesige Haifischbecken, das es in Wahrheit ist. Die NSA mag darin der dickste Fisch sein, unsere Hauptsorge ist sie gewiss nicht.


(Ãœberarbeitet 5. August 2023)

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