Mitteilungen aus Kilis (8)

Neulich sass ich nahe der syrischen Grenze und trank Tee, während ich über die schmerzliche syrische Lage nachdachte. Dauernd wird aus Syrien berichtet, dass die Heftigkeit des Tötens zugenommen habe. Dieses Mal sind es die bewaffneten Milizen, die sich gegenseitig ausradieren.

Ich besann mich, wie einmal ein bedauerlicher junger Muslim aus Deutschland kam, um in Syrien zu kämpfen. Natürlich tat er nichts falsches, aber vielleicht hat er falsch verstanden, worum es geht.

In Syrien gibt es heute einen kriminellen und geistesgestörten Diktator, während die Welt danebensteht, und ein Volk, das noch nicht einmal leicht bewaffnet ist, sich ihm entgegenstellt. In kurzer Zeit hat der Konflikt religiöse Züge angenommen. Die Situation in Syrien ist keine von enormem Aussmass, den die Medien aufbauschen, aber dennoch ein Kriegsgebiet, wo der Tod in jeder Strasse in jedem Augenblick möglich ist.

In Syrien wird man sich nicht wundern, wenn man eine kopflose Leiche sieht oder eine verbrannte oder wenn es der Körper eines Kindes oder Mädchens ist, das vielleicht durch einen iranischen Heckenschützen den Tod fand.

Iraner und Schiiten haben begonnen, die Trommeln des Dschihād zu schlagen. Sie haben dafür gesorgt, dass der grösste Dschihād in Syrien stattfindet, während im Gegenzug sunnitische Extremisten auf dieselben Trommeln zu schlagen begonnen haben. Vielleicht gibt es im Westen, im Iran oder in der Hisbollah viele junge Leute, die sich dafür begeistern, in den Himmel zu kommen. Es ist das „Opium des Volkes“, wie Karl Marx sagte. Ich bitte Euch, Ihr Jugendlichen, der Weg ins Paradies führt nicht über Syrien!

Ich denke wieder zurück, als ich in Aleppo war und um Kinderbekleidung zu spenden aufrief. Glauben Sie mir: Jemand aus Deutschland, den ich nicht kenne, schickte mir zwei Pakete mit Kleidung, die ich, Gott sei Dank, an die Kinder verteilte. Ich glaube, dass dieser Mann, dessen Identität ebenso wie seine Religion mir unbekannt sind, viel besser als diese Burschen und jungen Frauen ist, die nach Syrien kommen, um zu töten. Syrien hat keinen Bedarf an Kämpfern; es hat einen Bedarf an Waffen und an einer Koordinierung der bewaffneten Kräfte.

Töten gehörte nie zu den Geboten Gottes. Gott sagt im Koran: „Aus diesem Grund haben wir den Kindern Israels vorgeschrieben, dass, wenn einer jemanden tötet, und zwar nicht aus Rache für jemand anderes oder aus Strafe für Unheil, das er auf der Erde angerichtet hat, es sein soll, als ob er alle Menschen getötet hätte (Koran 5,32). Gott weiss es am besten.

Daher wende ich mich an Euch junge Menschen im Westen und im Osten, Schiiten gleichermassen wie Sunniten, zu welcher Konfession ihr auch immer gehören mögt. Wenn Ihr wahrhaftig ins Paradies wollt, so liegt der Schlüssel dafür im Lachen der Kinder, in der Freude der Witwen und in der Annahme der Waisen. Und wer von euch einen Vater und eine Mutter hat, der muss, um ins Paradies einzutreten, ihnen zu Diensten sein – auch wenn er ein Ungläubiger sein sollte. So verstehe ich den Islam als ein muslimischer Araber.

All diese Arten von kämpfenden Milizen in Syrien haben ihre jeweiligen Agenden, aber keine von ihnen arbeitet für Gott. Denn der Weg zu Gott unterscheidet sich nicht für Juden, Christen, Muslime oder Buddhisten.

Ich sehe mit Abscheu, was in Burma geschieht, wo Muslime getötet werden. Und ich frage mich: Sind die Lehren des Buddhismus die, dass man sich zusammenrottet, um diejenigen zu töten, die nicht zum Buddhismus konvertieren? Oder sind es nur kranke Menschen, die aus konfessionellem Hass gegen die Lehren ihrer eigenen Religion zu Felde zogen?

Es ist dasselbe wie in Syrien zwischen Arabern und Arabern, zwischen Muslimen und Muslimen. Das hässliche Morden mit den hässlichsten Mitteln und das Morden gegeneinander – jeder denkt, dass er Gott am besten dient. Es gibt auf der Welt nicht so etwas wie Töten zum Zwecke der Annäherung an Gott.

Gott sagt: „Tötet niemanden, den zu töten Gott verboten hat, ausser wenn ihr dazu berechtigt seid!“ (Sure 17,33).

Türkisch-syrische Grenze, 11. 04. 2013

(Aus dem Arabischen von Michael Kreutz.)

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