Syrien nach Assad

Syriens Diktator Bashar al-Assad hat Damaskus mit unbekanntem Ziel verlassen, sein Regime ist damit nach 24 Jahren Geschichte. Der Sturz kommt überraschend schnell und ist auch eine Niederlage für Russland und die Islamische Republik, sowie die mit dieser verbundenen Hisbollah. Die selbsternannte „Achse des Widerstands“ gegen Israel ist zerbrochen. Zumindest vorerst.

Die Rebellen sollen das berüchtigte Foltergefängnis Seydnaya gestürmt haben, eines der Symbole der verhassten Assad-Herrschatt. Auf den Strassen syrischer Städte sieht man Menschen feiern. Dennoch ist es zu früh, von einem neuen Nahen Osten zu träumen, in dem Syrien zu einer Demokratie werden und seine Beziehungen zu Israel normalisieren könnte.

Schon die Tatsache, dass die Rebellen, die in der sogenannten „Syrischen Nationalen Armee“ (SNA) eine Dachorganisation haben, offenbar von der Türkei unterstützt werden, sollte skeptisch machen. Bekanntermassen macht dessen Präsident Erdogan gemeinsame Sache mit den Terroristen der Hamas. Möglicherweise entsteht in Syrien in islamistisches oder autokratisches Regime, das nicht viel besser ist als das gestürzte.

Möglich ist auch, dass es zu Grabenkämpfen einzelner Rebellengruppen kommt, die bislang nur das Hass auf Assad vereinte, die aber keine gemeinsame Vision für Syrien haben. Zu den Gruppen gehört auch der Hay’at Tahrir al-Sham („Komitee zur Befreiung Syriens“, HTS), eine islamistische Organisation, die einst al-Qaeda nahestand, sich dann aber pragmatisch gab, was mit Sicherheit eine reine Taktik ist, um Rückhalt in der Öffentlichkeit zu gewinnen. Gegenüber Gruppen wie dem HTS und dessen Chef al-Jaulani ist jedenfalls Misstrauen geboten.

Die Vorgänge sind dennoch ein Beispiel dafür, wie ein sich sicher im Sattel gelgaubtes Regime manchmal durch eine globale Plattentektonik seinen Halt verlieren kann: Ohne den Krieg in der Ukraine hätte Putin Truppen zur Unterstützung Assads schicken können. Auch die Hisbollah fiel als stabilisierender Anker des Regimes aus, seitdem sie durch Israel wesentlich geschwächt wurde. Mit dem Sturz Assads verliert die Islamische Republik einen ihrer wichtigsten Verbündeten in der Region.

Das Teheraner Propagandablatt „Kayhan“, das dem Revolutionsführer Khamenei nahesteht, stellt in ihrem Leitartikel die syrischen Rebellen als Verbündete der verhassten Zionisten dar und zitiert Offiziere der SNA, dass sie Israel dankbar seien für seine Schwächung der Hisbollah. Die Rebellen werden in dem schäumenden Leitartikel nur als „takfiris“ bezeichnet, also als besonders intolerante Fanatiker im Glauben, der Fall Assads bedeutet aus Teheraner Sicht eine Destablisierung Syriens.

Die vermeintliche Stabilität Syriens war freilich eine von brutaler Hand geschaffene. Schon Assads Vater Hafiz hatte sein Regime auf Brutalität gegründet. Der Sturz der Assad-Statuen in Syrien ist der sichtbare Ausdruck dafür, wie unpopulär und verhasst das Regime in der Bevölkerung immer war. Jetzt richtet sich der Hass der Syrer auch gegen das iranische Regime. Was auch immer die Zukunft für Syrien bringen mag, im Augenblick gibt es Grund zur Freude. Sie könnte schnell vorüber sein.

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