Musks Beitrag in der „Welt am Sonntag“ zeigt, dass er sich an der Nase hat herumführen lassen. Denn die AfD spielt seit langem schon ein doppeltes Spiel – und das sehr erfolgreich, wie Umfragen und Wahlergebnisse zeigen. Musk, wiewohl ein gewiefter Unternehmer, hat das nicht durchschaut, nur deshalb hält der die AfD für Deutschlands einzige Rettung.
Im Grunde gibt es unter dem Etikett „AfD“ zwei Parteien: Eine offizielle, die das moderate Gesicht dessen verkörpert, was die Öffentlichkeit mit dem Kürzel AfD verbindet, und eine radikale, die weniger im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit steht und mehr im Hintergrund agiert. Dise radikale AfD aber bildet den Kern der Partei und wird von Björn Höcke und seinen Anhängern bestimmt.
Höcke hält Kontakte in das rechtsextreme Milieu und zeigt immer wieder Berührungspunkte mit rechtsextremen Positionen, darunter ein Eintreten für eine „organische Marktwirtschaft.“ Vieles bleibt verschwommen, verworren, dunkel, aber nichts deutet darauf hin, dass Höcke irgendetwas an der liberalen Demokratie, an Westbindung und Weltoffenheit liegen könnte.
Demgegenüber repräsentiert die Parteivorsitzende Weidel eine andere AfD, die gemässigt scheint. Vor ihr hat Jörg Meuthen diesen Job gemacht, davor Frauke Petry. Petry und Meuthen haben irgendwann erkannt, dass sie nur dazu da sind, im bürgerlichen Lager für Akzeptanz zu sorgen, ohne aber wirkliche Macht in der Partei auszuüben. Als Petry das klar wurde, stieg sie aus, wie auch später Meuthen.
Weidel gehörte lange Zeit zu den parteiinternen Gegnern von Höcke, ist aber mit ihrem Versuch, ihn kaltzustellen, gescheitert. Jetzt macht sie dort weiter, wo Petry und Meuthen aufgehört haben, was beweist, dass sie eine Opportunistin ist, der es nur um Status und Geltung geht. Als Frau und Lesbierin, die mit einer „Woman of Color“ zusammenlebt, vermittelt sie den Eindruck, die AfD könne so radikal gar nicht sein.
Weidel ist gegen, Höcke für den Sozialismus
Musk ist darauf hereingefallen. Er glaubt, die AfD sei das, wofür Weidel steht. Nur ein Beispiel: Wenn Weidel sich in ihrem Buch „Widerworte“ mehrfach gegen alle Formen des Sozialismus ausspricht, dann klingt das wunderbar, es steht aber im schroffen Gegensatz zu Höckes Traum von einem Ende des „zinsbasiertem Globalkapitalismus“ und seiner Forderung, die AfD müsse „auch den sozialistischen Auftrag“ übernehmen.
Da fragt man sich: Was bekommt man eigentlich, wenn man die AfD wählt? So heisst es im Parteiprogramm (Punkt 7.6.1), dass „der“ Islam nicht zu Deutschland gehöre. Doch als Petry Parteichefin war, wollte sie das immer so verstanden wissen, dass damit der politische Islam gemeint sei. Ihr Parteifreund Gottfried Curio jedoch liess nie einen Zweifel daran, dass mit dem Islam auch wirklich der Islam gemeint ist.
Auch in Bezug auf Europa, Einwanderung, die NATO oder das Verhältnis zu den iranischen Mullahs scheint es immer zwei AfDs zu geben. Während die eine AfD z.B. iranische Dissidenten einlädt, fürchtet die andere AfD das Ende des Mullahregimes als Anfang einer neuen Flüchtlingswelle gen Deutschland. Nur in Bezug auf Russland ist sich die AfD darin einig, aus Deutschland faktisch einen Vasallenstaat des Kreml zu machen.
Niemand sollte sich etwas vormachen: Höcke bildet das Gravitationszentrum der Partei; seine Ansichten aber sind nicht bürgerlich, sondern radikal. Musk selber, nach seinem Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“ zu urteilen, teilt dessen Positionen gar nicht, sondern argumentiert als Anhänger marktwirtschaftlicher und insgesamt gemässigter Positionen, die man im hiesigen Parteiensystem vor allem bei FDP, CDU und CSU findet.
Weil Musk deren Parteiprogramme aber offenbar nicht kennt und über diese Parteien nur das zu wissen glaubt, was die AfD erzählt, gelangt er zur falschen Schlussfolgerung, die AfD sei gut für Deutschland. Vielleicht ist Musk doch nicht so brillant, wie seine Anhänger glauben wollen. Radikal jedenfalls ist er nicht, nur ein bisschen gutgläubig. Er hat sich selbst entzaubert.