“… between Arabs and Jews than to uproot the Jew-hate of the German” schreibt Tuvia Tenenbom vom “Jüdischen Theater New York”.
„“It will be much easier to make peace…”“ weiterlesen
Zu früh gefreut?
Als ich von dem Buch “Wir neuen Deutschen” hörte, war ich sofort begeistert. Endlich einmal Menschen migrantischer Herkunft, die – ohne diese zu verleugnen – sich offensiv zu Deutschland als ihrer Heimat bekennen. Die Deutschland trotz seiner Fehler als Chance begreifen, zumindest als Herausforderung. Die für sich in Deutschland mehr Vorteile als Nachteile sehen.
Dachte ich. Sofort wurde ich Facebook-Fan (ohne das Buch gelesen zu haben – ich rasender Irrer.) Doch offenbar hatte ich mich zu früh gefreut. Deutsch ist der Kulturpessismismus der drei Autorinnen nämlich ganz bestimmt. So war der Auslöser, “Wir neuen Deutschen” zu verfassen, allen Ernstes: Wut. Aus einem Interview mit dem Deutschlandradio:
Wut auf einen Diskurs, der über unsere Köpfe hinweg geführt wird – so haben wir das zumindest empfunden (…) –
Ich finde, es fehlt ein Wort der Anerkennung darüber, in was für einer Situation migrantische Familien sich oft befinden. –
Man soll also wirklich so wenig wie möglich auffallen, und das ist eigentlich ein zutiefst verstörender Vorgang (…)
Ihr seid der Wahnsinn! möchte man den drei Autorinnen da nur noch zurufen. Und wieder bricht ein neuer Tag an auf dem Planeten Deutschland.
[Aus dem Archiv.]
Freiheit, ja aber
Meinungsfreiheit und Freiheit der Satire sind ja schön und gut, aber:
Für den Nahostexperten Michael Lüders ist das Argument „die Satire dürfe alles“ nur vordergründig. In erster Linie gehe es bei diesen Karikaturen um Profilierung und Auflagensteigerung.
…berichtet die “Taz”. Denn Meinungsfreiheit soll nur dort gelten, wo hehre Motive im Spiel sind?
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Siehe auch:
- Freiheit und Satire, 3. August 2012.
[Aus dem Archiv.]
Auf nach Malle!
Was ist dran am Buch des Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky? Die Soziologin Necla Kelek hat es gelesen – und ein kleines Experiment gewagt:
Als der Vorabdruck des Buches in der “Bild”-Zeitung erschienen war, fragte ich bei einer Lesung den Vereinsvorsitzenden einer Moschee, was er von der These hält: “Integration ist an erster Stelle eine Bringschuld der Hinzukommenden.”
Er reagierte empört: “Wenn den Deutschen nicht passt, wie wir hier leben, sollen sie doch nach Mallorca gehen.”
Göttlich.
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Siehe auch:
- Hüzün, 24. Juli 2010.
[Aus dem Archiv.]
Die Quellen des Historikers
Ausgehend von der Besprechung des Buches “Die Araber und der Holocaust” von Gilbert Achcar habe ich mir eimal die auf der Webseite des Verlages verfügbare Leseprobe angeschaut, wo ich über folgende Aussage im Vorwort gestolpert bin:
Wo immer mir gute Sekundärquellen nicht zugänglich waren, habe ich Primärquellen genutzt.
Nun gut, für ein endgültiges Urteil über das Buch, das ich nicht gelesen habe, reicht es nicht. Dennoch stellt sich die Frage, ob der Autor weiss, was er da tut.
[Aus dem Archiv,]
Libertas Germaniae
Ich bin ja immer für Fairplay, weswegen ich die Linkspartei als demokratische Partei verteidigt habe. Aber mittlerweile lässt sich nicht übersehen, dass Positionen nahe am Extremistischen die Partei erobert haben. Das betrifft nicht nur Leute wie Dagdelen, Höger und Wagenknecht, auch die Führungsspitze ist nicht frei davon.
Friedrich Naumann ein Antisemit?
Man kann Friedrich Naumann sicherlich vieles vorwerfen (vor allem, dass er mehr Sozialdemokrat als Liberaler war), aber dass er eine antisemitische Schlagseite gehabt haben soll, dürfte eine kaum haltbare These sein.
Tatsächlich hatte Naumann für den Antisemitismus seiner Zeit nur Verachtung übrig: “Der Jude soll der Typus der Geldwirtschaft sein und mit seinem kapitalistischen Geiste das brave und biedere Deutschland durchsetzt und zerstört haben”,[1] konstatierte er (man beachte die ironische Sprache!), um dann zu einem klaren Urteil zu gelangen:
“Es gibt keine bequemere, aber auch keine unfruchtbare[re] politische Grundformel als den Antisemitismus.”[2]
Naumann war gewiss kein Antisemit. Aussagen wie die, dass die Juden im Falle eines Entzugs ihrer Staatsbürgerrechte “staatsfeindlich” würden, sind offenbar an die Adresse der Antisemiten seiner Zeit gerichtet, die für Appelle an Menschenwürde und die Existenz unveräusserlicher Rechte taub waren und die man nur so argumentativ “packen” konnte.
Die braune Pest
Zehn Jahre lang zogen sie quer durch Deutschland und massten sich an, Gott zu spielen. Die Kaltblütigkeit, mit der eine Nazi-Gruppierung Menschen aus nächster Nähe und bei Tageslicht erschoss – allein ihrer Herkunft wegen –, bevor sie ihre Opfer fotografierte, um sie zu verhöhnen, ist in der deutschen Nachkriegsgeschichte ohne Beispiel.
Der Doppelselbstmord ist wahrscheinlich das einzig gescheite, das die mutmasslichen Haupttäter jemals in ihrem elenden, verkorksten und vergeudeten Leben, wie es nach aussen hin spiessbürgerlicher nicht hätte sein können, zustandegebracht haben.
Ein Trost ist das nicht. Die ganze Affäre, die offenbar auch ein Geheimdienstskandal ist, zeigt, dass der Rechtsextremismus vom militanten Islamismus als grösste Gefahr für die innere Sicherheit noch längst nicht abgelöst worden ist.
Der Weitblick des Philosophen
Dass Hannah Arendts bekanntes Diktum von der Banalität des Bösen fraglich sein könnte, zumindest in Hinblick auf den Organisator der Judenvernichtung im Reichssicherheitshauptamt, Adolf Eichmann, hatte vor einiger Zeit die Publizistin Bettina Stangneth nahegelegt, die dem von Eichmann selbstgeschaffenen, marmornen Mythos, nur ein Rädchen im Getriebe des Holocaust gewesen zu sein, zum Bröckeln brachte. Eichmann war eben viel mehr, nämlich “Ideengeber, Praxisfinder, Innovator, und zwar von Anfang an” und damit Urheber von “Terror, Erpressung, Beraubung, Haft, Folter”.
Hannah Arendt sei, so Stangneth weiter, auf eine Show hereingefallen, die Eichmann als Bestandteil seiner Verteidigungsstrategie vor Gericht in Jerusalem inszeniert habe. Freilich habe Arendt, so die Verfasserin der Studie “Eichmann vor Jerusalem”, auch gar nicht die Möglichkeit gehabt, Eichmanns Manipulationen zu durchschauen, da ihr die Dokumente, die sie eines besseren hätten belehren können, gar nicht bekannt waren.
Das alles konnte man schon vor einiger Zeit lesen. Neu ist, dass ich vor kurzem auf ein Buch des Ideenhistorikers Isaiah Berlin gestossen bin, das ich bis dato noch nicht kannte. Das Buch “Conversations with Isaiah Berlin”, die dieser mit Ramin Jahanbegloo geführt hatte, war Anfang der Neunziger Jahre erstmals erschienen und ist ungemein spannend. Und das gilt ganz besonders für Berlins Einschätzung von Hannah Arendt.
Zu meiner eigenen Überraschung hielt Berlin nichts, aber auch gar nichts von der Arendt, nicht einen einzigen vernünftigen Gedanken konnte er ihr abringen. Eine masslos überschätzte Person sei sie gewesen und auch Gershon Sholem habe ihm im persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass kein vernünftiger Mensch etwas von Hannah Arendt halte!
Berlin missfiel an Hannah Harendt unter anderem ebenjene Rede von der Banalität des Bösen, da die Nazis, so Berlin, ganz einfach nicht banal gewesen seien – im Gegenteil. Eichmann selbst habe gesagt, dass die Judenvernichtung im Zentrum seiner Existenz stehe (”It was, he admitted, at the center of his being”).
Das heisst aber auch, dass Berlin vor nunmehr zwanzig Jahren zu einer Einschätzung gekommen ist, die wir erste heute, nach Erschliesssung der sog. “Argentinien-Papiere“, in ihrer ganzen Tragweite verstehen können. Und es heisst ebenfalls, dass Isaiah Berlin ein über alle Massen weitsichtiger Philosoph war, wie es ihn nur selten gibt.
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Nachtrag 04.09.2014
Die “New York Times” berichtet ebenfalls über das Buch von B. Stangneth, das jetzt auf Englisch erhältlich ist.
Nachtrag 18.09.2018
Alan Dershowitz plädiert dafür, die Formulierung von der “Banalität des Bösen” in Bezug auf Eichmann und den Holocaust ein für allemal zu streichen.
Integrierte Beliebigkeit
Weisen die einen auf die Beispiele gelungener Integration hin, ohne zugleich die Gegenbeispiele zu leugnen, prangern andere lieber ebendiese Gegenbeispiele an – natürlich ohne ihrerseits die Beispiele gelungener Integration zu leugnen. Wen das nicht vom Hocker haut.
Dabei sollte eigentlich niemanden wundern, warum das Schnarchthema Integration auch nach der tausendsten in den Talkshows und Feuilletons geführten Debatte nicht aus den Puschen kommt: Weil der Begriff der Integration selbst nur eine Gummiente auf dem lauwarmen Badewasser der Geschwätzigkeit ist.