Was wäre so schlimm am Brexit?

Es mag gute Gründe gegen einen sog. Brexit, ein Ausscheiden Grossbritanniens aus der EU geben, zugleich offenbaren britische und deutsche Stimmen ganz unterschiedliche Vorstellungen von der EU und alte Denkmuster treten neu zutage. Gerade in der deutschen Öffentlichkeit wird die EU stark idealisiert wird, während in Grossbritannien selbst die Anhänger der EU weitaus pragmatischer argumentieren.

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Dschihad für den Kaiser

Ein Artikel in der „Welt“ widmet sich den historischen Hintergründen des Romans „Grünmantel“, dessen Protagonist im Mittelpunkt auch der „39 Stufen“, eines Filmes von Alfred Hitchcock steht. Der Film wurde von Hitchcock unter dem Titel „Der unsichtbare Dritte“ noch einmal neu verfilmt, jedenfalls sind der Stoff und selbst einige Szenen identisch, man denke hier nur an diejenige im Auktionssaal, wohin der Held sich zwischenzeitlich flüchtet, oder die Schlussszene, die in den „39 Stufen“ auf einem Gebirgsplateau spielt, im „Unsichtbaren Dritten“ auf dem Mt. Rushmore. Doch das nur am Rande.

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Der Kritiker als Retter (2)

David Cameron ist der letzte Europäer unter den Staatsmännern Europas, denn er hat erkannt, dass es kein europäisches Demos gibt und die Union nur eine Chance als Netzwerk hat, nicht als Block. Und die Reaktion der deutschen Medien? Nichts als Häme, selbst von seiten der FAZ.

Schlagzeile der FAZ von heute unter einem Bild des Ärmelkanals im Nebel spielt auf den Inselcharakter Grossbritanniens und zugleich auf den offenbar als weltfremd betrachteten Wunsch Camerons an, ein Referendum über den Verbleib seines Landes in der Europäischen Union abzuhalten. Ãœber „Inselbewohner“ wird dort gewitzelt, die ihre geographische Lage nicht als das „Stigma“ begriffen, als das man es in Frankfurt erkannt hat.

Wenn selbst die bürgerliche Presse mit solch einer Häme und Niedertracht reagiert, dann sagt das viel über den geistigen Zustand der Europäischen Union aus. Bezeichnend, dass in den Medien jetzt auch von Erpressung gesprochen wird – so also ob ein griechischer Politiker namens Alexis Tsipras nicht noch vor einem Jahr ganz offen die Union damit erpresst hätte, dass ein Ende der Dauersubventionierung Griechenlands die Union noch viel teurer werde zu stehen kommen. Damals hat sich die Aufregung des europäischen Auslands in Grenzen gehalten.

Der Kritiker als Retter

Der britische Premier Cameron hat sich in seiner heutigen Rede klar positioniert. Das allein mag schon ungewöhnlich für einen Politiker sein, noch ungewöhnlicher aber war, dass hier jemand für Werte einsteht, die im heutigen Europa nicht mehr sonderlich angesagt scheinen.

Ich selber habe die Idee der europäischen Einheit immer befürwortet, bin ich den letzten Jahren allerdings zunehmend skeptischer geworden, was die Richtung der EU betrifft, in die sie sich bewegt.

Was Cameron sagte, war eine erfrischende Abwechslung zum ganzen EU-Vertiefungsgetöse, das uns überall entgegendröhnt. Die EU werde von britischer Seite mehr als Mittel denn als Zweck verstanden, sie sei dazu da, Frieden und Wohlstand zu sichern, doch stelle sie keinen Selbstzweck dar. Cameron würdigte die Leistungen der EU in Hinsicht auf genau diese Aspekte und wies Gerüchte zurück, er sei ein Isolationist.

Grossbritannien, das stellte Cameron klar, habe europäische Kontinentalgeschichte geschrieben, wie auch der Kontinent britische Geschichte geschrieben habe. Sein Land könne und wolle sich nicht vom Kontinent abschotten, aber die EU habe nur dann Erfolg, wenn sie ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht aufs Spiel setze.

Die EU, so Cameron, werde wirtschaftlich von verschiedener Seite herausgefordert, worauf sie Antworten geben müsse, wolle sie nicht im Niemandsland zwischen den USA und Asien versacken. Die EU habe daher nur als flexibles Netzwerk eine Chance, nicht als starrer Block. Entscheidend sei denn auch der gemeinsame Markt, nicht eine gemeinsame Währung.

Ein Schlüsselwort der Cameron’schen Rede lautete „flexibility“: Die Flexibilität, auf diesem Markt zu agieren, werde die EU stärker zusammenbinden – was ein Zwang von oben nicht bewirken könne. Daher tritt Cameron auch für eine stärkere Rolle der nationalen Parlamente ein, zumal es einen europäischen Demos nicht gebe. Recht hat er!

Nicht nur die Finanzkrise bildet den Hintergrund dieser zutreffenden Feststellungen, auch andere, weniger spektakuläre Ereignisse zeigen, warum Cameron den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Deutlich wird dies z.B. auf dem Gebiet der Softwaretechnologie für Handys, an die Europa mittlerweile den Anschluss verloren hat. Siemens und Nokia können schon längst nicht mehr mit den Entwicklungen aus Asien und den USA konkurrieren.

Nokias Kooperation mit Microsoft hat man nicht umsonst „eine Allianz der Verlierer“ genannt. Zwischen Apples iPhone (USA) auf der einen Seite und den Samsung-Geräten (Korea) mit Googles Android-Software (USA) ist Europa mittlerweile zum reinen Absatzmarkt herabgesunken. Dieses Menetekel sollte Europa zum Handeln bewegen, doch ist davon bisher nicht viel zu spüren.

Die Fehlentwicklung der EU lässt sich auch gut an der Slowakei studieren, die 2004 mit der Einführung einer Einkommens-Flattax den Weg zu einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte geebnet hat, auch wenn es noch längst nicht den Wohlstand der westlichen EU-Länder erreicht. Der Mut zu einer tiefgreifenden Reform hat nun paradoxerweise dazu geführt, dass die relativ arme Slowakei mithelfen musste, die Banken des relativ wohlhabenden Spanien zu retten.

Hier werden falsche Anreize gesetzt: Wer reformiert, muss andere retten – wer sich der Reform verweigert, darf auf Rettungsgelder hoffen. Wenn das die Zukunft Europas sein soll, dann hat der Kontinent keine Zukunft. Cameron fordert zu Recht, dass die EU sich ändern müsse – oder Grossbritannien werde möglicherweise austreten. Ein britisches Referendum soll Klarheit schaffen.

Und die Reaktionen darauf? Bislang scheint unter deutschen Kommentatoren die Häme zu überwiegen. Camerons Optimismus ist denn wohl auch die einzige Fehleinschätzung, die man eines vielleicht nicht allzu fernen Tages ihm rückwirkend wird vorwerfen können.

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