Ein Kartenhaus zerfällt

Dass die Reaktion auf Trumps Entscheidung, den Aktionsplan mit Iran (JCPOA) aufzukündigen überwiegend hysterisch sein würde, war zu erwarten. Während die Tagesschau von einem „Horror-Szenario‟ orakelt, stimmen andere sogar noch weitaus schrillere Töne an.

Nicht, dass es keine besonnenen Stimmen gegeben hätte, die Trump nicht auch Sachargumente entgegenhalten hätten. Was die „Welt‟ und die „Süddeutsche‟ schreiben, ist durchaus sachlich und einer Erörterung wert. Dennoch dürfte Trumps Entscheidung, aus dem Aktionsplan auszusteigen richtig gewesen sein – und zwar aus zwei Gründen:

Zum einen hat Iran seine Aktivitäten in der Region, vor allem in Syrien, immer weiter verstärkt. Möglich wurde das auch durch Gelder, die mit dem Abbau von Sanktionen im Zuge des JCPOA der iranischen Regierung zuflossen. Der damalige amerikanische Aussenminister John Kerry hat es 2016 selbst vorhergesagt. Die Regierung Obama war freilich allzu erpicht auf einen Handel mit Iran und hat von Anfang an hingenommen, dass dieser nur auf eine Gelegenheit wartet, seine Tentakel in der Region noch weiter auszustrecken.

Wenn Iran sich also formal an die Vorgaben des Aktionsplanes hält, dann hat dieser dennoch seinen Zweck verfehlt, wenn der aus Teheran gesteuerte Terrorismus zunimmt und die Region unsicherer macht. Warum sollten die Teilnehmer, warum sollten die USA noch weiter an ihm festhalten?

Der zweite Grund ist, dass die jüngst von Netanjahu präsentierten Dokumente, die mit klandestinen Mitteln aus Iran beschafft worden waren, vielleicht nicht belegen, dass Iran aktuell an einem Nuklearwaffenprogramm arbeitet, das Land aber offensichtlich beabsichtigt, dies nachzuholen, sobald die Laufzeit des Aktionsplanes beendet ist. Der Zeitraum der IAEA-Inspektionen ist klar festgelegt:

„Iran will permit the IAEA to monitor, through agreed measures that will include containment and surveillance measures, for 25 years, that all uranium ore concentrate produced in Iran or obtained from any other source, is transferred to the uranium conversion facility (UCF) in Esfahan or to any other future uranium conversion facility which Iran might decide to build in Iran within this period.‟

Dass Iran keine Nuklearwaffen entwickeln soll, ist allerdings nicht an diese 25-Jahres-Frist gebunden. So heisst es im Aktionsplan weiter: „Iran reaffirms that under no circumstances will Iran ever seek, develop or acquire any nuclear weapons.‟ Im Klartext: Iran soll überhaupt keine Nuklearwaffen entwickeln, nicht nur die nächsten 25 Jahre nicht! Für die iranische Seite sollte dieses Ziel auch kein Problem darstellen, denn in Teheran hat man sich immer auf keinen geringeren als den Staatsgründer Khomeini berufen, der Nuklearwaffen als unislamisch verworfen haben soll.

Wenn das stimmt, warum hätte sich die Führung in Teheran also nicht an den Aktionsplan einlassen sollen? Wenn nur aber umfangreiche Dokumente präsentiert werden, wonach entsprechendes Wissen zum Bau von Nuklearwaffen gehortet wurde, um es für die Zeit nach dem Aktionsplan zu nutzen, dann hat Iran von Anfang an nicht wirklich kooperiert, auch wenn es sich formal an die Vorgaben des Aktionsplanes gehalten und eine Inspektion seiner technischen Anlagen durch die IAEA zugelassen hat.

Im Aktionsplan ist allerdings auch von „past and present issues of concern relating to its nuclear programme‟ die Rede, d.h. selbst wenn die gehorteten Dokumente gar nicht für die Zeit nach Ablauf des Aktionsplanes zur Umsetzung gedacht gewesen seien, hätte Iran über sie dennoch Auskunft geben müssen.

Trump hat in einer Sache Unrecht: Der Aktionsplan war keineswegs ein „deal that should have never, ever been made.‟ Im Gegenteil, es war den Versuch wert. Immerhin, dies nur an die Adresse aller Obama-Fans, stammt die Idee zu einem solchen Deal gemeinsam mit den Europäern von George W. Bush, Trumps Vor-Vorgänger im Amt. Aber Trumps Kritiker haben eben auch Unrecht, wenn sie den Ausstieg nur in Form eines Katastrophenszenarios kommentieren können, denn kein Vertrag – und der JCPOA war noch nicht einmal das – kann aufrechterhalten werden, wenn seine Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.

Das sture Festhalten daran, dass die IAEA keinen Verstoss gegen den Aktionsplan von iranischer Seite hat feststellen können, ändert nichts daran, dass Iran ein hochtoxisches Element in der Region darstellt und alle Versuche, ihn in eine auf Kooperation und Stabilität ausgerichtete Ordnung einzubinden, das Land nur noch toxischer machen. Man fühlt sich an den Satz aus den „Simpsons‟ erinnert, als Lisa zu Mr. Burns sagt: „You haven’t changed at all. You‛re still evil and when you‛re trying to be good, you‛re even more evil.‟

Aber Trumps Entscheidung hat noch etwas anderes bewirkt, etwas, das von den heisigen Medien weithin unkommentiert geblieben ist: Er hat das Werk der mächtigen Iran-Lobby, die über viele Jahre hinweg in den Köpfen der Menschen erfolgreich die Verstellung gepflanzt hat, dass es in Iran zwei Strömungen, die Hardliner und die Reformer, gebe, sodass, wenn der Westen nicht tut, was der Iran verlangt, die Reformer geschwächt und die Hardliner Auftrieb erhalten würden, zerstört.

Unermüdlich haben Iran-Lobbyisten (auch in Deutschland) sich bemüht, ein Ende der Sanktionen herbeizuschreiben und zu -reden, angeblich weil jene dem Westen mehr schadeten als den Iranern. Wieder und wieder haben sie der westlichen Öffentlichkeit weiszumachen versucht, dass Iran ein Anker der Stabilität im Nahen Osten sei.

Immer wieder haben Iran-Lobbyisten die Aufstände und Unruhen, die von der Wut der iranischen Bevölkerung auf das Regime getrieben waren, kleingeredet und als Demonstrationen gegen hohe Brot- oder Milchpreise umgedeutet. Schwer haben sie daran gearbeitet, Iran als demokratisches und fortschrittliches Land darzustellen, das im Westen so schrecklich verkannt werde.

Nun liegt ihre Propagandastrategie in Trümmern, in sich zusammengefallen wie ein Kartenhaus, dank Trump. All die Geschwätzigkeit, die jahrelang aus sämtlichen Medien dröhnte, ist verpufft – denn Trump hat nicht nur den Aktionsplan aufgekündigt, er hat sich an die Spitze der iranischen Bevölkerung gesetzt, die in ihrer Mehrheit weder Hardliner noch Reformer will.. Auf den Strassen ist immer wieder die Parole zu hören: eslah-talab, osul-gera dige tamumeh majara – ob Reformer oder Hardliner, ihr habt ausgespielt. Arme Iran-Lobbyisten, ihr müsst wieder bei Null anfangen!

Denn die Wahrheit ist: Mögen die USA in der Vergangenheit eine Nahostpolitik betrieben haben, die häufig desaströs und kontraproduktiv war; mögen sie sich zuweilen verhalten haben wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen, so bleibt für alle fortschrittlichen Kräfte in der Region Washington noch immer die erste Adresse, wenn es um Unterstützung geht – nicht Brüssel und schon gar nicht Moskau oder Peking.

Sah es anfangs noch so aus, als bedeute die Welt Trump einen feuchten Kehricht, ist der Eindruck mittlerweile ein ganz anderer. Seine Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, als das iranische Regime nach aussen hin so gefährlich und nach innen so fragil ist wie schon lange nicht mehr. Die Unruhen in allen Teilen des Landes, zu denen es Anfang des Jahres gekommen war, hat selbst die Führungskaste aufgerüttelt.

So hat der ehemalige Präsident Ahmadinejad erst Ende Februar in zwei Briefen an den Revolutionsführer Khamenei beklagt, dass seit vierzig Jahren keine Freiheit mehr im Land herrsche. Er warnte vor den Konsequenzen aus der Tatsache, dass die öffentliche Unzufriedenheit mit dem System „sehr hoch und ernst sei und sich rasch auf das Prinzip der Revolution‟ ausweite. Ahmadinejad spricht aus, was die Iran-Lobbyisten hierzulande leugnen, verzerren, vertuschen: Die Menschen haben das Regime satt.

Jetzt kommt Trump und mit ihm der Ausstieg aus dem Aktionsplan, dazu neue, scharfe Sanktionen und die israelische Luftwaffe macht Kleinholz aus sämtlichen iranischen Stellungen in Syrien. Es wird eng für die Mullahs und es braucht keinen Krieg, um einen Regimewechsel herbeizuführen. Nur in Europa ist diese Einsicht wohl noch immer nicht mehrheitsfähig.


Nachtrag 2. Juni 2018

Der baden-württembergische Verfassungsschutz kommt aktuell zur folgenden Einschätzung (Hervorhebung von mir): “Soweit eine Verifizierung der Anhaltspunkte möglich war, erbrachte diese keinen Hinweis für einen Verstoß gegen den JCPOA. Unabhängig davon ist allerdings festzustellen, dass Iran unverändert seine ambitionierten Raketen- und Trägertechnologieprogramme weiterverfolgt, die vom Abkommen nicht umfasst sind.”

Autor: Michael Kreutz

Orientalist und Politologe.

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