Der Kopf der Schlange

Kaum hat die israelische Regierung zu einem umfassenden Schlag gegen das Teheraner Regime angesetzt, überschlagen sich die Kommentare und Analysen vieler Medien mit törichten Warnungen vor einer Eskalation des Konflikts und absurde Appelle an beide Seiten, die iranische wie die israelische, den Krieg mit Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu stoppen.

Vor allem die «taz» und der «Spiegel» äussern Unverständnis über das israelische Vorgehen gegen die Islamische Republik und vermuten persönliche Motive des israelischen Premierministers Netanjahu. Dass es bei aller berechtigten Kritik an Netanjahus Politik gute Gründe geben könnte, gegen das Teheraner Regime loszuschlagen, kommt manchem Kommentarschreiber gar nicht erst in den Sinn.

Dabei hat das Teheraner Regime schon kurz nach der Machtübernahme geäussert, an Atomwaffen Interesse zu haben und von Anfang an klargemacht, dass es zur Staatsdoktrin gehört, einen Nahen Osten ohne Israel zu schaffen. Wir haben auf diesem Blog zahlreiche Äusserungen iranischer Machthaber aus dem Persischen übersetzt, die den Vernichtungswunsch des Regimes belegen.

Während Israel auf Präzision bedacht ist, sagte der frühere iranische Präsident Rafsanjani einmal über das israelische Atomprogramm: „Wenn die islamische Welt eines Tages im Gegenzug die gleichen Waffen wie Israel besitzt, wird diese arrogante Strategie in eine Sackgasse geraten, denn der Einsatz einer Atombombe würde von Israel nichts übrig lassen, während es die Islamische Welt nur beschädigte.1 Man stelle sich einen solchen Zynismus aus dem Munde eines israelischen Regierungschefs vor!

Die iranische Diaspora schöpft Hoffnung – deutsche Kommentatoren sind zerknirscht

Auch die Tatsache, dass das Teheraner Regime Schwerwasserreaktoren betreibt, sollte stutzig machen. Denn dafür braucht man Uran nicht extra anzureichern; natürlicher Uran reicht zu ihrem Betrieb völlig aus. Da Iran seinen Strombedarf auch aus photovoltaischen Anlagen decken könnte, kann die Urananreicherung wohl kaum mit ziviler Nutzung erklärt werden. Aber in den Kommentaren von El Gawhary, Bax oder von Mittelstaedt erfährt man davon nichts.

Wer das Rechtsgutachten (Fatwa) des religiösen Führers Khamenei vertraut, wonach es der Islamischen Republik verboten sei, nach Atomwaffen zu streben, glaubt wahrscheinlich auch, dass ein Löffel in der geöffneten Sektflasche dessen Inhalt frisch hält. Dabei weiss selbst der einer kritischen Haltung gegenüber dem Regime unverdächtige Nahostanalyst Volker Perthes in seinem Iran-Buch (2008) von ausländischen Diplomaten zu berichten, dass deren iranische Gesprächspartner offenbar «wenig Probleme damit hätten, sie offen anzulügen

Perthes zitiert eine Studie über den iranischen Verhandlungsstil, wonach iranische Unterhändler «Unwahrheiten, Desinformation, bewusste Unklarheiten und die Manipulierung ihres Gegenübers für durchaus zulässige Mittel halten.» Das schiitische Konzept der taqiya, des Verheimlichens eigener Glaubensüberzeugungen gegenüber dem Feind, mag hierbei Pate gestanden haben. Doch gibt es auch sonst keinen Grund, einem Regime zu trauen, das nur auf Zerstörung aus ist.

Ausgerechnet der WDR, der bislang nicht durch eine professionelle Iran-Berichterstattung aufgefallen ist, hat sich in der iranischen Diaspora von NRW umgehört und (wenig überraschend) festgestellt, dass man dort die israelischen Angriffe auf die iranische Infrastruktur des Terrors unterstützt: «Die Auslandsiraner haben sich hauptsächlich gefreut über die Militäranführer im Iran, die eliminiert worden sind.» Das entspricht genau meinem persönlichen Eindruck von der Stimmung in der iranischen Community.

Die verhasste Islamische Republik kämpft um ihr Überleben

Tatsächlich steht für das Regime die eigene Existenz auf dem Spiel, zumal die Machthaber keinen Ort haben, an den sie fliehen könnten. Iran, Jemen, Syrien oder Libanon, wo ihr Einfluss schwindet, kommen für den iranischen Kopf der Schlange nicht länger infrage. Vielleicht würde Russlands Putin sie aufnehmen, aber dort würden sie irgendwann aus unbekannter Ursache mit dem Hubschrauber abstürzen, aus dem Fenster fallen oder tot im Swimmingpool aufgefunden werden.

Auch Venezuale ist kein sicherer Hafen, obgleich Präsident Maduros politischer Ziehvater Hugo Chávez ein Freund des iranischen Präsidenten Ahmadinejad war. Dafür ist das Land schlicht zu instabil. Weil die iranischen Machthaber Schiiten und Feinde Amerikas sind, kommt weder Saudi-Arabien infrage, das einst dem ugandischen Schlächter Idi Amin Asyl gewährt hatte, noch die USA, die den philippinischen Dikator Ferdinand Marcos auf Hawaii aufnahmen.

Was auch immer Netanjahus Motive für den Angriff auf die iranische Atom-Infrastruktur sein mögen, sie dürften von der Mehrheit der iranischen Bevölkerung begrüsst werden, die sich nichts sehnlicher wünscht, als in einem normalen Land zu leben, in dem Zivilisten regieren und keine Fanatiker mit Turbanen. Wer weiss, wie weit Netanjahu zu gehen bereit ist. Der iranischen Bevölkerung jedenfalls wird ein Sturz des Regimes kein Schritt zu weit sein.

  1. وی گفت: اگر روزی دنیای اسلام متقابلا مجهز به سلاحهایی که اسراییل دارد،
    شود، آن روز این راهبرد استکبار به بن بست خواهد رسید، چون استعمال یک
    بمب اتم در اسراییل هیچ چیز را باقی نمی گذارد ولی در دنیای اسلام، فقط
    آسیب می رساند. ↩︎
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