Dass die USA heute wieder Ramadi bombardieren, ist auch deshalb so bemerkenswert, weil vor etwa zehn Jahren von dort aus der Kampf gegen al-Qaida begonnen hatte. Bis zur Vertreibung der Terrororganisation im März 2007 galt die Stadt als Zentrum dschihadistischer Gewalt. Dass Ramadi ein zweites Mal an die Dschihadisten, dieses Mal vom ISIS, fallen konnte, musste also hohe Symbolwirkung haben. Das hätte nie passieren dürfen.
Wie der amerikanische Militärfachmann Seth G. Jones (“Hunting in the Shadows”, 2012) schreibt, war es damals übrigens nicht das irakische Militär, das 2007 den Niedergang al-Qaidas im Irak herbeiführte, sondern die Polizei. Deren Aufstockung um lediglich einige tausend Polizisten in der Provinz al-Anbar, deren Hauptstadt Ramadi ist, hatte sich in kürzester Zeit für die Dschihadisten so negativ ausgewirkt, dass selbst die Amerikaner überrascht waren. Danach war al-Qaida regelrecht implodiert.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Dschihadisten erobern Städte nicht allein mit Feuerkraft von aussen, sondern bedienen sich einer Fünften Kolonne im Inneren, die, sobald sie stark genug ist, zum Vorschein kommt und den Widerstand gegen den Feind von aussen zu brechen versucht. Die Aufdeckung solcher Unterstützerzirkel durch eine ortskundige Polizei ist offenbar viel effektiver als die hinterher erfolgende Bekämpfung aus der Luft.
Die Taktik der Dschihadisten ist nicht neu: Schon die heterodoxen Fatimiden im 9. und 10. Jahrhundert, worüber Heinz Halm (“Das Reich des Mahdi”, 1991) geforscht hat, hatten auf diese Weise militärische Erfolge gefeiert. Abū Ṭāhir Sulaymān al-Ǧannābī, ein Anführer der Qarmaten, zu denen auch Fatimiden-Anhänger gehörten, hatte 927 Anbar erobert und Bagdad in Angst und Schrecken versetzt. Auch seine Anhänger verfolgten alle jene, die sich ihnen widersetzten, als Ungläubige, und richteten Blutbäder unter den Muslimen an. Und auch die Qarmaten wurden durch lokale Kräfte besiegt: durch Truppen des Provinzgouverneurs.