In Paderborn, wie die „Welt am Sonntag‟ berichtet, ist kürzlich ein Projekt abgeschlossen worden, das sich den „koranischen Zugängen zu Jesus‟ widmete. Das könnte eine interessante Sache sein, aber skeptisch macht die Tatsache, dass ein solches Projekt gleich wieder ideologisch überformt werden muss, wonach die Forschungsergebnisse nichts weniger als „die Zukunft des gesellschaftlichen Friedens beeinflussen‟ könnten.
Was auch immer dieser Forschungsergebnisse sein mögen oder sein werden, offenbar, so legt es der Artikel nahe, sollen sie das koranische Bild von Jesus mit dem christlichen versöhnen, dieses gar bestätigen. Auch soll mit der Vorstellung aufgeräumt werden, der Koran sei den Christen feindlich gesinnt. Feindselige Töne richteten sich demnach nicht gegen das Christentum insgesamt, „sondern nur gegen manche christliche Sekten, mit denen die Mohammed-Bewegung damals immer stärker in Kontakt kam.‟
Nun ja. Schon seit langen weiss man, dass die antichristliche Polemik im Koran auf die Christen des Nadschrān abzielt, die Muhammad absprachen, ein Prophet zu sein. Andere Christen hingegen, die ihn als solchen akzeptierten, werden vom Koran gelobt, von späteren Kommentatoren jedoch als Muslime betrachtet.
Mit ersteren waren möglicherweise Jakobiter (Syrisch-Orthodoxe) gemeint, also Monophysiten, die im südarabischen Nadschrān trotz intensiven Werbens durch Muḥammad ihren Glauben verteidigt und einen Minderheitenstatus in Kauf nahmen. In Byzanz hatten sie einen schweren Stand und begrüssten daher die Islamisierung, ohne deswegen zu konvertieren.
Natürlich kann man das in Paderborn oder sonstwo noch einmal alles aufarbeiten und anhand apokrypher christlicher Schriften den koranischen Blick auf das Christentum bestätigen wollen, aber irritierend ist doch, dass hier nicht Historiker oder Philologen am Werk sind, sondern Theologen, die hier ganz selbstverständlich den koranischen Wahrheitsanspruch zu akzeptieren scheinen, weil sie offenbar glauben, auf diese Weise zu einem besseren gegenseitigen Verständnis der Religionen zu gelangen.
Dieses Anliegen übersieht jedoch, dass der Islam in der Geschichte, wie Max Weber formulierte, „eben keine universalistische Erlösungsreligion‟ war, sondern „die Gewaltherrschaft der Gläubigen über die geduldeten Ungläubigen‟ anstrebte, wobei „die Gewaltsamkeit als solche kein Problem‟ darstellte.
Spätere Islamwissenschaftler haben diesen Vorgang, bekannt unter dem Begriff „Dschihād‟, dadurch herunterzuspielen versucht, indem sie als primäres Ziel „den Schutz der islamischen Gemeinde vor der verlockenden Apostasie‟ identifizierten, doch liess sich nicht übersehen, dass in jedem Falle eine Ordnung entstand, die Minderheiten in tributäre Abhängigkeit setzte.
Christliche Gotteshäuser wurden im Laufe der islamischen Geschichte daher zum Teil in Moscheen umgewandelt, zum Teil geschliffen und zum Teil durften sie als Kirchen weiterbetrieben werden. Das Christentum durfte seine Existenz aufrechterhalten, aber nur als beherrschbare Minderheit, die der islamischen Ordnung nicht gefährlich werden konnte.
Dieses Vorgehen zeichnet auch die Herrschaft des IS aus. Dass der Koran gegenüber den Christen seiner Zeit etwas anderes im Sinn gehabt haben könnte, mag vielleicht Ergebnis eines Forschungsprojektes in Paderborn sein. An der Wirkmächtigkeit historischer Leitbilder dürfte es so bald nichts ändern.
Update 17.07.2016
Ganz im Sinne dessen, was wir geschrieben haben, erklärt Klaus von Stosch, Leiter des oben genannten Projektes, im Interview mit der NZZ:
Wenn im Arabischen etwas über die Juden oder die Christen gesagt wird, ist von der Sprache her immer eine bestimmte Gruppe von Juden oder Christen gemeint. Es ist wichtig zu wissen, wer.
Alles schon bekannt, nur eben nicht jedem.