Der 46. amerikanische Präsident – Welche Berichterstattung dürfen wir erwarten?

Werden die Medien dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden genauso auf die Finger schauen, wie sie es bei Trump getan haben?

Donald Trump hat die amerikanische Präsidentschaftswahl verloren. Das ist insofern gut, als Trump kein Freund supranationaler Organisationen war und die bestehende internationale Ordnung beschädigte. Sein Nachfolger, der künftige 46. amerikanische Präsident, Joe Biden, wird das ändern. Aber Trump hatte auch seine Verdienste.

Vor allem sein Kurs in der Aussenpolitik, nicht zuletzt im Nahen Osten, verdient einigen Respekt. Sein Name wird immer mit der jüngsten Annäherung arabischer Staaten an Israel verbunden bleiben. Allerdings man fragt sich eben auch, was Trump insgesamt eigentlich wollte. Was war seine Vision? Zu viel schien einfach nicht zusammenzupassen:

–– Einerseits fuhr er einen harten Kurs gegen Iran. Andererseits droht ein Abzug amerikanischer Truppen aus dem Nachbarland Irak das islamistische Regime in Teheran zu stärken, indem es das Vakuum mit Terrortruppen füllen wird.

–– Einerseits versuchte Trump, Chinas aussenpolitischen Einfluss einzudämmen. Andererseits half er dem chinesischen Regime und seiner Politik der rücksichtslosen Dominanz (Hongkong, innere Mongolei, Ostchinesisches Meer), indem er internationale Organisationen wie die UN oder die WTO schwächte.

–– Einerseits schuf er jede Menge Jobs in den USA. Andererseits schloss er sein Land von einer geplanten Freihandelszone in Südostasien aus, wovon ausgerechnet China profitieren sollte.

–– Einerseits wollte Trump sein Land vor islamischen Terroristen schützen, weshalb er zeitweilig einen Einreisestopp für Menschen aus muslimischen Ländern verhängte. Andererseits verständigte er sich mit den terroristischen Taliban in Afghanistan.

–– Einerseits stellte Trump sich auf die Seite der demokratischen Opposition in Belarus oder Hongkong. Andererseits zeigte er Verachtung für demokratische Institutionen und Normen in seinem eigenen Land.

Auch deshalb ist eine kritische Berichterstattung so bedeutsam in einer Demokratie. Je höher die Machtposition eines Politikers, desto mehr bedarf es einer Öffentlichkeit, die genau hinsieht. Allerdings lässt sich eine Einseitigkeit grosser Teile der Medien in den USA wie in Deutschland nicht leugnen.

Während der Republikaner Trump keinerlei Vertrauensvorschuss genoss und alles, wirklich alles, was er tat, in der Luft zerrissen wurde, ist dies bei dem Demokraten Biden ganz anders. Der „Spiegel“ hat in seinem aktuellen Titelbild schon angedeutet, wie die künftige Berichterstattung des Blattes wohl ausfallen wird.

„Spiegel“-Titel Nr. 46 vom 7. November 2020

Biden solle Amerika wieder grossmachen, der Miss Liberty ihren Kopf wieder aufsetzen (den Trump ihr auf einem früheren „Spiegel“-Titelbild abgeschnitten hat) – das ist nicht nur der Wunsch der Redaktion, sondern die Rolle, die sie ihm auf den Leib schneidert.

Nicht, dass Trump permanent von den Medien kritisiert, gemassregelt und seine Politik hinterfragt wurde, ist das Problem. Sondern die Tatsache, dass sein links-liberaler Nachfolger mit einer vergleichbar kritischen Berichterstattung höchstwahrscheinlich nicht rechnen muss.

Bei Trumps Vorgänger Barack Obama war das schon der Fall, dem nur wenige Medien vorzuwerfen sich trauten, das bösartige Teheraner Regime mit Samthandschuhen angefasst zu haben, während Trump immer wieder vorgeworfen wurde, zu gute Beziehungen zu Autokraten wie Russlands Wladimir Putin gepflegt zu haben.

So hat Biden versprochen, den Atom-Deal mit Iran wiederzubeleben, aber zugleich „wirksamer gegen Irans andere destablisierenden Aktivitäten“ vorgehen zu wollen. Einmal abgesehen davon, dass der Atom-Deal an und für sich schlecht ist: Den ersten Teil des Versprechens wird Biden gewiss einlösen, den zweiten Teil vielleicht nicht.

Die Medien müssen ihm hier, wie auch bei seinen anderen Versprechen, genau auf die Finger schauen. Werden sie es tun?

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