Utopien sind gedachte Gesellschaftsordnungen, in denen alle menschlichen Konflikte überwunden sind. Es gibt sie in der linken Version als Sozialismus, in der rechten als faschistischer Ständestaat und in der bürgerlichen Version als Libertarismus. Immer meint Utopie ein gesellschaftliches Perpetuum Mobile und damit das Gegenteil von Politik, denn Politik bedeutet Visionen, Kompromisse und eine Absage an radikale Lösungen.
Konflikt liegt in der Natur des Menschen, ebenso die Fähigkeit zur Kooperation. Eine Gesellschaftsordnung, in der es keine Konlfikte gibt, ist eine Horrorvorstellung, doch müssen wir deswegen Konflikte nicht hinnehmen, sondern können sie abmildern. Solange die Freiheit und Würde des einzelnen Menschen gewahrt bleibt, muss Politik, die Kanalisierung von Macht, daher einen Spielraum haben.

Wenn Politiker jedoch die politische Konkurrenz zum Feind erklären, ist Vorsicht geboten. Leicht vertiefen sich die Gräben, sodass eine breite Mitte immer weniger auf Rückhalt in der Bevölkerung zählen kann. Oft wenden sich Menschen enttäuscht von ihrer Partei ab, wenn sie in ihren Augen in einer Zweier- oder Dreierkoalition nicht genügend von ihrem Progamm durchgesetzt hat.
Doch wo eine Partei nur die Hälfte oder ein Drittel einer Koalition ausmacht, wird auch nur die Hälfte oder ein Drittel ihres Programms in Politik umgesetzt. Diese durchaus banale Feststellung scheint bei vielen Wählerinnen und Wählern nicht angekommen zu sein, sonst würden Regierungsparteien im Umfragen nicht regelmässig derart massiv an Zuspruch verlieren. Dann schlägt die Stunde des Populismus, der allerorten Verfall und Niedergang wittert.
Ist jedoch einmal der allgemeine Kulturoptimismus abhanden gekommen und werden radikale Lösungen gesellschaftsfähig, legt sich der Schatten der Utopie über das Gemeinwesen. In ihr herrscht nicht die Freiheit, «sondern die Perfektion entweder des Terrors oder der absoluten Langeweile“ (Ralf Dahrendorf). Der Traum vom Ende aller Konflikte wird zum realen Alptraum. Das ist dann das Ende der Politik.
