Spanien in der Krise

Stolz verkündet die katalanische Regionalregierung das Ergebnis des Referendums: Neunzig Prozent haben demnach für die Unabhängigkeit gestimmt und ein klares Votum für die Abspaltung Kataloniens von Spanien gegeben. Tatsächlich?

Deutsche Medien verbreiten das Ergebnis des Referendums, als ob letzteres allen Ernstes den Willen der Katalanen abbildete und kaufen der Regionalregierung das Märchen ab, die Abspaltung sei nicht mehr aufzuhalten und der Riss zwischen Katalonien und Spanien werde immer tiefer.

In diesem Märchen stehen auf der einen Seite die Katalanen, ein kleines unterdrücktes Volk, das tapfer wie die Gallier gegen ein übermächtiges Rom kämpft – und auf der anderen Seite eine quasi-faschistische Regierung in Madrid, die in Franco-Manier alles niederknüppelt, was ihre Macht infrage stellt.

Liebe Sympathisanten des Referendums, dies alles hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Zunächst einmal ist Spanien ein demokratischer Rechtsstaat und die Verfassung erlaubt (Art. 155 Abs 1 und 2) ausdrücklich das Vorgehen der spanischen Regierung wie jetzt im Falle Kataloniens.

Des weiteren muss man zur Kenntnis nehmen, dass der Riss nicht zwischen Katalonien einerseits und Spanien andererseits verläuft, sondern zwischen denjenigen Katalanen, die eine Abspaltung herbeisehnen und denen, die sich zugleich als Spanier fühlen.

Diejenigen Katalanen aber, die sich zugleich als Spanier fühlen, werden – von Ausnahmen abgesehen – gar nicht erst am Referendum teilnehmen, da sie Spanien gegenüber loyal sind und das Referendum im spanischen Gesetz keine Grundlage hat. Das wiederum bedeutet, dass ein solches Referendum keinerlei Aussagekraft hat. Es ist wertlos, weil es gar nicht repräsentativ sein kann.

Nicht, dass ich persönlich etwas gegen eine Abspaltung Kataloniens hätte. Das ist eine innerspanische Angelegenheit, die mich gar nichts angeht. Aber in einem Rechtsstaat müssen erst die rechtlichen Grundlagen für ein Referendum gelegt werden, damit auch diejenigen daran teilnehmen, die gegen eine Abspaltung sind. Erst ein solches Referendum wäre repräsentativ für den Wählerwillen.

Daher lässt sich das Referendum auch nicht mit dem der Kurden vergleichen, die ihre Unabhängigkeit von einem Land erstreiten wollen, das gar keine rechtsstaatlichen Qualitäten hat. Spanien aber ist eine Demokratie und in einer Demokratie gibt es kein Recht à la carte. Ministerpräsident Rajoy hat recht, wenn er sagt, es habe kein Referendum gegeben.

Sicher, die Ãœbergriffe seitens der spanischen Polizei sind zu verurteilen, wobei es freilich auch ganz andere Bilder gibt, die auch nicht gerade ein Ausweis von Friedfertigkeit der Sezessionisten ist. Doch lassen wir das. Die spanische Polizei hat einige unschöne Exzesse zu verantworten, die nicht hätten geschehen dürfen. Das “Referendum” wird dadurch aber nicht legal.

Ebensowenig lässt sich das “Referendum” mit dem Brexit zu vergleichen: Dieser hatte eine rechtliche Grundlage und wurde im Ergebnis von allen Beteiligten anerkannt, während jenes illegal war und einen Konflikt innerhalb der EU bedeutet, der diese zu schwächen droht.

Auch wenn es abgedroschen klingt: Europa darf sich nicht spalten lassen. Dass russische Twitter-Bots gezielt diesen Eindruck verstärken, Europa sei ein gespaltener Kontinent, passt da nur ins Bild.

Wie Martin Schulz die Wähler täuscht

Vor einem Jahr hatten wir hier über den Brexit geschrieben. Mag sein, dass die britische Wirtschaft auf lange Sicht das Nachsehen haben wird. Was der Brexit für die EU bedeutet, ist noch ungewiss, aber der Austritt Grossbritanniens wird wohl kaum eine Welle weiterer Austritte aus der Union nach sich ziehen. Das anzunehmen gibt es keinen Grund. Dennoch kann und sollte man den Brexit als Schuss vor den Bug begreifen.

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Vom Rechtsstaat zu Rechtszonen

Eigentlich treten Linke dafür ein, dass die reichen Länder sich nicht abschotten, dass keine Festung Europa entsteht und Afrika nicht am Katzentisch sitzt, wenn die reichen Länder über die Rahmenbedingungen ihres Wohlstandes konferieren. Andererseits treten Linke dafür ein, dass die reichen Länder keine Arbeitsplätze in ärmere Länder exportieren, dass Europa möglichst nicht beim Billigheimer in Afrika oder Asien produzieren solle, lieber Protektionismus betreiben und hiesige Arbeitsplätze sichern möge.

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Proaktive Teilhabeförderung

Dass wir jemals einen Zustand erreichen, in der niemand mehr Ressentiments gegen Menschen anderer Herkunft oder Religion hegt, bleibt auf ewig eine Utopie. Es wird wohl immer einen gewissen Prozentsatz der Bevölkerung geben, der rechtspopulistischen Ansichten zuneigt. Realistisch ist einzig, eine Gesellschaft zu erschaffen, in der xenophobe und rassistische Einstellungen nicht mehrheitsfähig, sondern allgemein missbilligt werden.

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“And where there is no public …”

Solange “die Vorstellung des Nationalstaats unser Denken prägt” – ja, was dann? Im Interview zeigt die grossartige Judith Butler, dass sie wieder einmal nichts verstanden hat. Nach einer Kaskade von Gemeinplätzen kommt Judith Butler zur Sache, wobei das Lamento über den unheilvollen Charakter des Nationalstaates auch nur wieder ein alter Hut ist:

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Das Sandmännchen als Gesetzgeber

Mit dem neuen Jahr tritt u.a. das Gesetz über den Mindestlohn in Kraft (MiLoG), der eine neue Ära staatlicher Kontrolle einleitet, wie sein Kritiker Roland Tichy, ehemaliger Chefredakteur der “Wirtschaftswoche”, fürchtet. Wenn das stimmt, dann ist dies nur ein weiterer Beleg dafür, dass grosse Koalitionen der parlamentarischen Demokratie nicht wohl bekommen.

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Dienst am Volk

Die Frage, wie man Menschen am besten erziehen, bevormunden und gängeln kann, hat schon viele Denker zu intellektuellen Höchstleistungen angespornt. Jetzt fordert der Germanist und Fernsehphilosoph Richard David Precht die Einrichtung eines sozialen Pflichtjahrs für Renter. Denn genau wie Precht haben auch Rentner bekanntlich Zeit en masse und da nicht alle über einen so hohen Marktwert verfügen, dass sie vom Bücherschreiben leben können, muss man sie anderweitig einsetzen.

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